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Aus Erinnerungen an Alfred Klahr
2004 ist das Jahr des 100. Geburtstages und 60. Todestages von Alfred Klahr. Aus diesem Anlass wird die Alfred Klahr Gesellschaft zu seinem Gedenken Aktivitäten setzen, durch Beiträge in den Mitteilungen und die Veranstaltung eines wissenschaftlichen Symposiums, das am 16. Oktober 2004 in Wien stattfinden wird. Im Folgenden bringen wir Ausschnitte aus Erinnerungen von drei Kommunisten, die mit Alfred Klahr persönlich bekannt waren, von Valentin Strecha, Heinrich Fritz und Arnold Reisberg. Sie vermitteln nicht nur einen Eindruck von Alfred Klahrs großer historischer Leistung des Nachweises der Existenz der eigenständigen österreichischen Nation, sondern liefern auch ein Bild von ihm als Mensch mit seinen Wesenszügen und Eigenarten.
Valentin Strecha
Es gab einen eigenen österreichischen Sektor an der Lenin-Schule (in Moskau, H.H.), was als sehr frühe Anerkennung der österreichischen Eigenständigkeit angesehen werden könnte. Soweit mir bekannt ist, wurde die Kommunistische Partei Österreichs nie als ein Teil der deutschen betrachtet. An der Schule wäre es ja naheliegend gewesen, uns auf Grund der sprachlichen Gemeinsamkeit mit den Deutschen in einer Gruppe zusammenzufassen. Aber das war nicht zielführend. Die Diskussion sollte nach den Vorträgen ja konkret werden, und die Verhältnisse in Deutschland und Österreich waren zu dieser Zeit doch ganz andere.
Ich hatte – im Rahmen des Unterrichts – das Glück, bei der Frage der Klärung einer österreichischen Nation dabei zu sein. Es war ja die Kommunistische Partei und insbesondere unser Genosse Alfred Klahr, die dieses Problem wirklich ernsthaft behandelten.
Alfred Klahr war auch unser Lektor im Jugendzirkel der Lenin-Schule. In unserem Zirkel, er umfasste vielleicht 14 oder 15 junge Leute, ist diese Frage vom Genossen Klahr sehr ausführlich behandelt worden. Er hat uns erklärt, welche Kriterien er zur Beweisführung einer österreichischen Nation herangezogen hat, wie sich die österreichische Geschichte von der deutschen unterscheidet. Wir haben stundenlang über dieses Thema diskutiert. Wir haben damals sogar zur Erweiterung unserer eigenen Ansichten den deutschen Jugendzirkel herangezogen, mit dem wir gut befreundet waren. Sie haben uns in vielen Fragen in unserer Haltung bestärkt. Ich glaube, dass diese Klärung in der Folge für unser Land, vor allem für sein Widererstehen, eine große Rolle gespielt hat. (Strecha, S. 52)
Heinrich Fritz (in der KPÖ traditionell Fritz Heinrich genannt)
Genau genommen habe ich Alfred Klahr zweimal, auf zweierlei Art, kennengelernt. Einmal in Spanien und später in Frankreich. Ich habe mich im November 1936 in Spanien als Freiwilliger zu den Internationalen Brigaden gemeldet. Und mit mir Hunderte andere junge Kommunisten, Schutzbündler, Sozialdemokraten und Parteilose aus Österreich. Schon am ersten Tag, in einer Kaserne in Albacete, wurden wir mit der Frage konfrontiert, wer wir eigentlich sind. Alle „Deutschsprechenden“ hatten sich nämlich in einem Saal zu sammeln. Und damit gehörten wir zu „den Deutschen“. Unmittelbar fiel uns das nicht besonders auf. Aber als man uns auch weiterhin ständig mit den Deutschen in einen Topf warf, wurden wir hellhörig. Ja, wir sprachen deutsch, aber unsere Heimat war doch Österreich. Damals begannen sich viele von uns Jungen die Frage zu stellen: Wohin gehören wir eigentlich?
In dem Bataillon, dem ich zugeteilt wurde, gab es 21 Nationen. Die Engländer waren eindeutig Engländer, die Franzosen wussten, dass sie Franzosen sind, und die Schweizer waren eben Schweizer, so wie die Kanadier Kanadier waren und so weiter. Nur wir Österreicher waren Heimatlose, wurden mehr und mehr zu einem Anhängsel der Deutschen und von ihnen dominiert. Gehörten wir tatsächlich zur deutschen Nation? Etwas in den meisten von uns wehrte sich dagegen. Über diese Frage gab es heftige Diskussionen – nicht nur unter uns, sondern auch mit deutschen Genossen, die die Ansicht vertraten, dass wir Österreicher ein Teil des deutschen Volkes seien. Einige, vor allem Revolutionäre Sozialisten, schlossen sich dem alten sozialdemokratischen Standpunkt an, wir seien zwar Deutsche, nur: Solange ein Hitler in Deutschland herrsche, dürfe der Anschluss nicht vollzogen werden.
In dieser Zeit, im Frühjahr 1937, kam plötzlich ein Exemplar des theoretischen Organs unserer Partei, „Weg und Ziel“, in unsere Hände, das heißt bis an die Front, mit einem Beitrag eines gewissen „Rudolf“, in dem genau die Probleme aufgerollt wurden, die uns so sehr beschäftigten. Seit Wochen und Monaten, weil sie für uns hier, in diesem Nationalitätenkessel in Spanien, sehr deutlich spürbar geworden waren.
„Die Auffassung, dass das österreichische Volk ein Teil der deutschen Nation ist, ist theoretisch unbegründet. Eine Einheit der deutschen Nation, in der auch die Österreicher einbezogen sind, hat es bisher nie gegeben und gibt es auch heute nicht … Die Österreicher haben auf der Grundlage der jahrzehntelangen Selbständigkeit, eine eigene, nationale, von der deutschen Nation andere Entwicklung genommen“, schrieb dieser „Rudolf“. Im folgenden begründete er die Notwendigkeit der Untersuchung der nationalen Frage Österreichs damit, dass „die bewusste Erkenntnis der Zusammenhänge der österreichischen Arbeiterklasse eine Waffe geben wird, die sich gegen die Faschisten und Reaktionäre aller Farben richtet …“.
Wir haben alle Beiträge „Rudolfs“ in dieser Zeit sorgfältig studiert. Sie lieferten uns weitere Argumente gegen jene, die uns als Deutsche betrachteten.
Natürlich tauchte auch die Frage auf, wer dieser „Rudolf“ eigentlich ist. Es war Alfred Klahr, der unter diesem Pseudonym in „Weg und Ziel“ schrieb. Die nationale Frage in Österreich hatte ihn schon seit Jahren beschäftigt. Angesichts der gegebenen politischen Situation, des drohenden Überfalls Hitlers auf Österreich, beauftragte ihn die österreichische Parteileitung, diese Frage in unserem theoretischen Organ ausführlich und wissenschaftlich darzulegen.
So habe ich Alfred Klahr zum ersten Mal indirekt kennen gelernt. Persönlich traf ich ihn zwei Jahre später in Paris. (Fritz, S. 15-17) (...)
Eines Tages eröffnete mir Kop (Johann Koplenig, H.H.), dass demnächst Alfred Klahr aus Brüssel nach Paris kommen werde. Es sei notwendig, dass ich auch ihn kennenlerne. Man kann sich vorstellen, wie neugierig ich auf diesen Mann war, der uns bereits in Spanien einen Mordsrespekt eingejagt hatte – durch seine ausführlichen, uns allen so verständlichen historischen Analysen, eindeutigen Stellungnahmen und zukunftsweisenden Aufgabenstellungen.
Und dann war es soweit. Als ich wieder einmal zu einem Treff in Kops Café kam, saß an dessen Tisch ein auffallend gut gekleideter Mann, eben der Alfred Klahr. Es war – wie ich bald merkte – eines seiner Markenzeichen, immer etepetete gekleidet zu sein. Dies passte auch zu seiner übrigen Lebensart. Durch einige Genossen war ihm der Ruf vorausgeeilt – und ich war seit Spanien in allem, was Klahr betraf, sehr hellhörig -, er sei ein etwas weltfremder Typ. Kühl, zurückhaltend, ein Staatswissenschaftler halt … Ich möchte gleich vorwegnehmen: Ich habe den Alfred Klahr während unserer späteren sehr engen Zusammenarbeit in Brüssel und dann in Südfrankreich von einer ganz anderen Seite kennengelernt. Manche sagten damals, Alfred sei „unter unseren Händen“ – sie meinten damit noch den Othmar Strobel – zu einem anderen, viel freieren, ja fröhlichen Menschen geworden; er sei, im Vergleich zu früher, nicht wiederzuerkennen …
Othmar Strobel traf ich ebenfalls erst zu dieser Zeit in Paris. Von ihm wusste ich, dass er der Leiter der sehr aktiven österreichischen Parteigruppe in Belgien war. Klahr war erst nach ihm nach Brüssel gekommen. Beide kannten sich bereits von der Moskauer Lenin-Schule her. (S. 18f.) (...)
Die Parteileitung in Brüssel bestand aus Strobel, Klahr und mir. Jetzt lernte ich im Zuge der legalen, aber zum Teil auch illegalen Arbeit die beiden erst richtig kennen. Strobel war schon länger in Brüssel. Er war – wenn man so sagen kann – die Seele der Organisation, ein unerhört aktiver Typ mit einer besonderen Gabe im Umgang mit Menschen. Der Othmar hatte ein natürliches Gespür dafür, wer sich für welche Arbeit am besten eignet, wo man welchen Genossen aktiv einschalten kann, wo die speziellen Stärken des einzelnen am besten zum Tragen kommen. Er konnte grob werden, ja, das stimmt. Aber man spürte hinter seiner Grobheit immer den Menschen. – Alfred Klahr hat die Arbeit, das, was Strobel vorher schon in die Bewegung eingebracht hatte, noch vertieft, auf ein höheres Niveau gehoben. Und irgendwann wurde Klahr zum Um und Auf, zum eigentlichen politischen Kopf der Leitung. Ich hatte mich u.a. auch um die „Spanier“ zu kümmern, die Genossen, die als Interbrigadisten gekämpft hatten und schließlich in Belgien gelandet waren. Eine unserer gemeinsamen Hauptaufgaben war das Herausbringen der „Roten Fahne“ und dafür zu sorgen, dass sie in die Hände der Genossen in Österreich kam. (...)
Ich bin überzeugt: Ohne Alfred Klahr wäre die Herausgabe unserer Zeitung nicht möglich gewesen. Er war der Motor, er schrieb selbst und kümmerte sich auch um die Beiträge von anderen Genossen, wobei es schwer war, ihm seine eigenen Artikel zu entreißen, denn er fand ständig noch etwas daran auszubessern, was er sich noch einmal überlegt hatte, anders darstellen wollte. Er war ein sehr gründlich und gewissenhaft arbeitender Mensch. Er diskutierte gerne, sprach seine Gedanken und Überlegungen aus, beobachtete die Reaktionen darauf und ließ auch Einwände gelten. (S. 26-28) (...)
Ich möchte hier etwas einfügen, weil es mir wichtig erscheint, um etwas mehr über Alfred Klahr zu vermitteln als nur die politische Rolle, die er in unserer Partei gespielt hat. Nämlich die manchmal sichtbar und fühlbar werdende Diskrepanz zwischen seinem kühlen Auftreten, seinem Sarkasmus und der plötzlichen inneren Herzlichkeit, Menschlichkeit, mit der er überraschen konnte. Othmar Strobel hat später, während unseres Aufenthaltes in Südfrankreich, einen Satz im Zusammenhang mit Alfred Klahr geprägt, wie ihn kaum jemand hätte besser formulieren können: „Dem Alfred ist nichts Menschliches fremd geblieben.“ Dieser Satz ist unter uns zu einer stehenden Redewendung geworden. Nichts Menschliches ist ihm fremd – wir zitierten diese Worte in ernsten und in fröhlichen, ja ausgelassenen Situationen. Schließlich waren wir ja trotz allem jung. Ich denke dabei an eine Silvesterfeier in einem Schloss, das einem Verwandten des Komponisten Marcel Rubin gehörte und in das es uns ausgerechnet zu Silvester 1940/41 verschlagen hat. Wir feierten, wir tranken, wir sangen und ließen uns von Alfred zum x-tenmal „seinen“ Witz erzählen, den einzigen, den er offensichtlich kannte oder den er sich gemerkt hatte oder den er für besonders gut hielt. Dieser Witz ist mir heute, nach rund fünfzig Jahren, so im Gedächtnis, als ob ihn der Alfred gestern erzählt hätte:
Es war in einem Tiroler Gebirgsdorf. Der Großvater war gestorben. Draußen herrschte tiefer Winter. Niemand konnte den Toten in dieser Jahreszeit auf den Friedhof bringen. Also legte man ihn hinaus in die kalte Scheune. Als endlich der Frühling kam, machte sich die Familie mit dem toten Großvater auf den Weg ins Tal. Dort bahrte man den Alten auf. Teilnahmsvoll fragten Pfarrer und Bekannte die Angehörigen: „Mein Gott, was hat ihm denn gefehlt, dem Armen, weil er gar so ein verzerrtes Gesicht, einen so schiefen Mund hat? Wahrscheinlich hat er recht leiden müssen in seiner letzten Stund...“ – „Aber na“, meinte da der Bauer. „Nur, wenn's finster war in der Scheun, haben wir dem Großvater immer den Kerzenleuchter ins Maul gehängt...“ Das war der Universalwitz Alfreds, den er mit fast rührendem Eifer wieder und wieder erzählen konnte. (S. 35f.) (...)
Die österreichische Parteileitung hat uns drei, Klahr, Strobel und mich als Führung unserer westlichen Emigration angesehen. Genosse Koplenig hat uns dies später bestätigt. (...)
Im Herbst 1940 erhielten wir über die französische Partei die Information, dass alles vorbereitet sei, damit Klahr und ich in die Sowjetunion gehen. Man übergab uns auch die nötigen Papiere. Der Pass Alfreds lautete auf den Namen Lokmanis, meiner auf Kalinin. Wir sollten von Marseille mit dem Schiff über Gibraltar, vorbei am Südkap, nach Japan und von dort in die Sowjetunion gelangen. (...)
Ich habe mir den Vorschlag, in die Sowjetunion zu gehen, überlegt, auch mit dem Strobel ausführlich darüber gesprochen und kam zu dem Schluss: Ich fahre nicht. wie würde ich vor den „Spaniern“ dastehen? Die würden sagen: „Der macht sich davon.“ Und das sagte ich auch dem Alfred. Daraufhin erklärte dieser: „Das gilt ja auch für mich.“ Das war der Grund, warum wir die bereits ausgestellten Pässe der sowjetischen Botschaft zurückgaben. (S. 49) (...)
In der Nacht zum 23. Juni (1941, H.H.) verließen wir Les Milles Richtung Marseille. Am nächsten Tag in der Früh kamen wir dort an, und ein paar Stunden später hatten wir wieder Anschluss an unsere illegale Parteileitung. Schließlich war ich ja auf diesem Gebiet kein Neuling mehr wie damals in Brüssel … Nachdem wir die Situation mit den Genossen gründlichst durchdacht hatten, kamen wir zu dem Ergebnis, dass Alfred doch außer Landes, am besten in die Schweiz, gehen sollte. Dort lebten ebenfalls österreichische Genossen, und sollte man ihn erwischen und internieren, war die Frage des Überlebens dort am aussichtsreichsten.
Danach wurden alle Vorbereitungen getroffen, um Klahr über den Genfer See auf Schweizer Boden zu bringen. (...)
Strobel und ich überzeugten uns, dass Alfred, ohne von den Schweizer Hafenbehörden behelligt zu werden, Schweizer Boden betrat. Das war Anfang September 1941. Nach einigen Tagen erhielten wir aus Zürich das Aviso, dass Klahr beim Genossen Thurl Maller eingetroffen ist. (...)
Damals habe ich den Alfred Klahr zum ersten Mal sehr vermisst. Unsere Diskussionen waren ohne den erforderlichen politischen Kern, ohne tiefere politische Überlegungen. Es ging nur um ja oder nein. Beendet wurde die Diskussion, als ich erklärte: „Ich fahre als erstes Leitungsmitglied nach Paris, denn wir müssen näher an die Faschisten heran.“
Einige Tage danach ging ich am Vormittag, wie gewohnt, auf der rechten Seite der Canebière, der Marseiller Prunkstraße, Richtung alter Hafen. (...)
Ich ging also die Canebière hinunter, da stockte mir plötzlich der Atem. Auf der gegenüberliegenden Seite, zwischen zwei Gardemobilisten: Alfred Klahr. Es gab keinen Zweifel, er war es. Ich überholte die kleine Gruppe, so dass mich Alfred sehen musste. Dann folgte ich ihr. Schließlich betraten die drei ein Schulgebäude, von dem ich wusste, dass dort vorübergehend Angehaltene untergebracht werden. Eiligst verständigte ich Strobel; irgendwie mussten wir den Alfred dort herausholen und ihm erneut zur Flucht verhelfen. Es gelang uns auch mit Hilfe einer Genossin, die sich als Verwandte ausgab, mit Alfred Klahr Verbindung aufzunehmen. Wir teilten ihm mit, dass wir ihn in der folgenden Nacht, um zwei Uhr, herausholen werden. Aber das wollte er nicht. Er ließ uns sagen, wir sollten ihm zwei Tage Zeit lassen, damit er sich etwas fassen könne. Ich glaube, er stand unter einem starken Schock. Danach habe ich Alfred Klahr nie mehr wiedergesehen. Sie haben ihn weggebracht. Wie wir später erfuhren, zuerst ins Lager Le Vernet und dann nach Auschwitz. Von dort gelang ihm 1944 mit Hilfe von Genossen noch einmal die Flucht. Er kam bis ins von den Deutschen besetzte Warschau, wo ab 18 Uhr Ausgangssperre herrschte. Aber das wusste Alfred nicht. Er wurde von einer faschistischen Patrouille erschossen. (S. 50-53)
Arnold Reisberg
Arnold Reisberg schrieb anlässlich des 75. Geburtstags von Alfred Klahr im „Neuen Deutschland“ vom 15./16. September 1979 folgenden Artikel:
Mit dem Namen Alfred Klahr ist eine wissenschaftlich wie politisch bedeutsame theoretische Leistung der Kommunistischen Partei Österreichs verbunden. Gestützt auf die Lehren des Marxismus-Leninismus wurden der Nachweis und die Analyse der Entwicklung der Österreicher zu einer eigenen Nation erarbeitet.
Noch als Mittelschüler war Klahr Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes in Wien-Leopoldstadt geworden. Bald schon vertrat er den KJVÖ in der Kommunistischen Jugendinternationale. Später leitete er die Redaktion des Zentralorgans der KPÖ „Die Rote Fahne“ und der theoretischen Zeitschrift „Weg und Ziel“. Emigration in die Tschechoslowakei, Mitglied des illegalen ZK der KPÖ in Frankreich und Belgien sind weitere Lebensstationen. Überall erwies sich Alfred Klahr als ideen- und initiativreicher Kommunist von hohem Bildungsstand. 1941 an der französischen Grenze verhaftet, kam Klahr schließlich ins KZ Auschwitz. Während seiner Flucht aus dem Lager geriet er in Warschau in einen Hinterhalt der Faschisten, unter deren Kugeln er fiel.
Die KPÖ war die einzige Partei Österreichs, die der „großdeutschen“ Ideologie entgegentrat und in den Jahren vor 1938 den drohenden gewaltsamen Anschluß an Hitlerdeutschland bekämpfte. Die Kommunisten waren es auch, die am entschiedensten auf die Notwendigkeit einer breiten Volksfront zur Verteidigung der österreichischen Selbständigkeit und Unabhängigkeit, gegen die Gefahr einer Naziannexion orientierten.
In dieser Situation beauftragte das ZK der KPÖ – einer Anregung Dimitroffs auf dem VII. Weltkongreß folgend – Klahr mit der Untersuchung der nationalen Frage in Österreich. In ihrem Ergebnis veröffentlichte Klahr in der Zeitschrift „Weg und Ziel“ im März und April 1937 unter dem Pseudonym Rudolf eine Artikelserie „Zur nationalen Frage in Österreich“, der dann weitere Arbeiten folgten.
Klahr kommt in dem Aufsatz zu der Schlußfolgerung, „dass die Scheidung des österreichischen Volkes vom übrigen Deutschland, die in der ganzen Periode seiner kapitalistischen Entwicklung bestand, und das Eigenleben unter besonderen Verhältnissen … seine Entwicklung zu einer besonderen Nation hervorriefen“.
Die KPÖ hat nach einer gründlichen Diskussion auf ihrer Reichskonferenz im August 1937 die Erkenntnisse Alfred Klahrs bejaht und den Kampf gegen Hitler als nationalen Kampf Österreichs deklariert. Dabei fand sie volle Unterstützung der Kommunistischen Internationale und der Kommunistischen Partei Deutschlands. Diese Leistung ermöglichte es der KPÖ, noch in der Nacht des Einmarsches der Hitlertruppen in Österreich im März 1938 den Kampf um die Wiederherstellung der österreichischen Selbständigkeit aufzunehmen und in einem Aufruf die Zuversicht auszudrücken, dass „ein freies, unabhängiges Österreich wiedererstehen wird“.
Die Befreiung Österreichs durch die Sowjetarmee und ihrer Verbündeten hat 1945 diese Worte zur Wahrheit gemacht. Unter der Unabhängigkeitserklärung der zweiten Republik steht auch die Unterschrift Johann Koplenigs für die KPÖ. Der antifaschistische Widerstand hat die Entwicklung der Österreicher zur eigenen Nation und ihr nationales Selbstverständnis gefördert und beschleunigt. Wenn heute die Existenz einer eigenständigen österreichischen Nation weder theoretisch noch praktisch in Frage gestellt werden kann, dann haben daran die Kommunisten, hat die Arbeit Alfred Klahrs entscheidenden Anteil.
Zusammengestellt von Hans Hautmann
Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 2/2004
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