Klahr    Alfred Klahr Gesellschaft

Verein zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung

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Alfred Klahr über einige Grundfragen des Kampfes für die Unabhängigkeit Österreichs

Wir setzen im Klahr-Gedenkjahr 2004 die Reihe der Beiträge über ihn und von ihm mit einem Artikel fort, den er unter dem Pseudonym P. Rudolf im Herbst 1937 veröffentlichte.1 Darin sind die Ergebnisse seiner großen Pionierarbeit, der Analyse der nationalen Frage in Österreich2, zusammengefasst; darüber hinaus geht Alfred Klahr auf einige weitere Aspekte des Kampfes zur Verteidigung der Unabhängigkeit Österreichs ein.
Der Artikel – von mir etwas gekürzt – ist in mehrfacher Weise bemerkenswert. Zu allererst kann er als Musterbeispiel dafür gelten, ein komplexes Phänomen prägnant und allgemein verständlich darzulegen. Weiters frappiert er durch die Scharfsicht, mit der Ergebnisse vorhersagt werden, die infolge der Aggressivität Hitlerdeutschlands und der Haltung jener herrschenden Kreise in Österreich, welche die Schuschnigg-Regierung stützten, im Februar/März 1938 und danach tatsächlich eintreten sollten. Dem bis heute zu hörenden Vorwurf, die österreichischen Kommunisten und Kommunistinnen hätten sich in der nationalen Frage mit den konservativen, katholischen und legitimistischen Kräften des Ständestaates verbündet und seien in deren Fahrwasser gesegelt, gibt er eine gebührende Antwort und Abfuhr. Was Alfred Klahr dazu sagt, behält auch zur Widerlegung des 2004 von der ÖVP erneut unternommenen Versuchs, Dollfuß zum Österreich-Patrioten par excellence und Protagonisten der entschiedensten antinationalsozialistischen Gegenwehr hochzustilisieren, seine Gültigkeit. Und nicht zuletzt sind die Ausführungen zur Frage, an welche Traditionen angeknüpft werden muss, um dem verqueren österreichischen Identitätsverständnis das richtige entgegen zu halten, von unverminderter Bedeutung.
Man geht nicht fehl in der Annahme, dass Alfred Klahr diese analytischen Fähigkeiten neben seiner hohen Intelligenz und Bildung auch deshalb besessen hat, weil er fest auf dem Boden des Marxismus und Leninismus stand.

Hans Hautmann

Anmerkungen:
1/ P. Rudolf, Die nationale Frage und die Stellungnahme der Kommunisten in Österreich, in: Kommunistische Internationale. Zeitschrift des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale, Heft 10, Strasbourg 1937, S. 939-946. Nachgedruckt in: Alfred Klahr, Zur österreichischen Nation. Mit einem Beitrag von Günther Grabner herausgegeben von der KPÖ, Wien 1994, S. 45-59
2/ Rudolf, Zur nationalen Frage in Österreich, in: Weg und Ziel, Jg. 2 (1937), Nr. 3, S. 126-133 und Nr. 4, S. 173-181. Nachgedruckt in: Alfred Klahr, Zur österreichischen Nation, a.a.O., S. 11-44

Seit dem Machtantritt Hitlers kämpft das österreichische Volk einen erbitterten Kampf um die Erhaltung seiner Unabhängigkeit gegenüber den Annexionsbestrebungen des deutschen Faschismus. Die Kommunistische Partei Österreichs verteidigt die Unabhängigkeit Österreichs.
Genosse Dimitroff hat auf dem VII. Kongress der Komintern unterstrichen, dass wir Kommunisten „keine Anhänger des nationalen Nihilismus sind und niemals als solche auftreten dürfen“. Er hat ein ernstes Herantreten an die nationale Frage verlangt, die eine der wichtigsten Waffen im Arsenal der faschistischen Demagogie ist. Die Kommunistische Partei Österreichs hat alle mit dem Kampf um die Unabhängigkeit des Landes verbundenen Fragen einer eingehenden prinzipiellen Prüfung unterzogen. Welches sind die Hauptgesichtspunkte bei unserer Beantwortung der nationalen Frage in Österreich? 
Wir Kommunisten kämpfen prinzipiell gegen jede nationale Unterdrückung und verteidigen das Recht jedes Volkes auf die nationale Selbstbestimmung, das das Recht auf die selbständige staatliche Existenz einschließt.
Das Interesse der Arbeiterschaft verlangt die Erhaltung der Unabhängigkeit Österreichs, denn ihre Vernichtung würde der Arbeiterschaft ein noch grausameres Joch auferlegen, als es der österreichische Faschismus zu tun vermag. Mit der Unabhängigkeit Österreichs verteidigen die Kommunisten nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft der österreichischen Arbeiterbewegung. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte der Arbeiterbewegung zeigen deutlich, dass der Gang der revolutionären Ereignisse in Österreich doch eigenartig, den besonderen Bedingungen des Landes angepasst, verläuft und dass eine demokratische oder sozialistische Umwälzung in Österreich nur das Ergebnis eines selbständigen revolutionären Prozesses sein kann, nicht aber einfach ein Teil der kommenden deutschen Revolution, wie in einer beliebigen Provinz des deutschen Reiches. Deswegen hat unsere Partei auch schon vor der Machtergreifung Hitlers die von den sozialdemokratischen Führern vertretenen Losung des Anschlusses an ein kapitalistisches Deutschland abgelehnt und entgegen dieser Losung, die die Massen vom Kampf gegen die eigene Bourgeoisie ablenkte, den Kampf um den Sturz der eigenen Bourgeoisie als einzigen Ausweg propagiert. Die Unabhängigkeit Österreichs wird es der österreichischen Arbeiterklasse erleichtern, ihre demokratische und sozialistische Aufgabe gegenüber dem österreichischen Volke zu erfüllen. Vom Standpunkt der revolutionären Perspektive in Österreich selbst ist es also absolut richtig und notwendig, dass die Kommunisten für die weitere selbständige nationale Entwicklung des österreichischen Volkes kämpfen – und das ist das Entscheidende.
Das Interesse des ganzen österreichischen Volkes verlangt die Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit Österreichs. Andernfalls würde Hitler in Österreich hausen wie in einer eroberten Provinz. Er würde nicht nur die soziale Unterdrückung des Volkes steigern, sondern er würde auch ein Regime der nationalen Unterdrückung aufrichten. Braune Gleichschalter aus dem deutschen Reich würden in alle wichtigen Ämter als Statthalter Hitlers eingesetzt werden. Hitler würde jede Spur von selbständigen Organisationen des Volkes vernichten, alles österreichische Kulturleben ausrotten, den religiösen Hader entfachen. Hitlers Sieg wäre der Beginn der Entfesselung des Krieges in Mitteleuropa.
Ebenso verlangt das Interesse des Weltkampfes für Freiheit und Frieden, gegen den deutschen Faschismus, diesen Todfeind jeder demokratischen und sozialistischen Regung in allen Ländern, die Erhaltung der Unabhängigkeit Österreichs. Siegt Hitler in Österreich, dann ist die Selbständigkeit der Tschechen und Ungarn, der Schweizer und Belgier, der Holländer und Dänen aufs ärgste bedroht, dann sind die antifaschistischen Kräfte in Deutschland selbst zurückgeschlagen. An der Unabhängigkeit Österreichs hingegen können die räuberischen Expansionspläne Hitlers in Mittel- und Südosteuropa scheitern. 
So ist unser Kampf um die Unabhängigkeit Österreichs ein Kampf um die Lebensinteressen des österreichischen Volkes in Gegenwart und Zukunft, um die Unabhängigkeit aller kleinen Nationen in Europa, um die Erhaltung des Weltfriedens. „Wenn wir zur Verteidigung der nationalen Interessen des eigenen Volkes auftreten, zur Verteidigung seiner Unabhängigkeit und seiner Freiheit, so werden wir nicht zu Nationalisten, zu bürgerlichen Patrioten, sondern tun dies als proletarische Revolutionäre und treue Söhne des eigenen Volkes“ (Dimitroff), tun wir dies als proletarische Internationalisten. 
Unser Kampf um die nationale Selbstbestimmung des Volkes ist unlösbar verbunden mit der Erringung seiner politischen Freiheit und Selbstbestimmung.
Eine der stärksten Waffen der autoritären Diktatur gegen das Volk war und ist ihre Demagogie in der Frage der Unabhängigkeit. Die Schuschnigg-Diktatur missbraucht den Willen des Volkes zur Unabhängigkeit und lügt ihm vor, dass die Niederhaltung der Arbeiterklasse, die Vernichtung aller Freiheitsrechte des Volkes notwendig sei zur Erhaltung der Unabhängigkeit Österreichs. Erst jüngst, Mitte Juni 1937, erklärte Schuschnigg in einer großen Rede an die Arbeiter in heuchlerischem Tone, die Arbeiter müssten „zur Erhaltung der Selbständigkeit Österreichs manche Opfer an Freiheit des Wortes und der Bewegung in politischen Dingen bringen!“ Das autoritäre Schuschnigg-Regime, das die politische Herrschaft eines Häufleins von reaktionären Finanzmagnaten und Großgrundbesitzern im Bunde mit den Kirchenfürsten darstellt, bekennt sich in Worten zwar zur Unabhängigkeit Österreichs, versteht jedoch tatsächlich darunter die Unabhängigkeit ihrer Herrschaft vom österreichischen Volke. Die herrschenden Reaktionäre sprechen von der Selbständigkeit Österreichs und meinen die Selbständigkeit der Ausplünderung des österreichischen Volkes für ihre eigenen Taschen. Deswegen bauen sie die Unabhängigkeit des Landes nicht auf die Kraft des Volkes, sondern auf den Schacher mit den faschistischen Diktaturen Hitlers und Mussolinis. Die Zerschlagung der freien Arbeiterorganisationen, die Verfolgung der Antifaschisten, die Vernichtung jeder Demokratie, der Pakt vom 11. Juli 1936 mit Hitler-Deutschland und die dadurch den Nationalsozialisten gewährte Bewegungsfreiheit, all das ist Verrat an der Unabhängigkeit des Landes, all das erleichtert den Agenten Hitlers in Österreich ihr Zerstörungswerk. Erst vor kurzem hat Schuschnigg ein so genanntes „volkspolitisches Referat“ beim Generalsekretariat der „Vaterländischen Front“ geschaffen und an dessen Spitze ein Mitglied der Deutschnationalen Partei gestellt. Gleichzeitig hat er einen Nationalsozialisten in den Staatsrat berufen. Auf diese Weise will Schuschnigg zur Stützung seiner Diktatur die so genannten „national betonten Kreise“, d.h. die mehr oder minder maskierten nationalsozialistischen Gruppen der Bourgeoisie seinem Regime eingliedern. Die Partei zeigt den Massen auf, dass, solange das Regime der autoritären Diktatur besteht, solange das Schicksal Österreichs von einer Handvoll Herren eigenmächtig „autoritär“ verschachert werden kann und nicht vom Volke selbst entschieden wird, Österreichs Unabhängigkeit in Gefahr ist. Solange das Volk gefesselt ist, kann es leicht die Beute Hitlers werden. Nur die politische Freiheit des Volkes garantiert seine nationale Freiheit, seine Unabhängigkeit.
Die Partei kämpft im Namen des Friedens und der Unabhängigkeit Österreichs gegen die Außenpolitik des herrschenden Regimes, die auf den Protokollen von Rom und dem Juli-Pakt mit Berlin beruht. Diese Außenpolitik treibt Österreich in das Lager der faschistischen Kriegstreiber. Schuschnigg verpflichtete sich im Pakt mit Berlin, die Außenpolitik Österreichs „unter Bedachtnahme auf die friedlichen (!) Bestrebungen der Außenpolitik des Deutschen Reiches zu führen“. Auf diese Weise spannen Schuschnigg und seinesgleichen Österreich vor den Kriegskarren des deutschen Faschismus. Demgegenüber kämpft die Kommunistische Partei für die Einreihung Österreichs in die internationale Front der Mächte des Friedens, kämpft sie für die kollektive Sicherheit.
So ergibt sich: Die Partei erfüllt so den nationalen Kampf um die nationale Unabhängigkeit Österreichs mit einem demokratischen antifaschistischen Inhalt, dessen Schärfe sich gegen den Faschismus aller Farben, gegen den deutschen wie gegen den österreichischen, richtet.
Der betont-demokratische antifaschistische Inhalt unseres nationalen Kampfes erleichtert der Partei die scharfe Abgrenzung gegen den bürgerlichen Nationalismus und Chauvinismus, von welcher reaktionären Gruppe der Bourgeoisie er auch ausgehe. Schuschniggs Losung „Österreich – der zweite deutsche Staat“ hat eine merkwürdige Zustimmung aller faschistischen und reaktionären Gruppen in Österreich gefunden, weil sich dahinter alle möglichen chauvinistischen und imperialistischen Bestrebungen verbergen lassen.
Wir Kommunisten bekämpfen diese These, weil sie die Grundlage des Paktes vom 11. Juli 1936 mit Hitler-Deutschland ist und das österreichische Volk noch fester an die Kriegsachse Berlin – Rom ketten soll.
Wir Kommunisten bekämpfen diese These, weil sie das Werk der Nationalsozialisten zur Zerstörung der Unabhängigkeit Österreichs erleichtert. Diese These unterstützt die nationalsozialistische Auffassung der angeblichen „Einheit der deutschen Nation“ in den „zwei deutschen Staaten“. Diese These unterstützt alle jene Bestrebungen, die Österreich zu einem Vorposten des deutschen Imperialismus gegen die kleinen Staaten und Nationen des Donauraumes machen wollen.
Wir Kommunisten bekämpfen diese These, weil hinter ihr sich auch die phantastisch scheinenden reaktionären Bestrebungen monarchistischer Kreise verbergen, anstelle des heutigen Deutschen Reichs und Österreichs das „Heilige Römische Reich deutscher Nation“ wieder aufleben zu lassen, in dem die katholisch-habsburgische Vorherrschaft, gestützt auf monarchistisch-partikularistische Gruppen in Süddeutschland, gesichert werden soll. Daher unterstützen die monarchistischen Kreise in Österreich diese These Schuschniggs.
Gegenüber dieser verräterischen These Schuschniggs, die zum Gemeingut aller Totengräber der politischen und nationalen Freiheit des österreichischen Volkes wurde, erklärt die Kommunistische Partei: Österreich ist nicht der „zweite deutsche Staat“, ist nicht eine Filiale Hitler-Deutschlands, darf nicht das Ausgangsfeld von der Geschichte längst verurteilter Habsburger-Träume sein. Österreich ist der Staat des österreichischen Volkes, das eine selbständige staatliche und nationale Entwicklung hinter sich hat, das sein weiteres Schicksal selbst bestimmt und aus eigener Kraft seine Lebensfähigkeit sichern will. Das freie österreichische Volk, ein demokratisches Österreich im Bunde mit den demokratischen Friedensmächten der Welt, wird stark genug sein, mit allen Feinden seiner Freiheit und Selbständigkeit im Innern wie von Außen fertig zu werden. Dem Chauvinismus der Habsburg- und Hitleragitatoren setzt die Partei die Propaganda des proletarischen Internationalismus entgegen, die Propaganda des solidarischen Kampfes des österreichischen Volkes mit den antifaschistischen Kräften in Deutschland und in den Nachbarstaaten, gegen Schuschnigg und Habsburg, Hitler und Mussolini.
Genosse Koplenig – der Leiter der österreichischen Kommunistischen Partei – hat in seiner Rede auf der Reichskonferenz des KJV, in der er ausführlich über die nationale Frage in Österreich sprach, hervorgehoben, dass der Kampf um „die Herstellung der politischen und nationalen Selbstbestimmung und Unabhängigkeit des Volkes nicht im Widerspruch zur geschichtlichen Entwicklung Österreichs steht, sondern in dieser Entwicklung begründet ist“. Die Partei analysiert gegenwärtig gründlich die Geschichte der nationalen Entwicklung des österreichischen Volkes und popularisiert sie in den Massen. Dabei enthüllt sie sowohl die Fälschungen der so genannten „gesamt-deutschen Geschichtsauffassung“ der Nationalsozialisten als auch die Habsburger-Legenden des „vaterländischen“ Lagers und schmiedet neue ideologische Waffen für den politischen Kampf in der heutigen Zeit. Die Partei wird damit eine Aufgabe erfüllen, die der VII. Kongress der Komintern allen kommunistischen Parteien aufgetragen hat, nämlich „der Vergangenheit des eigenen Volkes historisch treu, in wirklich marxistischem, leninistisch-marxistischem, in lenin-stalinschem Geiste zu beleuchten, um ihren gegenwärtigen Kampf mit den revolutionären Traditionen des Volkes in der Vergangenheit zu verknüpfen“ (Dimitroff).
Diese Überprüfung der Geschichte hat gezeigt, dass das österreichische Volk niemals ein Teil der deutschen Nation war, so wenig wie das deutsch sprechende Schweizer Volk. (…)
Nur eine Minderheit des österreichischen Volkes fordert auch weiterhin den Anschluss an Deutschland. Aber auch bei diesem Teil, so weit es sich um werktätige Menschen handelt, spielt das nationale Gefühl der Zugehörigkeit zur deutschen Nation keine entscheidende Rolle. Ihre Anschlussforderung ist auch ein Ausdruck ihres irregeleiteten Strebens nach einem Ausweg aus ihrem wirtschaftlichen und sozialen Elend im Österreich der autoritären Diktatur. Es ist klar, dass auch diese Schichten des werktätige Volkes den Frieden und eine Besserung ihrer Lage, nicht aber den Krieg wollen, den ihnen Hitler bringt. Daher muss die Partei in ihrer Arbeit unter diesen Massen besonders an ihre soziale Nöte anknüpfen, muss die Zerstörung der besten Kräfte der deutschen Nation und der deutschen Kultur durch Hitler brandmarken und betonen, dass das österreichische Volk seine deutsche Sprache liebt und sich aufs innigste mit allen friedliebenden und fortschrittlichen Vertretern der großen deutschen Kultur verbunden fühlt. Ein erfolgreicher Vormarsch der österreichischen Volksfront, ein demokratisches, unabhängiges Österreich wird durch seine dem Frieden und dem Volke dienende Politik auch die Werktätigen aus dem Lager der alldeutschen Orientierung gewinnen können.
Die Habsburg-Agitatoren verbreiten unter dem Schlagwort der „sozialen Volksmonarchie“ Märchen über die „Volksfreundlichkeit“ Habsburgs und stellen die Restauration der Habsburger als Garantie der Unabhängigkeit Österreichs dar, um die Massen zu ködern. Im österreichischen Volk leben die Traditionen zahlreicher revolutionärer Schlachten gegen die Monarchie der Habsburger. Die österreichischen Bauernkriege des 16. und 17. Jahrhunderts, die heldenhaften Gestalten der Bauernführer vom Schlage eines Gaismair, Fadinger, Zeller sind noch wach in der Erinnerung der Bauern. Die Nachfolger jener „adligen Herren“ haben Hekatomben Blutes der besten Söhne des Landes, der Bauern, der Arbeiter und Bürger 1526, 1626, 1848 und später vergossen, um ihre Herrschaft über das unterjochte Volk aufrechtzuerhalten, und gerade sie sind es, die am lautesten die Wiedereinsetzung Habsburgs verlangen. Die spärlichen demokratischen Rechte, die es in den letzten Jahrzehnten der Habsburg-Monarchie gab, waren keine Gabe der „Volksfreundlichkeit“ dieser volksfremden Dynastie, sie mussten einer volksfeindlichen Dynastie durch einen jahrzehntelangen, überaus zähen, überaus opferreichen Freiheitskampf des Volkes Schritt um Schritt abgerungen werden. Die österreichische Arbeiterklasse blickt auf eine reiche revolutionäre Geschichte zurück: auf die Revolution 1848, auf die Freiheitskämpfe der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts, die Wahlrechtskämpfe, den Januarstreik 1918, den Sturz der Habsburger, die Revolution 1918-1919, aber auch auf die zahlreichen Kämpfe im Nachkriegs-Österreich bis zu den Februar-Kämpfen 1934.
Die Kommunistische Partei übernimmt die großen Traditionen aller revolutionären Bewegungen des österreichischen Volkes und seiner Arbeiterklasse, und sie erfüllt deren politisches Vermächtnis, wenn sie sich heute an die Spitze des Kampfes um die Unabhängigkeit, um die politische und nationale Freiheit des österreichischen Volkes stellt.
Manche Parteigenossen sprachen bei der Behandlung der nationalen Frage die Ansicht aus, dass die Partei zur Erhaltung der Unabhängigkeit Österreichs die Losung der Schaffung einer „Antinationalsozialistischen Front“ ausgeben müsse. Die Kommunistische Partei lehnt diese Losung ab, weil sie ihrem Wesen nach zu einer opportunistischen Annäherung an das Schuschnigg-Lager führen muss. Die Volksfront, die wir anstreben, ist eine Front des Kampfes um Brot, Frieden und Freiheit, eine Front der Erhaltung der österreichischen Unabhängigkeit durch Erringung der Demokratie im Lande und durch Erhaltung des Friedens im Bunde mit allen Friedenskräften in Europa. Sie kann daher nur mit fortschrittlichen und friedliebenden Kräften geschlossen werden. Es ist ausgeschlossen, dass in dieser Volksfront reaktionär-konservative und legitimistische Kräfte aus dem Schuschnigg-Lager Platz haben, wie sehr sie auch „antinationalsozialistisch“ gesinnt sein mögen, wie sehr sie auch in Worten die Unabhängigkeit Österreichs „anerkennen“. Die Losung der „Antinationalsozialistischen Front“ ist falsch: denn erstens hilft sie vor allem den reaktionären, monarchistischen Bestrebungen und untergräbt damit die Unabhängigkeit Österreichs, sie widerspricht dem demokratischen Inhalt des Kampfes für die Unabhängigkeit, und zweitens würde sie die werktätigen Anhänger des Nationalsozialismus in Österreich abstoßen. Die Partei aber muss diese Leute im Gegenteil in die Volksfront zum gemeinsamen Kampf für Brot, Freiheit und Frieden einbeziehen.
Auf der anderen Seite muss die Partei gegen einen nationalen Nihilismus kämpfen, der das österreichische nationale Moment im Kampfe um die Unabhängigkeit Österreichs zu leugnen versucht. (…)
Jeder nationale Nihilismus, wie er sich auch maskieren möge, führt dazu, dass wir der österreichischen Diktatur Schuschniggs weiterhin den Missbrauch des nationalen Unabhängigkeitswillens des Volkes überlassen, anstatt diesen Willen in eine demokratische Waffe gegen den Faschismus zu verwandeln.
Die Stellung der Partei in der nationalen Frage ist ein unlösbarer Bestandteil ihres Gesamtkampfplanes für die demokratischen Rechte und Freiheiten des Volkes. Sie ist daher eine wichtige Grundlage der Schaffung der Volksfront für die freie, unabhängige, demokratische Republik Österreich. 
Vor kurzem haben die gewählten Vertrauensmänner von über 100.000 Angestellten, darunter zahlreicher Großbetriebe, der Regierung eine Denkschrift überreicht, in der sie im Interesse der Verteidigung der Unabhängigkeit Österreichs die Wiederherstellung der demokratischen Volksrechte verlangen. Diese bedeutsame politische Willensäußerung zeigt, dass die Politik der Kommunistischen Partei in der nationalen Frage beginnt, in den Massen Fuß zu fassen.
Der aktive Kampf der Arbeiter auf der Grundlage der richtigen Linie der Partei schafft günstige Bedingungen dafür, dass das Proletariat sich an die Spitze der Freiheitsbestrebungen aller Teile des Volkes stellt, der hoch organisierten, auf starke demokratische Traditionen zurückblickenden Bauernschaft, der besten Teile des österreichischen Kleinbürgertums und der Intelligenz und der jungen Generation Österreichs. Denn nur die Führung der Arbeiterklasse in diesem Kampf sichert die Verwirklichung des gemeinsamen Zieles der heutigen Periode: „Österreich aus einem Vorposten des Faschismus Mussolinis und Hitlers in einen Vorposten der Freiheit, des demokratischen Fortschritts und des Friedens in Mitteleuropa zu verwandeln“ (Koplenig).

Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 3/2004

 

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