Klahr    Alfred Klahr Gesellschaft

Verein zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung

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Aufruf des Zentralkomitees der KPÖ anlässlich der Annexion Österreichs durch Hitlerdeutschland

(In der Nacht vom 11. zum 12. März 1938 vom Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Österreichs in Prag beschlossen)

Volk von Österreich! An alle Völker Europas und der Welt!
Hitler hat mit militärischer Gewalt Österreich unter sein Joch gebracht. Hitler ist dabei, den Freiheitswillen des österreichischen Volkes durch die Stiefel seiner Soldateska niederzutreten. Er ist daran, in Österreich seine Fremdherrschaft aufzurichten. Drei Tage vor dem Volksentscheid, nach dem seine Agenten jahrelang riefen, hat er losgeschlagen, aus Angst vor dem Willen des österreichischen Volkes, aus Angst vor dem Ergebnis der Volksabstimmung, die mit dem Bekenntnis der überwältigenden Mehrheit zur Freiheit und Unabhängigkeit geendet hätte, aus Angst vor der Niederlage, die er am 13. erlebt hätte.
Berchtesgaden hatte den Widerstand des Volkes verhundertfacht. Alle Kräfte des Volkes begannen sich zu vereinigen zur Verteidigung der Heimat gegen die Barbarei des Faschismus.
Gegen diese geeinte Front des österreichischen Volkes hatte Hitler seine Kanonen, seine Tanks und Flugzeuge eingesetzt.
Volk von Österreich! Wehre Dich, leiste Widerstand den fremden Eindringlingen und ihren Agenten. Schließt Euch zusammen, Katholiken und Sozialisten, Arbeiter und Bauern! Schließt Euch zusammen, nun erst recht, zur Front aller Österreicher. Alle Unterschiede der Weltanschauung, alle Parteiunterschiede treten zurück vor der heiligen Aufgabe, die heute dem österreichischen Volke gestellt ist! Zusammenstehen gegen Hitler, zusammenstehen, um Hitlers Soldateska aus Österreich wieder hinauszujagen!
Arbeiter, bleibt fest! Seid einig und bleibt treu den stolzen Traditionen der österreichischen Arbeiterklasse. Laßt Euch nicht beugen, trotzt dem Terror! Macht die Betriebe zu Zentren des Widerstandes! Laßt Euch den Gewerkschaftsbund nicht zerstören!
Soldaten, Offiziere, Angehörige der Exekutive, die Ihr der österreichischen Heimat die Treue haltet, schließt Euch zusammen mit dem Volk, reiht Euch ein in die Front des erbitterten Widerstandes gegen Hitler und seine Agenten!
Volk von Österreich! Wehre Dich! Mach die Losung zur Tat: Rot-Weiß-Rot bis in den Tod!
Mögen es die deutschen Faschisten wissen, möge es die ganze zivilisierte Welt hören: das österreichische Volk wird nie und nimmer diese Fremdherrschaft, aufgerichtet unter den Bajonetten und dem Terror, anerkennen. Das österreichische Volk steht mit tödlichem Haß den faschistischen Tyrannen gegenüber.
Mögen auch am 11. März die Hitlerschen Kanonen triumphiert haben. Am 11. März hat der letzte Befreiungskampf des österreichischen Volks begonnen, und er wird enden mit der Abschüttelung der Diktatur der Bajonette Hitlers.
Völker Europas! Völker der Welt! Hört die Stimme Österreichs! Hört die Stimme eines Volks, das seine Freiheit und Unabhängigkeit über alles liebt, eines Volkes, dessen Kultur die ganze Welt liebt und das niemandem feind ist. Hört seine Stimme und helft, helft, helft!
Duldet nicht, daß dieses Volk seiner Selbständigkeit, seiner herrlichen Kultur und seiner Freiheit beraubt wird! Es geht nicht nur um den Bestand dieses Landes, nicht nur um den Frieden an der Donau, sondern um den Frieden Europas. Es geht um die braunen Piraten und Kriegsbrandstifter, die morgen ebenso gegen ein anderes Volk losschlagen.
Lernt aus dem Beispiel Österreichs. Jedes Zurückweichen, jede Kapitulation vor den Kriegsbrandstiftern ermuntert den Hitler-Faschismus zu neuen Angriffen. Hitler will keinen Frieden, er läßt seine Bajonette marschieren. Hitler haßt die Front der friedlichen Völker, er will über die Völker herrschen.
Völker Europas! Lernt endlich am Beispiel Österreichs! Erkennt, daß die Stärke Hitlers nur in der Unentschlossenheit der westlichen Demokratien und der Kräfte des Friedens liegt. Leistet Solidarität und aktive Hilfe dem österreichischen Volk, das heldenhaft kämpft gegen eine militärische Übermacht. Laßt dieses Volk nicht untergehen. Die Politik faschistischer Barbarei darf in Europa nicht triumphieren.
Das österreichische Volk ist vergewaltigt worden, aber sein Glaube und seine Zuversicht sind ungebrochen. Der Kampf geht weiter. Durch seine eigene Kraft und durch die Hilfe der Weltfront des Friedens wird ein freies, unabhängiges Österreich wiedererstehen.

aus: Rundschau über Politik, Wirtschaft und Arbeiterbewegung (Basel), 7. Jg., Nr. 16, 17.3.1938, S. 482f.

 

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