Klahr    Alfred Klahr Gesellschaft

Verein zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung

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Elke Kahr: 14 Jahre kommunistische Wohnungspolitik in Graz

Vor 14 Jahren hat die KPÖ aufgrund ihres Wahlergebnisses im Jänner 1998 einen Stadtsenatssitz erreicht und somit die Verantwortung für das städtische Wohnungsamt erhalten und bis heute auch behalten. Warum? Durch jahrelange konsequente Interessenspolitik für Mieter und Mieterinnen hat sich die KPÖ, allen voran Ernest Kaltenegger, in Graz einen Namen gemacht. Wenn man ein Problem mit seinen Vermieter hatte, so ging man zur KPÖ. Durch unseren Mieternotruf, der seit Mitte der 90er Jahre eingerichtet wurde und bis heute aufrecht geblieben ist konnten wir tausenden von Grazerinnen und Grazern bei   wohnrechtsrelevanten Problemen zur Seite stehen. Von Spekulantenwillkür, bis unzumutbarer Wohnraumvermietung, überhöhten Mieten, Betriebskostenprüfungen, Problemen bei der Herausgabe von Kautionen, finanzielle Unterstützung in rechtlichen Angelegenheiten usw. konnte geholfen werden. Die Problemlagen sind vielfältig, änderten sich oftmals im Laufe der Zeit und werden angesichts der Profitinteressen vieler Immobiliengesellschaften und Hauseigentümer auch immer größer.

Wohnungspolitik muss Teil der Sozialpolitik sein

aus dem einfachen Grund, weil alle Menschen das Recht auf ein menschenwürdiges und leistbares Wohnen haben. Ob einheimisch oder zugewandert, ob jung oder alt, ob Mann ob Frau. Nur die wenigsten können sich ihre Traumwohnung leisten. Immer öfter flattern in die Haushalte Hochglanzwerbebroschüren privater Bauträger, in denen der Wohntraum prächtig präsentiert wird. Für den Großteil der Menschen ist das derselbe Hohn, wie das Angebot einer Luxuskarosse für einen Arbeitslosen. Für einen immer größer werdenden Teil der Menschen sind sogenannte normale Wohnungen aber nicht mehr leistbar.
Die Richtwertmieten in der Steiermark zählen zu den höchsten in Österreich und ergeben zusammen mit den ständig steigenden Betriebs-, Heiz- und Stromkosten eine monatliche Belastung für das Wohnen, die 50 % und mehr des monatlichen Einkommens ausmacht. Nicht nur MindestpensionistInnen, Erwerbslose und prekär Beschäftigte kommen dadurch in enorme Bedrängnis sondern immer öfters auch Vollzeitbeschäftigte. Hier erfährt dann der „Traum vom Wohnen“ eine andere, eine realistischere Bedeutung.
Neben den zu hohen Richtwertmieten wird die Zahl von frei finanzierten Wohnungen, die – außer dem Wucher – keinerlei Mietzinsbeschränkungen unterliegen, ständig größer. Wo Investoren und Banken die höchstmögliche und sicherste Rendite suchen, finden sie sie auch. Finanziert von jenen, die aufgrund der hohen Nachfrage und des geringen Angebotes an leistbaren Wohnungen oftmals keine andere Möglichkeit haben, als Mietverträge zu haarsträubenden Bedingungen zu unterzeichnen.

Klares Bekenntnis zum sozialen Wohnbau

Wohnbau in kommunaler Verantwortung und als Teil sozialstaatlicher Vorsorge hat es in Graz vor allem in der Zwischen- und Nachkriegszeit gegeben und diese Gemeindewohnungen bieten ihren BewohnerInnen noch heute dauerhaften, sicheren und leistbaren Wohnraum. Insgesamt hat die Stadt Graz das Einweisungsrecht für ca. 10.500 Gemeindewohnungen, wovon ca. 4.300 stadteigene Wohnungen sind. Das sind ca. 10 % vom gesamten Wohnungsmarkt. Die Bevölkerungszahl in Graz steigt aber jährlich an und damit natürlich auch der Bedarf an leistbaren Wohnungen der bei weitem nicht gedeckt ist. Der damit einhergehende Anstieg der Immobilien- und Mietpreise liefert viele erst recht Spekulanten und Geschäftemachern aus.
Kein Wunder, dass die Nachfrage um eine Gemeindewohnung  immer größer wird. Im Speziellen hat die Zahl der Ansuchenden aus steirischen Regionen, die in Graz die Hoffnung auf einen Arbeitsplatz sehen, die Anzahl von MigrantInnen, Singlehaushalte, Alleinerziehende und junge Erwachsene zugenommen.
Und es ist erschreckend zu sehen, wie sich die Einkommenssituation der Ansuchenden immer mehr verschlechtert.
Erst vor wenigen Tagen haben wir am Wohnungsamt erhoben, wie hoch die Einkommen und Bezüge der derzeit 1600 vorgemerkten Familien und Personen um eine Gemeindewohnung sind. Von den 418 vorgemerkten Singlehaushalten liegen 99 % unter der Armutsgrenze mit ihrem Einkommen. Bei den 2 Personenhaushalten 93 %, bei den 3 Personenhaushalten 87 % und bei den Großfamilien 85 %.
Diese Tendenz wird noch mehr zunehmen. Deshalb kann es für uns nur ein klares Bekenntnis für die Errichtung von mehr Gemeindewohnungen geben.

Was die KPÖ erreicht hat

Als die KPÖ mit Ernest Kaltenegger 1998 die Zuständigkeit für das Wohnungsamt erhalten hat, bot sich kein erfreuliches Bild. Fast jede 4 stadteigene Gemeindewohnung war eine Substandardwohnung ohne Bad und WC und die Häuser waren mitunter in einem äußerst desolaten Zustand. Das waren nicht nur unzumutbare Verhältnisse für die BewohnerInnen, sondern das hat auch zu Leerstehungen geführt, weil viele Wohnungswerber am Absatz umgedreht sind, wenn sie das Haus schon von außen gesehen haben. Vor 1998 hat es keine umfassenden Sanierungen gegeben. Seit damals hat die KPÖ aber mit einer Wohnhaussanierungsoffensive begonnen, die bis heute fortgesetzt wird und als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden kann: Von der thermischen Sanierung an bis hin zu Lift- und Balkonanbauten, Einbau von Nasszellen und Zentralheizungsanlagen, neuen Fenstern, Parkettböden, Wohnraumvergrößerungen, Warmwasseraufbereitung durch Solaranlagen und Gestaltung der Außenanlagen. 70 städtische Wohnhäuser mit ehemaligen Substandardwohnungen sind mittlerweile auf diesem Wege, zu schönen und leistbaren Wohnungen geworden.
Parallel dazu wurde ein Nasszellenprogramm bei einzelnen Wohnungen gestartet. Im Vorfeld zum Kulturhauptstadtjahr wurde unter dem Titel ein Bad für jede Gemeindewohnung – auch das ist Kultur – mit dem Einbau von Bädern begonnen. Das konnte letztes Jahr im Sommer erfolgreich beendet werden. Bis auf jene wenigen Mieter, die einem Einbau nicht zustimmten bzw. wo es aus technischen Gründen nicht möglich war, wurde damit dem Substandard ein Ende gesetzt. Seit einigen Jahren läuft ein Fernwärmeeinbauprogramm (alleine letztes Jahr bei 500 Wohnungen), welches dafür sorgt, dass die Gemeindewohnungen sukzessive mit Fernwärme ausgestattet werden.
Sehr stolz sind wir darauf, dass der Abriss von zwei größeren Holzhaussiedlungen mit eigenen Gärten verhindert werden konnte. Die Kienzl-Siedlung, die mit Hilfe von Sonderwohnbauförderungsdarlehen vom Land umfassend saniert werden konnte und jetzt unter Denkmalschutz steht, und die Grünangersiedlung, wo wir die Holzhäuser Jahr für Jahr sanieren und Menschen einen Wohnraum mit Garten bieten, die sonst nicht im klassischen Mehrparteienhäusern leben könnten. Zusätzlich wurde am Grünanger auch mit Sonderwohnbaumitteln vom Land 35 neue Wohnungen in Holzbauweise geschaffen. Durch dieses richtungsweisende Projekt sind die Bruttowohnungskosten so günstig, das auch beim Bezug der Mindestsicherung keine Wohnbeihilfe notwendig ist. 65 m2 – Euro 279,–.
2003 hat die KPÖ auch das Wohnbauressort erhalten. Fast 10 Jahre lang waren die politischen Vertreter von Rot/Schwarz in Graz, bis auf 2 Grundstücke, nicht bereit, entsprechende Grundstücke für den Bau von Gemeindewohnungen zu kaufen. Erst in dieser GR-Periode konnte mit Unterstützung von schwarz/grün ein Sonderwohnbauprogramm fixiert werden. Auf 10 verschiedenen Standorten wurden Grundstücke gekauft - auch in Stadtteilen, wo wir bis jetzt kaum Gemeindewohnungen hatten. Insgesamt werden somit 500 neue Gemeindewohnungen errichtet. Einige Wohnbauprojekte sind dabei vorbildlich.
Z.B. Sonderwohnbauprojekt Zeillergasse 43 Wohnungen, Studie „Kommunaler Wohnbau anders“, Quartierspark, lebenslanges Wohnen, Gemeinschaftraum, Passivhaus, etc.
Wohnen auf Kasernengrund, 2007 Unterschriftenaktion, 90 Wohnungen

Weitere Erfolge in Stichworten

Verkauf der Gemeindewohnungen verhindert. Volksbefragung 2004.
Immer wieder Versuche. Schriftliches Abkommen 2008 mit Schwarz-Grün.
Alle anderen städtischen Immobilien schon verkauft. Nur Gemeindewohnungen noch nicht.
Richtwertmieten wurden Anfang 2000 gesenkt. Weiters wurde auf Indexerhöhungen bei den Kategoriemieten verzichtet. Erst vor wenigen Wochen, mit Zustimmung aller Parteien.
Eine große Errungenschaft ist die Einführung des Mietzinszuzahlungsmodelles. Niemand zahlt mehr als ein Drittel seines Einkommens für Miete, BK und Heizung. Ab 2 Person 145,- Euro Abzug für Lebensbedarf. (Trotz Wohnbeihilfe).
Seit Juni letzten Jahres gibt es einen Kautionsfond (Hilfe bei Einstiegskosten für die Anmietung einer Wohnung am privaten Markt) max. 500,– Euro.
Mindestpunkteanzahl für die Voraussetzung einer Gemeindewohnung wurde auf 10 gesenkt. Geringes Einkommen alleine reicht. Ab 1. Tag Hauptwohnsitzmeldung reicht.
Service für Mieterinnen:
Offenes Stadtratsbüro, Auskünfte, Beratung und Hilfe aller Art.
Delogierungsprävention, soziale Wohnplattform (Vernetzung mit Sozialeinrichtungen und Genossenschaften)
Sämtliche Formulare und Hausordnung in zehn verschiedenen Sprachen
Schaffung eines Stadtteilzentrums in der Triestersiedlung
Nachbarschaftshilfe durch eigene Siedlungsmediatorin, Unterstützung von Stadtteilprojekten, Subventionierung von Wohnungsloseneinrichtungen und arbeitsmarkpolitischen Projekten
Neues Wohnungsamt – Kompetenzzentrum Wohnen   Wohnungsinformationsstelle kostenlose Beratung in allen wohnungsrelevanten Fragen für alle Grazerinnen und Grazer.

Unsere Ziele für die kommende Periode

Kein Verkauf städtischer Gemeindewohnungen
Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbaufördermitteln.
Einweisungsquote für Kommunen in mit Fördermitteln errichtete Wohnhäuser
Grundstücksvorsorge für den Bau von Gemeindewohnungen durch die Stadt und direkte Wohnbauförderkontingente für die Kommunen durch das Land.
Abschaffung des undurchsichtigen Richtwertsystems, das viel zu hohe Mieten ermöglicht und Wiedereinführung der niedrigeren Kategoriemieten.

Zusammenfassung

Wohnen ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Dieses Grundbedürfnis darf nicht den Anforderungen des Markts und den Vorstellungen von Spekulanten und Profitentwicklern untergeordnet werden, die nur ein Ziel kennen: Die Rendite.
Die Auseinandersetzungen auf dem Wohnungssektor sind nicht nebensächlich, sondern wichtige Bestandteile des großen gesamtgesellschaftlichen Kampfes. Wenn es gelingt, die Angriffe auf den sozialen Wohnbau, die gerade auf breiter Front geführt werden, abzuwehren, wenn wir es schaffen, konkrete Beispiele dafür zu entwickeln, dass es auch anders geht, dann ist schon viel erreicht.
Unser Ziel bleibt die Wiederaufnahme des sozialen Wohnbaus durch die Gemeinden und die Gebietskörperschaften selbst. Das ist nur bei einer grundlegenden Veränderung des Kräfteverhältnisses möglich.
Unsere Arbeit in Graz ist ein Teil dieser Bewegung, die den arbeitenden Menschen und der großen Mehrheit der Bevölkerung ein Bewusstsein ihrer Kraft und Bedeutung geben und die Angriffe auf ihre sozialen Rechte abwehren will.

Referat auf der Tagung der Alfred Klahr Gesellschaft und des Bildungsvereins der KPÖ Steiermark „Wohnbau muss leistbar sein!“ Geschichte und Zukunft des sozialen Wohnbaus am 12. Mai 2012 in Graz

 

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