Klahr    Alfred Klahr Gesellschaft

Verein zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung

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Öffentliches Eigentum – eine Frage von Gestern?

Manfred Mugrauer (Hg.): Öffentliches Eigentum – eine Frage von Gestern? 60 Jahre österreichische Verstaatlichungsgesetzgebung. Wien: Verlag der Alfred Klahr Gesellschaft 2007 (Quellen & Studien, Sonderband 8)

Vorwort

Am 26. Juli 1946 beschloss der Nationalrat mit den Stimmen aller drei demokratischen Parteien – ÖVP, SPÖ und KPÖ – das 1. Verstaatlichungsgesetz. Mit diesem Gesetz wurden die damaligen drei österreichischen Großbanken, der Bergbau, die Erdölförderung und -verarbeitung, die Hüttenindustrie sowie Großbetriebe der Maschinen- und Metallindustrie, des Fahrzeugbaus, der Elektroindustrie und chemischen Industrie verstaatlicht. 1947 wurde die gesamte Elektrizitätswirtschaft in staatlichen Besitz überführt. Heute, über 60 Jahre danach, sind von den Verstaatlichungen nur noch marginale Reste in Form von ÖIAG-Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen wie AUA, OMV, Post AG und Telekom Austria übrig geblieben. 1987 erfolgte zur Zeit der Großen Koalition der Startschuss zu einer Reprivatisierungswelle, die mit dem Antritt der schwarz-blauen Regierung im Jahr 2000 und ihrem Privatisierungsauftrag zum Totalverkauf der wichtigsten industriellen Unternehmen führte, die sich in Österreich einst in öffentlicher Hand befunden hatten.
Die Alfred Klahr Gesellschaft nahm im Juni 2006 gemeinsam mit dem KPÖ-Bildungsverein Steiermark den 60. Jahrestag des 1. Verstaatlichungsgesetzes zum Anlass, vor dem Hintergrund dieser Reprivatisierungen die Aktualität von öffentlichem Eigentum in staatlicher und kommunaler Hand zu diskutieren. Der Ort der Konferenz – Leoben – war dabei durchaus symbolträchtig gewählt, ging doch im Juni 1945 von den Arbeitern der obersteirischen Betriebe der vehementeste Ruf nach Verstaatlichung der Schlüsselindustrien und Banken aus.
Am Abend des 23. Juni 2006 wurde die eineinhalbtägige Konferenz mit einer Podiumsdiskussion von fünf Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Arbeitswelt eröffnet: Warum kam es in Österreich nach 1945 zu derart umfangreichen Verstaatlichungen? Welche Auswirkungen hatten sie auf die soziale Lage der gesamten österreichischen ArbeiterInnenschaft? Was waren die Ursachen der „Krise“ der verstaatlichten Industrie in den 1980er Jahren und ihrer danach einsetzenden Zerschlagung? Welche Rolle spielen die ÖIAG und die EU-Richtlinien bei der Reprivatisierung? Diese und ähnliche Fragen wurden von Bundesminister a.D. DI Dr. Rudolf Streicher, dem Publizisten Mag. Christian Felber, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten Oberösterreich Gottfried Zauner, dem Abgeordneten der KPÖ zum steiermärkischen Landtag Dr. Werner Murgg und dem damaligen Landesgeschäftsführer und jetzigen Generalsekretär der ÖVP DI Hannes Missethon aufgeworfen und kontrovers diskutiert. Tags darauf setzten sich acht ReferentInnen aus dem universitären, gewerkschaftlichen und politischen Bereich – Univ.-Prof. Dr. Hans Hautmann, Dr. Heimo Halbrainer, Ernest Kaltenegger, DDr. Werner Anzenberger, Mag. Miron Passweg, Dr. Margareta Kreimer, Karl Rußheim und Willi Gaisch – mit Fragen der Verstaatlichung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auseinander. In der Diskussion machte vor allem die Frage, welche Strategien im Interesse der arbeitenden Menschen gegen die Betreiber und Nutznießer der (Re)Privatisierung zu entwickeln seien, deutlich, dass für eine Trendumkehr in Richtung einer erneuten Stärkung und Erweiterung des öffentlichen Eigentumsbereichs grundlegende Verschiebungen des gesellschaftspolitischen Kräfteverhältnisses erforderlich sind.
Der hiermit im Anschluss an die gemeinsame Konferenz der Alfred Klahr Gesellschaft mit dem KPÖ-Bildungsverein Steiermark vorgelegte Band vereint Statements und Referate von Podiumsdiskussion und Symposium mit weiteren Beiträgen und Dokumenten zum Thema. Sie alle sind als Beitrag dazu zu werten, dass die Frage des öffentlichen Eigentums hierzulande wieder auf die Tagesordnung kommt.

RA Dr. Walther Leeb
Präsident der Alfred Klahr Gesellschaft

 

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