Klahr    Alfred Klahr Gesellschaft

Verein zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung

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Die KPÖ im National- und Bundesrat 1945–1959

Referat von Univ.-Prof. Dr. Hans Hautmann

Symposium der Alfred Klahr Gesellschaft und des Bildungsvereins der KPÖ Steiermark am 19. Juni 2010 in Graz

Im Rahmen unseres heutigen Symposiums kommt mir, Historiker, der ich bin, wie so oft die Aufgabe zu, den geschichtlichen Teil abzudecken, diesmal den geschichtlichen Teil des Verhältnisses kommunistischer Parteien zum Parlamentarismus. Als Objekt bietet sich naheliegenderweise die Vergangenheit unserer eigenen Partei an, die in der Zweiten Republik vierzehn Jahre lang, von 1945 bis 1959, im Nationalrat, und fünf Jahre, von 1949 bis 1954, im Bundesrat vertreten war.
Darüber vor euch Ausführungen zu machen, war für mich bei der Vorbereitung alles andere als einfach und mühelos, weil es bisher an Untersuchungen zu dem Thema so gut wie vollkommen fehlt und die Parlamentstätigkeit der KPÖ ein blinder Fleck der Parteigeschichte ist. Es war für mich daher notwendig, hier Basisarbeit zu leisten und zu den Quellen zu gehen, was in Form ziemlich arbeitsaufwändiger Studien in der Parlamentsbibliothek und im Parlamentsarchiv geschehen ist. Ein erstes Resultat dieser Recherchen liegt mit meinem Artikel in der jetzigen Juni-Nummer der „Mitteilungen“ der Alfred Klahr Gesellschaft vor, und es kann sein, dass ich die Sache weiter verfolge und ausbaue, eventuell sogar in Buchform, weil es mir in politischer Hinsicht wichtig erscheint, die in Umfang und Qualität doch sehr bemerkenswerte parlamentarische Tätigkeit der KPÖ endlich einmal gründlich darzustellen.
Mein Referat wird sich in zwei Abschnitte gliedern. Im ersten Teil gebe ich einen Überblick mit Zahlen, Daten, Fakten zur Parlamentsarbeit der KPÖ in diesen vierzehn Jahren, und im zweiten Teil werde ich einige Schlussfolgerungen grundsätzlicher Art aus diesen historischen Erfahrungen ziehen und Überlegungen anzustellen, die für die aktuelle Praxis der Tätigkeit von Kommunisten und Kommunistinnen in Gremien der Volksvertretung von Bedeutung und diskussionswürdig sein können.
Die KPÖ hat bei vier Nationalratswahlen der 2. Republik, 1945, 1949, 1953 und 1956, ein Grundmandat, zwei Mal sogar zwei Grundmandate erreicht, damit auch Restmandate im 2. Ermittlungsverfahren und war damit im Nationalrat zunächst mit vier, dann mit fünf, dann wieder mit vier und zuletzt mit drei Abgeordneten vertreten. Prozentmäßig stand man beim österreichweiten Wähleranteil bei fünf Prozent, drei Mal knapp darüber, einmal knapp darunter.
Die Grundmandate wurden stets in traditionellen Hochburgen der Arbeiterbewegung errungen, nämlich im Wahlkreis 4 – Wien/Nordost (das waren die Bezirke Leopoldstadt, Brigittenau, Floridsdorf und Donaustadt) und im Wahlkreis 9 – Niederösterreich/Viertel unter dem Wienerwald (das war das Industriegebiet des Wiener Beckens mit Wiener Neustadt, Neunkirchen, Ternitz, Wimpassing usw.)
Die Restmandate kamen ebenfalls aus Wahlkreisverbänden, wo die Partei in der arbeitenden Bevölkerung gut verankert war, aus Wien und aus dem Verband Steiermark, Kärnten und Burgenland. Als nicht unwichtig für die Gesamteinschätzung der Wahlergebnisse muss dabei festgehalten werden, dass die Wahlkreise, wo die KPÖ die Grundmandate errang, immer in der sowjetisch besetzten Zone bzw. 1956 in der ehemals sowjetisch besetzten Zone Österreichs und Wiens lagen.
Den einzigen Sitz im Bundesrat erreichte die KPÖ aufgrund der Landtags- und Gemeinderatswahl in Wien 1949, als sie dort mit über 89.000 Stimmen (fast 8 Prozent) 7 Mandate errang und damit nach dem Verhältnisprinzip der politischen Zusammensetzung des Wiener Landtags das Anrecht auf die Vertretung im Bundesrat bekam, was dann übrigens durch Losentscheid zwischen ihr und der ÖVP entschieden wurde.
Wir haben es also mit insgesamt sechs kommunistischen Abgeordneten zu tun, fünf Nationalräten und einem Bundesrat. Von diesen waren drei, Johann Koplenig, Franz Honner und Ernst Fischer, über die gesamten vierzehn Jahre Nationalräte, Viktor Elser elf Jahre, und Erwin Scharf vier Jahre bzw. weitere drei Jahre zuvor, von 1945 bis 1948, bis zu seinem Parteiausschluss, als Abgeordneter der SPÖ. Im Bundesrat nahm das Mandat Gottlieb Fiala für fünf Jahre wahr, von 1949 bis 1954. Alle sechs Genannten waren markante Persönlichkeiten mit bedeutenden Fähigkeiten, die sie auch im Parlament zur Geltung zu bringen verstanden.
Das Arbeitspensum, das sie als Angehörige der stets kleinsten Fraktion bewältigen mussten, war enorm. Ein Hinterbänklerdasein, wie es etliche Abgeordnete der großen Parteien kennzeichnete, war ihnen unmöglich, und es gab keine einzige Gesetzeslesung, Budgetdebatte, Regierungserklärung, innen- und außenpolitische, wirtschaftliche, soziale, rechtliche und kulturelle Frage, zu der sie nicht das Wort ergriffen. Nach meiner Zählung haben sie in den vierzehn Jahren insgesamt 861 Reden im Plenum gehalten, von denen viele bis zu zehn Seiten in den gedruckten stenographischen Protokollen umfassen. Der im statistischen Durchschnitt fleißigste Redner war übrigens Viktor Elser aus der Steiermark, der in den elf Jahren seiner Parlamentstätigkeit 213 Reden hielt.
Die kommunistischen Abgeordneten mussten in der Lage sein, zu jedem der im Parlament behandelten, oft sehr komplexen Themen ihre Positionen darzulegen. Sie konnten auf der Rednertribüne zu einer Sache wie dem Apothekerkammergesetz nicht mit allgemeinen Floskeln dahinplaudern, sondern mussten sich in die Materie vertiefen, Sachkenntnis unter Beweis stellen und durch konkrete Forderungen zeigen, wie man sich die Gestaltung gesetzlicher Maßnahmen im Interesse der arbeitenden Menschen vorstellte.
Trotzdem und gerade deshalb war zwischen ihnen eine gewisse Arbeitsteilung notwendig und auch festgelegt. Sie sah so aus, dass Viktor Elser sich auf arbeits- und sozialrechtliche Fragen konzentrierte, Ernst Fischer auf Fragen der Außenpolitik, Kultur, Kunst, Bildung und Wissenschaft, Franz Honner auf Fragen der allgemeinen Wirtschaftspolitik (Steuern, Finanzausgleich, verstaatlichte Betriebe, Preisregelung etc.) und der Innenpolitik, Erwin Scharf auf Fragen der Justiz und des Wohnungswesens, und Johann Koplenig auf Fragen des Bundeshaushalts sowie der Regierungspolitik generell.
Diese Kompetenzbereiche schlossen aber zu keinem Zeitpunkt aus, dass man gezwungen war, auch zu Themen das Wort zu ergreifen, die einem ansonsten ganz fern lagen. Der einzige kommunistische Mandatar im Bundesrat, Gottlieb Fiala, hat überhaupt zu jeder Frage seine Stimme erheben müssen.
Was befähigte die sechs kommunistischen Abgeordneten dazu? Von ihnen hatte ja niemand einen akademischen Grad, und lediglich Ernst Fischer und Erwin Scharf eine höhere Schulbildung. Koplenig, Honner, Elser und Fiala stammten aus einfachsten Verhältnissen, und mit Ausnahme von Elser aus der Zeit der 1. Republik als Sozialdemokrat im steirischen Landtag und von Honner als kommunistischer Gemeinderat in Grünbach von 1923 bis 1928 waren sie vollkommene Neulinge auf dem parlamentarischen Parkett.
Dass sie dennoch den erfahrenen und gewiegten Mandataren der anderen Parteien Paroli bieten konnten, war ihren eigenen Fähigkeiten geschuldet, nicht zuletzt deshalb, weil sie Marxisten waren, aber auch dem Stab an Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Apparat der KPÖ, der die Materialien zu den einzelnen Gesetzesvorlagen sammelte und die Parlamentsreden dem inhaltlichen Gerüst nach entwarf. Die bemerkenswert gute Informiertheit, von der die kommunistischen Parlamentsreden Zeugnis ablegen, war zweifellos der stillen wie arbeitsintensiven Aufbereitungstätigkeit der beiden hoch qualifizierten Sekretäre der Parlamentsfraktion, nämlich von Dr. Fritz Glaubauf und Dr. Kurt Weihs, zu verdanken.
Dazu kam noch ein Weiteres, nämlich die Tatsache, dass die KPÖ damals zeitweilig an die 140.000 Mitglieder zählte, praktisch in jedem wichtigen Betrieb ihre Betriebsräte und in sämtlichen Berufen und Sozialschichten ihre Anhänger hatte, dass man über ein Potenzial an klugen, gebildeten, informierten Menschen quer durch die Gesellschaft verfügte, die in jenen Jahren ihre Kenntnisse aus voller politischer Überzeugung der KPÖ zur Verfügung stellten. Der Partei blieb deshalb auch das, was sich hinter den Kulissen, in den Etagen der wirtschaftlichen wie politischen Machthierarchie, abspielte, keineswegs verborgen und sie konnte es deshalb auch im Parlament jederzeit mit den mandatsmäßig viel stärkeren Parteien punkto Hintergrundwissen und sachlicher Beschlagenheit aufnehmen.
Die KPÖ war im Parlament nicht die gesamten vierzehn Jahre eine Oppositionspartei, sondern am Anfang, von 1945 bis November 1947, auch eine Regierungspartei in einer Dreierkoalition mit dem Bundesminister für das Energieressort Dr. Karl Altmann. Das hatte zur Folge, dass die vier kommunistischen Abgeordneten 1945 auch in die Ausschüsse aufgenommen wurden, die im parlamentarischen Leben eine mindestens ebenso wichtige Rolle spielen wie das Plenum.
Koplenig saß im Hauptausschuss, Honner im Finanz- und Budgetausschuss, Fischer im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten sowie im Ausschuss für Verwaltungsreform, und Elser im Ausschuss für Soziale Verwaltung. Weiters waren sie als Ersatzmitglieder noch in mehreren anderen Ausschüssen vertreten.
Ich habe mir die im Parlamentsarchiv verwahrten Akten der Ausschüsse aus dieser Zeit angesehen, und auch aus ihnen geht hervor, was für eine rege Tätigkeit die KPÖ-Abgeordneten entfalteten. 1949 allerdings, als die Partei von vier auf fünf Mandate stieg, hatte sich die politische Wetterlage so geändert, dass die Mehrheitsparteien sie aus den Ausschüssen entfernten, sie also lieber nicht mehr als Beobachter in diesen Gremien präsent haben wollten.
Es liegt auf der Hand, dass die parlamentarischen Wirkungsmöglichkeiten der kleinen KPÖ-Fraktion beschränkt waren und auch ununterbrochen auf Grenzen stießen. Für die Einbringung selbständiger Anträge war damals laut Geschäftsordnung noch die Unterstützung durch mindestens acht Abgeordnete notwendig (heute sind es fünf), und unter diesen Umständen war es den Kommunisten schon von vornherein unmöglich, eigene Anträge im Nationalrat einzubringen. Von diesem formalen Hindernis abgesehen war es auch in politischer Hinsicht klar, dass kommunistische Initiativen im Nationalrat und Bundesrat, sowohl in den Ausschüssen als auch im Plenum, permanent auf die geschlossene Ablehnungsfront der Mehrheitsparteien stießen.
Anders und besser stand es beim Recht, schriftliche Anfragen an die Bundesregierung bzw. einzelne Minister einzubringen. Sie mussten lediglich von fünf Abgeordneten unterstützt sein. Genau diese Zahl erreichte die KPÖ in den Jahren 1949 bis 1953, was man weidlich ausnützte. Elser stellte in dieser VI. Gesetzgebungsperiode Anfragen in 40 Fällen, Fischer in 45, Honner in 41, Koplenig in 25 und Scharf in 14 Fällen.
Ich habe auch diese Anfragen und die Antworten der Mitglieder der Bundesregierung durchgesehen. Sie sind hochinteressant, weil sie vor allem die ganze Atmosphäre jener Zeit sehr gut widerspiegeln und zeigen, in welch scharfem und schonungslos attackierendem Ton sowohl die Partei als auch ihre politischen Gegner agierten.
Um die Tätigkeit der kommunistischen Abgeordneten wirklich würdigen zu können, ist aber in erster Linie die inhaltliche Analyse ihrer Reden nötig. Will man, wie ich, jetzt endlich eine historische Darstellung liefern, muss man sich hier selbstverständlich auf eine Auswahl beschränken, und das sind vornehmlich Debattenbeiträge, denen eine bis in die Gegenwart reichende, bleibende Bedeutung zukommt.
Trotz ihrer Kleinheit war die Anwesenheit der KPÖ im Parlament nämlich ein Faktor, der gewisse – und oft nicht geringe – positive Wirkungen auf die politische Entwicklung Österreichs nach 1945 hatte, und zwar insofern, als sie Vorreiter bei Dingen waren, die später verwirklicht und von den Bundesregierungen unter großem Getöse als deren soziale Reformen verkauft wurden. Dazu gehörte z.B. die kommunistische Forderung nach der 13. Monatsrente bzw. nach dem 13. Monatsgehalt für öffentlich Bedienstete (Lehrer), nach dem Vier-Wochen-Mindesturlaub für jugendliche Arbeiter, nach der Mitbestimmung der Belegschaften in den Betrieben oder die Forderung nach der Aufhebung des Abtreibungs-Paragraphen 144 sowie nach einer Familienrechtsreform im Sinne einer Besserstellung der Rechte der Frauen. Zu nennen ist aber auch der Kampf der KPÖ im Parlament für die Sicherung der Unabhängigkeit Österreichs, für den Staatsvertrag und die Neutralität, die ja lange Zeit von den Mehrheitsparteien wütend abgelehnt wurde, weiters gegen die Auslieferung der österreichischen Wirtschaft an ausländisches Kapital, für Verstaatlichung und öffentliches Eigentum, für die Stärkung des antifaschistisch-demokratischen Gründungsauftrags der 2. Republik und gegen die Wiederbelebung großdeutsch-nazistischer Tendenzen, und das entschiedene Eintreten für die Rechte und Interessen der arbeitenden Bevölkerung sowie die konsequent oppositionelle Haltung gegen das kapitalistische System insgesamt. Letzteres ist ja etwas, was heute bei keiner der Parlamentsparteien auch nur annähernd ein Merkmal ist.
Verglichen mit den jetzigen Zuständen muss man aber selbst als Kommunist offen sagen, dass das Parlament in der Anfangsperiode der 2. Republik von anderem Kaliber war als heute und auch viel Großes, Fortschrittliches geleistet hat. Es wurden damals Fundamente gelegt, die gänzlich zu zertrümmern den Betreibern der neoliberalen Wende noch nicht gelungen ist und hoffentlich nie gelingen wird – man denke dabei nur an eine Sache wie die über 500 Paragraphen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) aus dem Jahr 1956. Die kleine, befehdete, verfemte und im öffentlichen Bewusstsein schon ganz vergessene Fraktion der Kommunisten hat zu diesen positiven Seiten des österreichischen Parlamentarismus ihren Beitrag geleistet. Genau das möchte ich darstellen und zeigen, dass man aus dem, was die KPÖ im Parlament damals forderte, befürwortete, bekrittelte und ablehnte, wertvolle Erkenntnisse für die Gegenwart und Zukunft ziehen kann.
Nun zu einigen Schlussfolgerungen und Verallgemeinerungen. Der Titel unseres Symposiums lautet ja: „Tribüne oder Politikfeld?“ Er ist sehr gut gewählt, weil er etwas Grundsätzliches anspricht. Sollen kommunistische Parteien in Volksvertretungen diese primär als Ort ansehen, um dort demokratische und sozialistische Ideen zu propagieren, oder kann und soll die Präsenz in parlamentarischen Gremien auch dazu benützt werden, um im bürgerlichen Staat Politik zu gestalten? Letztere Möglichkeit eröffnet sich allerdings nur dann, wenn man so viele Mandate erreicht, dass man Minister, Landesräte, Stadträte, Bürgermeister, Vizebürgermeister und -meisterinnen etc. stellen kann. Die Vergangenheit und Gegenwart zeigt, dass auch das realisierbar ist. Die großen kommunistischen Parteien in Frankreich und Italien waren nach 1945 einige Zeit mit Ministern in den Regierungen vertreten, und in einem Gebiet wie dem „Roten Gürtel“ Italiens gab es über mehrere Jahrzehnte zahlreiche Städte mit kommunistischen Bürgermeistern, man denke nur an Bologna.
Auch die viel kleinere KPÖ bildete hier keine Ausnahme, als sie sowohl in der Renner-Regierung mit Staatssekretären als auch von 1945 bis 1947 unter Figl mit dem Minister Altmann Regierungsverantwortung wahrnahm. Und sie hat auch dieses weit schwierigere Problem, als es das rein oppositionelle Auftreten in Parlamenten und deren Benützung als Propagandatribüne ist, gut bewältigt. Altmann war ein hervorragender Energieminister, und es wäre hoch an der Zeit, diesen leider schon ganz vergessenen Kommunisten entsprechend zu würdigen, was z.B. für Geschichtestudenten und -studentinnen des KSV, auch in Graz, ein lohnender Gegenstand für eine Diplomarbeit oder Dissertation sein könnte.
Die Frage „Tribüne oder Politikfeld?“ hat sich ja auch bei euch in der Steiermark gestellt, als die Wahlergebnisse eine Ausmaß erreichten, um damit Stadtratsressorts oder wie jüngst das Amt einer Vizebürgermeisterin besetzen zu können, und wird sich weiterhin stellen. Zwischen den beiden Tätigkeitsbereichen gibt es aber meiner Überzeugung nach keinen unüberbrückbaren Gegensatz, kein starres Entweder-Oder, dann nämlich, wenn man auf beiden Feldern einen prinzipiellen Standpunkt zu bewahren versteht und deshalb weiß, was mit kommunistischen Grundsätzen und mit dem eigenen kommunistischen Gewissen unter den herrschenden kapitalistischen Bedingungen vereinbar ist und was nicht. Dass man auch als Träger politischer Verantwortung im exekutiven Bereich, z.B. in Stadtregierungen, eine gute, für die arbeitenden Menschen nützliche Arbeit leisten kann, beweist das Beispiel Steiermark.
Damit bin ich beim Stichwort „gute Arbeit“. Man kann unmöglich behaupten, dass Altmann als Minister und die KPÖ-Abgeordneten im National- und Bundesrat schlecht agierten oder irgendwelche katastrophalen, unverzeihlichen Fehler begingen. Trotzdem ist die KPÖ 1959 aus dem Parlament hinausgewählt worden, was zeigt, dass gute Arbeit in keiner Weise eine Garantie für die dauernde Belohnung seitens der Wähler und Wählerinnen darstellt. Hier kommen ganz andere Dinge zum Tragen, deren wir uns stets gewärtig sein müssen, Dinge, die außerhalb von subjektiven Bemühungen, Willensabsichten und Wünschen einer kommunistischen Partei liegen.
Wir leben in einer Klassengesellschaft, in der das, was linken Kräften als gute Arbeit, als notwendig, als erstrebenswert erscheint, für die anderen eben schlecht ist, von ihnen verdammt, verhöhnt und als naive soziale Träumerei oder demagogischer „Linkspopulismus“ niedergemacht wird, in der die Herrschenden eine fast uneingeschränkte Hegemonie über die Köpfe der Menschen ausüben, mit der sie es verstehen, die Masse der Bevölkerung dazu zu motivieren, sich freiwillig an falschen, gegen ihre ureigensten Interessen gerichteten Fronten gruppieren zu lassen – denn was sind die Wahlerfolge einer Partei wie der des Herrn Strache unter den Niedriglohnempfängern, Arbeitslosen, Jugendlichen anderes als das? – , und in der für die an der Macht Befindlichen über die Massenmedien unzählige Möglichkeiten der Manipulation bestehen, darunter auch die, über die Tätigkeit der kommunistischen Mandatare in Volksvertretungen tunlichst den Mantel des Schweigens auszubreiten und sie vor der Öffentlichkeit zu vertuschen. Was heute nicht in den Massenblättern steht und worüber im Fernsehen nicht berichtet wird, ist ja für die Menschen auch nicht vorhanden. Gegen diese Übermacht sich entgegenzustemmen, stellt eine riesige und schwere Aufgabe dar, wobei es klar ist, dass eine gute politische Arbeit von Kommunisten und Kommunistinnen nicht zuletzt auch in parlamentarischen Gremien die Voraussetzung überhaupt dafür ist, diese Aufgabe zu bewältigen.
Das führt mich zur abschließenden Frage in dem Zusammenhang, ebenfalls abgeleitet aus den Erfahrungen, die die KPÖ in Volksvertretungsorganen gemacht hat und macht. Als die Partei 1959 aus dem Nationalrat ausschied und ihr fortan der Wiedereinzug nicht mehr gelang, blieb sie trotzdem noch längere Zeit in einigen Landtagen und in vielen Gemeinden präsent, in Gemeinden sogar über alle Parteikrisen wie 1956, 1968, 1989 hinweg und ungeachtet des stetigen prozentmäßigen Rückgangs am Wähleranteil im gesamtösterreichischen Maßstab.
Schlussfolgern kann man daraus, dass die Möglichkeiten von Kommunisten und Kommunistinnen, gewählt zu werden und in parlamentarischen Gremien vertreten zu sein, umso besser werden, je näher man vor Ort ist, an der Basis, bei den Menschen, bei den Problemen, die ihnen unter den Nägeln brennen, eben auf kommunaler Ebene. Leistet man hier eine gute, nützliche Arbeit, wird das von der Bevölkerung viel eher und mit sichereren Aussichten auf eine Wiederwahl und einen Wählerzuwachs honoriert als in den höheren Etagen des parlamentarischen Systems.
Ich könnte hier viele Gemeinden und kommunistische Mandatare in- und außerhalb der Steiermark aufzählen, für die das zutrifft, und wo der persönliche Ruf und das hohe Ansehen von Kommunisten und Kommunistinnen, die sich in entschiedener Weise für die Interessen der arbeitenden Menschen einsetzen, über Jahre und sogar Jahrzehnte hinweg die Gewähr für die Präsenz in einem Volksvertretungsorgan war und ist. Dabei hat sich erwiesen, dass es durchaus keine hochpolitischen, weltbewegenden Dinge sein müssen, für die man sich engagiert, sondern solche alltäglichen Sorgen und Nöte wie Mieten, Wohnungen, Kindergärten, funktionierende kommunale Dienste, öffentliche Verkehrsmittel usw., Dinge, von denen die Menschen hautnah berührt sind.
Hier, auf der untersten, basisnächsten Ebene, in den Kommunen und z.B. in Städten, wo Bezirksräte zur Wahl stehen, muss also in Österreich kommunistische Parlamentsarbeit heute – und sicherlich noch viele künftige Jahre – ansetzen, um wieder vorwärts zu kommen. Denn dass der Einzug der steirischen KPÖ in den Landtag 2005 der vorausgegangenen guten Arbeit in den obersteirischen Gemeinden und in Graz geschuldet war, liegt ja für uns alle klar auf der Hand.
Eine marxistische Erkenntnis aus der Vergangenheit bleibt meines Erachtens wahr und gültig: dass die Parlamentsarbeit nicht das ausschließliche Tätigkeitsfeld einer kommunistischen Partei sein kann. Die Gesamtorientierung muss stimmen und eine prinzipielle Grundlage haben, um in- und außerhalb von Parlamenten reüssieren zu können. Um die letztere, die außerparlamentarische Aktionsfähigkeit von kommunistischen Parteien, steht es, wie wir alle wissen, schlecht, nicht nur in Österreich, sondern in fast allen europäischen Ländern.
Um hier etwas voranzubringen, erhebt sich vor den kommunistischen Parteien noch eine weitere große, künftige Aufgabe, nämlich wieder auch in den Bereich der Repräsentanz des Wählerwillens einzudringen und dort stärker zu werden, wo man einmal gut verankert war: auf ökonomischer Ebene, in der Arbeitswelt, in den Betrieben und bei den Wahlen von Betriebsräten und –rätinnen sowie Arbeiterkammerräten und -rätinnen.
Gelingt auch das, denn können sich Perspektiven eröffnen, die die Frage unseres Symposiums „Tribüne oder Politikfeld“ nicht nur auf das parlamentarische Wirken beschränken, sondern tatsächlich im Sinne einer Verschmelzung beider Bereiche beantworten, hin zur Ergänzung der parlamentarischen durch die außerparlamentarische Aktion.

 

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