Klahr    Alfred Klahr Gesellschaft

Verein zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung

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Willi Weinert: Sepp Gradl, der Chronist der österreichischen Spanienkämpfer

Im Zusammenhang mit dem 60. Jahrestag der Gründung der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg wurde auch von den Bemühungen gesprochen, die Aktivitäten der dort kämpfenden Österreicher und Österreicherinnen zu erforschen. Einer, der bereits in Spanien begann, war der Kommunist Josef Gradl. Er war auch nach dem Krieg intensiv damit beschäftigt, legte für die Vereinigung der Spanienkämpfer ein Archiv an und investierte nicht nur viel Zeit, sondern auch viel Geld, um Tausende Fotos zu reproduzieren und andere Materialien zu sammeln.

Sepp Gradl, geboren 1914, trat 1932 der KPÖ bei und nahm als Schutzbündler an den Februarkämpfen in Ottakring teil. Bereits 1933 erstmals verhaftet, wurde er 1934 in Wöllersdorf, dem Anhaltelager der Austrofaschisten, interniert. Am 23.Juli 1936 wurde er entlassen. In diesen Wochen erfuhren die Antifaschisten vom Putsch der Generäle gegen die republikanische Regierung in Spanien, und viele  entschlossen sich, nach Spanien zu gehen. Im Dezember 1936 hatte Gradl die nötigen Vorbereitungen, wie die Beschaffung eines (falschen) Reisepasses, abgeschlossen und fuhr, als Schifahrer getarnt, mit der Bahn über die  Schweiz und Frankreich nach Spanien, wo er in Albacete Soldat der spanischen Volksarmee wurde. Nach dem Abschluß seiner Ausbildung im Februar 1937 hatte er als Gewehrführer und erster MG-Schütze (mit der schweren russischen Maxim ausgerüstet) im Thälmann-Bataillon der 11. Internationalen Brigade seinen ersten Einsatz an der Jaramafront. Danach war er in einer Spezialeinheit mit verschiedenen Aufgaben betraut. Anfang 1939 verließ er Spanien in Richtung Frankreich, wo er, gleich seinen Kampfgefährten, in verschiedenen Internierungslager inhaftiert war. Aus einem konnte er fliehen und schloß sich der österreichischen Parteigruppe der KPÖ in Südfrankreich an, arbeitete (mit Paul Jellinek, Zalel Schwager, Irene Spiegel, Albert Hirsch u.a.) als Holzfäller in der Gegend von Vallee-d´Aure in den Pyrenäen und beteiligte sich an Flugblattaktionen vor deutschen Kasernen in Lyon, um vor allem die österreichischen Soldaten von der Sinnlosigkeit des Krieges zu  überzeugen.
Die Partei beschloß damals, auf der Basis der Freiwilligkeit, GenosseInnen über das deutsche Arbeitsbüro, das französische Arbeiter für das Deutsche Reich rekrutierte, als „Fremdarbeiter“ nach Österreich zu schicken, um Kontakt zum kommunistischen Widerstand aufzunehmen und für die Befreiung Österreichs zu wirken. Gradl war einer davon. Er kam im Dezember 1943 in das südsteirische Aluminiumwerk in Pettau-Sterntal, wo 4000 Arbeiter für die deutsche Kriegsmaschinerie werkten. Nach wenigen Monaten stieg er als gelernte Schlosser zum Vorarbeiter auf und gewann das Vertrauen der Nazis. Aber seine Arbeit dauerte nicht lange. Es erschien die Gestapo, die ihn verhaftete. Schuld daran war nicht seine Unachtsamkeit, sondern die eines Genossen in Frankreich, bei dem die Gestapo die Listen der nach Österreich entsandten kommunistischen „Fremdarbeiter“ fand. (Was er in der Gestapohaft an Quälereien und Folter ertragen mußte, beschäftigte 1948 ein Gericht und führte zur Verurteilung eines Nazitäters zu 8 Jahren Kerker. Doch dieser Gestapobeamte Karl Wolf, auf dessen Konto ungezählte zu Tode gequälter Menschen kamen, mußte nur eineinhalb Jahre seiner Strafe absitzen, weil er, wie fast alle seinesgleichen, in den Genuß einer Amnestie kam.)
Mit einer kurzen Eisenkette wurden ihm Füße und Hände am Rücken zusammengeschlossen, und als er noch immer keine Aussagen machte, schlugen sie ihn mit einem Ochsenziemer und zogen ihn an der Kette hoch. Doch die Gestapo-Folterer brachten aus dem kleinen, schmächtigen, aber zähen Gradl kein Wort heraus, was sie veranlaßte, ihn im Keller in dieser Position auf einen Haken aufzuhängen. Mitte Juni 1944, knapp vor seinem Abtransport nach Wien und noch immer mit Händen und Füßen hinter dem Rücken zusammengekettet, konnte er mit einer bei der Visitation übersehenen Hosenspange das die Kette zusammenhaltende Schloß öffnen. Als Schlosser war die Kellertüre für ihn auch kein Hindernis mehr. Es gelang ihm die Flucht. Die ihn verfolgende SS zerschoß ihm das Hüftgelenk und den rechten Oberschenkel. Im Pettauer Spital lag er vier Wochen. Petau war bereits Partisanengebiet, auch der stellvertretende Chefarzt gehörte zu den Partisanen und organisierte seine Flucht zu den jugoslawischen Partisanen, wo er das Kriegsende erlebte.
Sein Leben konnte gerettet werden, nicht aber sein verletztes Bein, daß man recht bald amputieren mußte. Diese schweren Verletzungen begleiteten ihn und zwangen ihn in den letzten Jahren seines Lebens noch in den Rollstuhl.
Gradl sammelte unermüdlich und hinterließ Tausende Dokumente unterschiedlichster Art, als er im August 1989 verstarb. Für ihn war das Sammeln der Materialien nicht Selbstzweck, nicht Ausfluß eines Bemühens, die kaum zu überschätzenden Taten der Widerstandskämpfer an sich zu dokumentieren. Der Proletarier Sepp Gradl, der in diesem Bereich Autodidakt war und blieb, sah darin die Fortsetzung des seinerzeitigen, mit der Waffe in der Hand geführten Kampfes gegen den Faschismus. Es ging ihm darum, mit diesen Dokumenten zu zeigen und zu beweisen, wie sehr österreichische KommunistInnen und Antifaschisten, bis hin zum Einsatz ihres Lebens bereit waren, für ein freies, unabhängiges Österreich zu kämpfen.
So war es ihm ein großes Anliegen, daß dieser Kampf der ÖsterreicherInnen in Spanien in Publikationen dokumentiert wird. Er hatte großen Anteil am Zustandekommen der zum 50. Jahrestag der Gründung der Interbrigaden erschienen beiden Spanienbücher („Für Spaniens Freiheit. Österreicher an der Seite der Spanischen Republik 1936-1939“, des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes, und von „Österreicher im Spanischen Bürgerkrieg. Interbrigadisten berichten über ihre Erlebnisse 1936 bis 1939“, das die Vereinigung der österreichischen Freiwilligen in der spanischen Republik herausgegeben hat).
Unermüdlich sammelte er die verstreut existierenden Fotos bei den Spanienkämpfern, legte unzählige „Findbücher“ dazu an, bemühte sich mit anderen Kampfgefährten die Personen und die Örtlichkeiten auf den Fotos zu identifizieren. Neben diesen Tausenden Fotos, die er in Kopien auch dem DÖW zur Verfügung stellte, sammelte er Dokumente, Ausweise, Zeitungen, Tagebücher, Abzeichen, Postkarten, Briefe u.a.m., die ihm die Spanienkämpfer z.T. im Original zur Verfügung stellten. In diesem Archiv, das in einigen Kartons untergebracht ist, finden sich zahlreiche Mappen, in denen er themenbezogen Materialien zu den unterschiedlichsten Bereichen zusammengestellt hat. Da finden sich nicht nur die Vorarbeiten für das Buch der Spanienkämpfer, sondern auch Mappen, in denen sein Leben dokumentiert wird, ob es sich nun um seine Lehrzeit als Schlosser handelt, um die Februarkämpfe, seine Flucht aus dem Gestapogefängnis (nach 1945 suchte er diesen Ort auf und fotografierte die Räumlichkeiten, in denen er gefoltert worden war), oder das Kriegsende in Trumau (NÖ), wo er bis zu seinem Tod gelebt hat.
All diese unschätzbaren Materialien liegen nun in der Alfred Klahr Gesellschaft und harren einer Erschließung, damit sie für eine breitere Benützung zur Verfügung gestellt werden können.

Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 4/1996

 

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