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Hans Hautmann (Hg.): „Wir sind keine Hunde“. Das Protokoll des Arbeitertages
vom 5. November 1916 in Wien
Vorwort
Die hier wiedergegebenen Dokumente, stammend aus der Zeit des Ersten
Weltkriegs, sind in ihrer Art einzig dastehende Zeugnisse dafür, zu welchen
Ergebnissen ökonomische Machtverhältnisse, durch staatliche Zwangsgesetze
untermauert und begünstigt, führen können. Ihre Auswirkungen trafen mit voller
Härte die arbeitender Menschen in einem Gesellschaftssystem, das damals bei uns
herrschte, und das, nach Überwindung seines dreißigjährigen Intermezzos als
Sozial- und Wohlfahrtsstaat, heute in Österreich wieder zur Normalität
zurückkehrt. Diese Normalität hat sich in manchen Bereichen der Beziehungen
zwischen Kapital und Arbeit einstigen Zuständen bereits angenähert und wird, so
sich an den sozialen Kräfteverhältnissen nicht bald etwas Entscheidendes ändert,
fortdauern, bis das Ziel erreicht ist: die totale Monopolisierung des
gesellschaftlichen Reichtums in den Händen einer kleinen Anzahl mächtiger
wirtschaftlicher Akteure.
Wir betrachten deshalb die Veröffentlichung der beiden Dokumente als Akt der
Entschleierung und Desillusionierung in einer Situation, in der ständig
wiederholte Botschaften wie „Effizienz“, „Leistungsgesellschaft“,
„Marktwirtschaftlichkeit“, „Deregulierung“, „unternehmerisches Denken“,
„Flexibilität“ usw. das Urteilsvermögen der Lohnabhängigen zermürben und
kapitalismuskritisches Denken in Acht und Bann versetzen sollen.
Das erste Dokument, bereits 1920 publiziert, aber längst schon vergessen und
unbekannt, hat aus eben diesen aufklärerischen Motiven den Autor einer der
größten Schöpfungen der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts bewogen, es in Teilen
wörtlich oder paraphrasiert in sein Werk einzubauen.
Das zweite Dokument ist ein rares und überaus lehrreiches Beispiel dafür, wie
hinter verschlossenen Türen Konzernchefs, ganz unter sich, aus ihrem Herzen
keine Mördergrube machen.
Noch aus einem anderen Grund halten wir die Herausgabe für aktuell und
notwendig: Der 90. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs, des Zusammenbruchs
des Habsburgerreiches und der Gründung der Republik hat erneut gezeigt, dass man
von staatsoffizieller wie medialer Seite alles Mögliche dazu als gedenkwürdig in
den Vordergrund stellte, nur nicht die Tatsache, dass es die massenhaft
mobilisierte, radikalisierte und politisierte österreichische Arbeiterschaft
war, die die historische Entwicklung in unserem Land damals vorantrieb. Durch
die Kenntnis der beiden Dokumente wird sich die Frage nach den Ursachen ihrer
antikapitalistischen, nach einer sozialistischen Ordnung strebenden
Aufbruchstimmung an der Schwelle von der Monarchie zur Republik zweifellos
leichter beantworten lassen.
Wien, Jänner 2009
Hans Hautmann
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