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Alfred
Klahr (1904–1944)
Alfred Klahr wurde am 16. September 1904 geboren. Sein Vater, Salman Klahr,
ein kleiner Angestellter der Israeltischen Kultusgemeinde, war als Kantor des
Bethauses in der Taborstraße tätig, seine Mutter rackerte sich mit einer
sechsköpfigen Kinderschar ab: Alfred Klahr hatte fünf ältere Schwestern.
Klahr wurde Mitglied der Vereinigung Sozialistischer Mittelschüler und trat
später gemeinsam mit einer Gruppe anderer VSM-Mitglieder zum Kommunistischen
Jugendverband (KJV) in Wien-Leopoldstadt über. 1924 wurde er Mitglied der KPÖ.
Nach dem Studium der Staatswissenschaft an der Rechts- und
Staatswissenschaftlichen Fakultät der Uni Wien wurde Klahr am 17.7.1928 zum
Doktor der Staatswissenschaften promoviert. Seine Dissertation verfasste er zum
Thema „Das Verhältnis von Parlament und Regierung in parlamentarischen
Republiken“ bei Hans Kelsen und Adolf Merkl.
Nach seiner Promotion arbeitete Klahr als Journalist: zuerst als Praktikant bei
der Berliner Roten Fahne, dem Zentralorgan der KPD, nach diesem Jahr der
journalistischen „Lehrzeit“ als Redakteur der Roten Fahne in Wien. Von 1930
bis 1932 war Klahr in Moskau an der Komintern-Schule, sowie als Vertreter des
KJV in der Kommunistischen Jugendinternationale tätig. Nach seiner Rückkehr
wurde er stellvertretender Chefredakteur und Leitartikelschreiber der Roten
Fahne, die am 22.7.1933 vom Dollfuß-Regime verboten wurde.
Nach den Februarkämpfen wurde Klahr im April 1934 verhaftet und war bis Mitte
Dezember 1934 in der Rossauerlände in Haft. Nach seiner Freilassung emigrierte
er nach Prag, wo sich die leitenden Mitglieder des Zentralkomitees der KPÖ
befanden, und beteiligte sich an der Herausgabe der illegalen Roten Fahne. 1935
bis 1937 war Klahr als Lektor im österreichischen Sektor an der Internationalen
Lenin-Schule in Moskau tätig.
In diese Zeit fällt auch seine systematische Beschäftigung mit dem Thema der
Herausbildung der österreichischen Nation. Im März- und Aprilheft der
theoretischen Zeitschrift der KPÖ Weg und Ziel erschien 1937 seine Artikelserie
„Zur nationalen Frage in Österreich“, in der Klahr (unter dem Pseudonym
„Rudolf“) den Gedanken einer eigenständigen österreichischen Nation
entwickelte und wissenschaftlich fundierte. Klahr wies nach, dass Österreich
kein Teil der deutschen Nation sei, sondern vielmehr eine eigenständige
nationale Entwicklung aufweisen könne. Damit im Zusammenhang unterstrich er die
Bedeutung der nationalen Frage für die Erhaltung der Unabhängigkeit Österreichs,
die er als „nationalen Kampf“ sah. Klahrs zweiteiliger Aufsatz wurde nach
1945 zuerst in Auszügen, 1979 in einem Sonderheft der Zeitschrift Weg und Ziel
vollständig wiederabgedruckt. 1994 erschien ein von der KPÖ herausgegebener
Sammelband mit sämtlichen Arbeiten Klahrs zur Frage der österreichischen
Nation.
1937 ging Klahr nach Prag, wo er als Redakteur von „Weg und Ziel“ tätig
war. Nach dem Münchner Abkommen und Überfall Hitlers auf die Tschechoslowakei
floh er nach Paris und Brüssel, wo er zeitweise die österreichische
kommunistische Emigrantengruppe leitete. Unter der Redaktion von Klahr wurde in
Belgien die Rote Fahne hergestellt und von dort aus illegal nach Österreich
gebracht. Im Mai 1940, als deutsche Truppen in Belgien einmarschierten, wurden JüdInnen
und politische Flüchtlinge von den belgischen Behörden als „feindliche Ausländer“
per Bahn nach Südfrankreich transportiert, wo man sie im Lager St. Cyprien
internierte. Im August 1940 gelang Klahr die Flucht aus dem Internierungslager.
Im Sommer 1941 überschritt er illegal die Schweizer Grenze, worauf er in der
Schweiz für die österreichische Widerstandsbewegung tätig war. Anfang
September 1941 erfolgte seine Verhaftung durch die Zürcher Kantonspolizei. Er
wurde an die französische Vichy-Polizei ausgeliefert, die ihn im Lager Le
Vernet internierte. Von dort wurde er Ende August 1942 ins KZ Auschwitz
abtransportiert. Das Internationalen Lagerkomitee in Auschwitz ermöglichte
Klahr Ende Juni 1944 die Flucht aus dem KZ. Klahr schlug sich nach Warschau
durch, wo er von einer SS-Streife aufgegriffen und erschossen wurde.
Klahr hat mit seinen damals umstrittenen und heftig diskutieren
wissenschaftlichen Arbeiten Erkenntnisse vorweggenommen, die heute zu den
politischen Selbstverständlichkeiten in Österreich zählen. Dennoch hat das
Werk von Alfred Klahr nach 1945 nicht die seiner historischen Bedeutung für die
weitere Entwicklung Österreichs entsprechende Würdigung gefunden, in der
akademischen Wissenschaft wurde es bestenfalls am Rande zur Kenntnis genommen.
Am 12.9.1979 wurde Klahr von der österreichischen Bundesregierung posthum das
„Ehrenzeichen für Verdienste um die Befreiung der Republik Österreich von
der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ verliehen. Im November 1953
wurde an seinem Wohnhaus in Wien 2., Novaragasse 17-19, eine Gedenktafel
angebracht:
„In diesem Haus lebte
Dr. Alfred Klahr
Während der nationalsozialistischen Herrschaft wurde er im Alter von 39 Jahren
im Juli 1944 von den SS-Faschisten ermordet.
Er kämpfte für ein freies, demokratisches Österreich,
für den Frieden
und für das Glück der Menschheit.
Mögen die Menschen sein Opfer verstehen.“
Sein Name findet sich auf der Gedenktafel für die 12
Zentralkomiteemitglieder, die anlässlich des 14. Parteitages der KPÖ (1948) im
Haus des Zentralkomitees (Wien 9., Wasagasse) enthüllt wurde und sich jetzt im
Haus der KPÖ Wien 10 (Wielandschule) befindet. |