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Heimo Halbrainer: Steirer als Opfer der Wiener Blutjustiz 1942/43
Zwischen 30. Juni 1942 und 8. Oktober 1943 wurden am Landesgericht Wien 44
Steirer hingerichtet, die im Rahmen von Widerstandsgruppen der KPÖ in der
Obersteiermark (Knittelfeld, Leoben, Bruck/Mur, Kapfenberg, Kindberg), der
Weststeiermark (Voitsberg, Köflach, Bärnbach) und Graz gegen den
Nationalsozialismus aktiv waren. Diese wurden in der Folge mit einer Ausnahme
(Herbert Eichholzer) am Wiener Zentralfriedhof verscharrt.
Dass nur in diesen 15 Monaten Steirer und Steirerinnen am LG Wien exekutiert
wurden und weder davor noch danach, hängt damit zusammen, dass im Frühjahr 1943
auch am Landesgericht für Strafsachen in Graz ein Fallbeil aufgestellt wurde/1/,
durch das zwischen 27. August 1943 und 13. März 1945 89 politisch organisierte
Widerstandskämpfer und -kämpferinnen aus der Steiermark und aus Kärnten sowie 23
Militärangehörige – vielfach auch Deserteure – hingerichtet wurden./2/ Vor dem
30. Juni 1942 war nur ein Todesurteil im Zusammenhang mit politisch
organisiertem Widerstand in der Steiermark gefällt worden – das Urteil gegen den
Kopf der kommunistischen Widerstandsgruppe in Kapfenberg Anton Buchalka vor dem
Volksgerichtshof in Berlin, wo dieser am 10. Juli 1941 hingerichtet wurde.
Ebenfalls in Berlin wurden seit Ende 1939 zudem Todesurteile gegen steirische
Wehrdienstverweigerer – in der Regel Zeugen Jehovas und Mitglieder der
Christkönigsgesellschaft – gefällt./3/
Die ersten Todesurteile in Graz wurden 1942 ausgesprochen, nachdem mit dem
Kriegsbeginn gegen die Sowjetunion die Richtlinien des Reichsministeriums für
Justiz in Kraft traten, nach denen bei allen Prozessen Todesurteile zu verhängen
seien, wenn es um Anklagen wegen kommunistischer Betätigung gehe./4/ Von diesen
Richtlinien betroffen waren in der Steiermark auch all jene, die bereits vor
Kriegsbeginn verhaftet worden waren.
So fanden zwischen 28. Juli 1942 und 22. Juni 1943 am Landesgericht für
Strafsachen in Graz vor dem fliegenden Senat des Volksgerichtshofs Berlin
Prozesse statt, in denen gegen 45 Männer und drei Frauen Todesurteile
ausgesprochen wurden./5/ Davon wurden in der Folge neun Personen – darunter auch
die drei Frauen – begnadigt, zwei Widerstandskämpfer (Josef Neuhold und Franz
Lackmaier) starben vor der Hinrichtung im LG Wien.
Zudem wurden in Klagenfurt drei Eisenbahner – Richard Götzinger, Johann König
und Josef Straubinger – vor dem dortigen Senat des VGH am 25. April 1942 zum
Tode verurteilt und am 30. Juni 1942 in Wien hingerichtet. Der aus dem
türkischen Exil nach Graz zurückgekehrte Herbert Eichholzer wurde vor dem VGH in
Wien am 9. September 1942 zum Tode verurteilt und am 7. Jänner 1943
hingerichtet.
Bei den in Graz zum Tode Verurteilten und in Wien Hingerichteten handelte es
sich um führende Kader der steirischen KPÖ, Mitglieder der Bezirksleitungen der
KPÖ Voitsberg, Fohnsdorf und Kapfenberg/Kindberg, Mitglieder der in den Grazer
Betrieben angesiedelten Widerstandsgruppe der Roten Gewerkschaft um Lorenz
Poketz, Eisenbahner der Dt. Reichsbahn zwischen Knittelfeld und Bruck/Mur, sowie
Bergarbeiter am Erzberg.
Diese Widerstandsgruppen waren zum überwiegenden Teil in der Folge der ersten
Verhaftungswelle gegen den kommunistischen Widerstand in den Jahren 1939/40
entstanden. So ging in Graz im Frühjahr 1940 der Regisseur Karl Drews, der
Archivar Dr. Franz Weiß, der Angestellte Josef Neuhold und der Kaminkehrer Anton
Kröpfl an den Aufbau einer neuen Landesleitung der KPÖ. Dabei trafen sie zum
einen auf den aus dem türkischen Exil nach Graz zurückgekehrten Kurier der
Auslandsleitung der KPÖ Herbert Eichholzer, der den Kontakt zur Wiener Leitung
der KPÖ herstellte. Zum anderen bauten sie Verbindungen zu mehrere Bezirks- und
Industriestädten auf, die sie u. a. mit illegaler Literatur und Flugblättern
versorgten. In Graz, den Umgebungsgemeinden Frohnleiten und Übelbach, in
Fohnsdorf und den weststeirischen Industrieorten um Voitsberg, wo sechs
Ortszellen mit über 180 Personen organisiert waren, wurden diese Zellen im
Frühjahr 1941 – also noch vor Kriegsbeginn gegen die Sowjetunion – aufgerollt
und einige hundert Personen verhaftet, von denen 26 zum Tode verurteilt und 18
in der Folge in Wien hingerichtet wurden.
Über Josef Neuhold bestand auch eine Verbindung zum ehemaligen Grazer
Gewerkschaftssekretär Lorenz Poketz, der in einer Reihe von Grazer Betrieben
parallel zum Aufbau der Landesleitung der KPÖ seit 1940 eine aus Sozialisten und
Kommunisten gebildete Rote Gewerkschaft organisierte. Mit dieser gab es im Jahr
1942 auch einen losen Kontakt zum Gendarmerie-Hauptwachtmeister Franz Hiebler,
der ab dem Frühjahr 1942 an ihm bekannte ehemalige Sozialdemokraten bzw.
Kommunisten herangetreten war, um nach der Verhaftung der Gruppe um
Drews-Weiß-Neuhold eine neue Landesleitung der Kommunistischen Partei für die
Steiermark aufzubauen. Diese neue Landesleitung, der neben Hiebler noch der
Kapfenberger Karl Prazak, der Grazer Wilhelm Mauer und Johann Pelzhofer aus
Kindberg angehörten, nahm in den folgenden Wochen mit lokalen kommunistischen
Zellen in einzelnen Kreisstädten, wie Bruck a. d. Mur, Judenburg und Weiz
Kontakt auf.
Im Sommer 1942 wurden die Gruppen um Poketz und Hiebler von der Gestapo – die
über einen eingeschleusten Spitzel bestens informiert war – aufgerollt, über 250
Personen verhaftet/6/ und die führenden Kader der Gruppe um Hiebler – Johann
Pelzhofer und Johann Brunnhofer aus Kindberg, Anton Mühlbacher aus Kapfenberg
und Franz Hiebler – in Wien hingerichtet.
Von der Gruppe um Poketz wurden im Juni 1943 16 Personen in Graz zum Tode
verurteilt, die bis auf Josef Serfecz und Franz Hoffmann – die am 8. Oktober
1943 in Wien hingerichtet wurden – alle in Graz durch das neu aufgestellte
Fallbeil im Keller des Landesgerichts exekutiert wurden.
Bereits im September 1941 wurden über 60 Eisenbahner verhaftet, die seit 1939
kommunistische Zellen in den Bahnhöfen zwischen St. Michael, Leoben und Bruck a.
d. Mur gegründet hatten und die nach dem Kriegsbeginn gegen die Sowjetunion mit
Sabotageakten begannen, indem sie Brems- und Kupplungsschläuche zerstörten, Sand
und Steine in Ölbehälter leerten oder wie am 22. August 1941 in Selzthal ein
Knäuel brennender Putzwolle in einen mit Munition beladenen Waggon warfen./7/ In
den Volksgerichtshofprozessen in Klagenfurt und Graz im April bzw. Dezember 1942
wurden neun Eisenbahner zum Tode verurteilt und in Wien hingerichtet.
Ebenfalls nach Kriegsbeginn gegen die Sowjetunion begann eine Gruppe von
Eisenerzer und Vordernberger Bergarbeitern Vorbereitungen für größer angelegte
Sabotageaktionen zu treffen, indem sie ein Lager mit gestohlenem Sprengstoff
anlegten und planten, die wichtige Verkehrsverbindung zwischen Leoben und Linz
in die Hermann Göring-Werke zu unterbinden. Auch diese Gruppe wurde rasch
entdeckt. Bereits im November 1941 waren 14 Mitglieder verhaftet, wobei elf von
ihnen vom Reichskriegsgericht Berlin im September 1942 zum Tode verurteilt
wurden. Bei einer Neuverhandlung vor dem Volksgerichtshof in Graz wurden im Mai
1943 die Urteile aufgehoben und Martin Michelli, Johann Pech, Siegfried Pichler
und Alexander Soukup zum Tode verurteilt und in Wien hingerichtet.
Eine große Gruppe der in Wien Hingerichteten stammte aus Knittelfeld, wo
innerhalb der Eisenbahner ab 1939 eine kommunistische Widerstandsgruppe und die
Rote Hilfe aufgebaut worden war. Im Juli 1942 wurde im Zuge einer großen
Verhaftungsaktion über 60 Knittelfelder verhaftet, von denen 20 zwischen 16. und
19. Februar 1943 vom 6. Senat des Volksgerichtshofes in Graz angeklagt wurden.
Acht wurden zum Tode verurteilt, wobei Georg Hofmeister begnadigt wurde, Franz
Lackmeier vor der Hinrichtung starb und die anderen im Mai 1943 in Wien
hingerichtet wurden.
Anmerkungen:
1/ Vgl. Walter Brunner, Hinrichtungen und Tötungen durch Staatsorgane in der
Steiermark 1938 bis 1945, in: »Zeitschrift des Historischen Vereines für
Steiermark« (80) 1989, 277–292.
2/ Aufstellung des Präsidenten des LG für Strafsachen Graz an den KZ-Verband vom
29.5.1962 (Jv 892–30/62–12).
3/ Vgl. Heimo Halbrainer, „In der Gewissheit, dass ihr den Kampf weiterführen
werdet“. Briefe steirischer WiderstandskämpferInnen aus Todeszelle und KZ, Graz
2000.
4/ Radomir Luza, Der Widerstand in Österreich 1938-1945, Wien 1985, 140.
5/ Tagebuch des Reichshauptstellenleiters Egon Arthur Schmidt (DÖW 897).
6/ Bericht der Gestapo Graz, Herbst 1942 (DÖW 1448 a, b).
7/ Vgl. Friedrich Vogl, Österreichs Eisenbahner im Widerstand, Wien 1968, 145
ff.
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