Klahr    Alfred Klahr Gesellschaft

Verein zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung

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Ernst Frey – An der Seite des Viet-Minh

Aus dem Lebenslauf eines österreichischen Internationalisten

Ernst Frey, Sohn eines Typografen, kam am 10.6.1915 in Wien zur Welt. Er wuchs in Hietzing auf, wo er seine politische Laufbahn 1932 mit seinem Beitritt in den Bund Sozialistischer Mittelschüler (BSMÖ; nach 1945 VSM) begann. Ende 1933 war er bei der Linksopposition (Junge Front) und trat sofort nach den Februarkämpfen 1934 dem Kommunistischen Jugendverband (KJV) bei und wurde in der Folge Agitpropleiter der Bezirksleitung Hietzing des KJV. Wie damals üblich wurden Schulungen im Wienerwald abgehalten. So eine Zusammenkunft auf einer Wiese in Kaltenleutgeben, an der auch der später im KZ Auschwitz ermordete Ernst Burger und andere KJVler und auch Frey teilnahmen, „ging hoch“ und endete bei Frey mit 15 Tagen Arrest.
Als „Freigestellter“, d.h. minimalst für seine politische Tätigkeit bezahlter Funktionär, wurde Frey Anfang 1935 in den Antifaschistischen Mittelschülerbund Österreichs geschickt, um ihn zu reorganisieren. Dabei wurde er u.a. von den Genossen Felix Kreissler, Hans Escher und Alois Zehetbauer unterstützt. Neuerlich ging eine Konferenz hoch, bei der Frey verhaftet wurde und bis zur Amnestie im Juli 1936 in Haft war. Als Externer machte Frey seine Matura. Nach dem Einmarsch Hitlerdeutschlands in Österreich versuchte er in Vorarlberg über die Grenze zu kommen, wurde verhaftet und verbrachte vier Monate im Landesgericht in Feldkirch. Im zweiten Anlauf klappte dann der Grenzübertritt und er gelangte im Sommer 1938 nach Paris und wollte als Freiwilliger nach Spanien. Das wurde wegen der Entwicklung in Spanien abgelehnt und so arbeitete er in der Parteizelle in Paris. Ohne Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis war seine Situation kompliziert und er ersuchte die Parteileitung in Paris um die Zustimmung für ein Engagement in der Fremdenlegion (5° R.E.I.). Er kam zur Ausbildung nach Algerien und in der Folge nach Indochina (1942). Dort baute er in der Legion mit deutschen Genossen in den verschiedenen Bataillonen illegale „antipetainistische“ Organisationen auf. Er hatte Kontakte zur KP Indochina, trat ihr bei und wurde nach der so genannten Augustrevolution 1945 enger Mitarbeiter des später legendären Generals Giap, unter dessen Leitung das vietnamesische Volk 1975 die USA aus dem Land vertreiben konnte.
Nach seiner Rückkehr nach Österreich verfasste Frey 1951 seinen Lebenslauf für die KPÖ, schien aber in keiner Form mehr in der Partei tätig gewesen zu sein. I.d.F. war er als unselbständiger, dann selbständiger Handelsvertreter tätig.
Wie einer 2001 erschienenen Autobiografie zu entnehmen ist, wurde Frey, der 1994 verstarb, in seinem letzten Lebensabschnitt katholisch und ließ sich taufen. Er hinterließ ein mehr als 1200seitiges Manuskript, das bearbeitet zur Autobiografie komprimiert wurde. Darin wird in einigen Passagen seine Distanz zu den Idealen seiner Jugend deutlich, es finden sich aber auch Einschätzungen, die er auf seine seinerzeitige Haltung rückprojiziert. /1/

Willi Weinert

Lebenslauf des Ernst Frey

In Algerien versuchte ich mich mit den Spaniern zu befassen, die anfangs 1939 zu Tausenden in die Legion gekommen waren. Wegen stark anarchistischer Tendenzen bei den Spaniern, zeigten diese Anstrengungen keinen Erfolg.
Erst in Indochina (1942) gelang es mir mit einigen deutschen Genossen eine illegale Organisation aufzuziehen, Zweiggruppen in allen Bataillonen des 5° R.E.I. hatte und seit Ende 1942 mit der kommunistischen Partei Indochinas in Verbindung stand. Nach sechsmonatiger japanischer Kriegsgefangenschaft (1945) wurde die abgerissenen Parteiverbindung wieder hergestellt und ich trat mit mehreren anderen Genossen in Hanoi der K.P.I. bei (September 1942).
Die V.N. Armee war damals im Aufbau begriffen und es wurde mir Militärarbeit zugewiesen. Nachdem ich in zwei Schulen (in Tonking und Annam) gearbeitet hatte, dirigierte ich in Hué eine Zeitung in franz. Sprache (Le jeunne Viet-Nam). Dies dauerte nur einen Monat, da der Kadermangel bei der Armee zu groß war und mich diese nicht länger freistellen konnte. Ich wurde in den Süden des Truong-bo als Ratgeber des Generals Nguyen son versetzt. Im Juni 1946 übertrug mir dieser die Leitung der Kämpfe um den Pass von Ankhé. Nach Abschluss dieser Kämpfe (Juli 1946) und der Frontstabilisierung wurde ich zum Oberst befördert und übernahm die Funktion des stellvertretenden Generalstabschefs im Widerstandskomitee des Süd Truong-bo.
Vom Ausbruch der allgemeinen Feindseligkeiten (19/XII/46) berief mich der Genosse Giap nach Hanoi und ich war vom Dezember 1946 bis März 1947 in der Frontleitung von Hanoi.
Nach dem Hanoier Rückzug war ich Mitglied des 2. Wehrkreises und als solcher für das Regiment der Hauptstadt verantwortlich.
Nach Abschluss der Kämpfe von Chiné und Batha (April 1947) übernahm ich als Delegierter des Generalstabs die Ausbildung eines Regiments, die im Oktober abgeschlossen war. 
Im November, Dezember 1947, zur Zeit des großen Angriffs auf den Viet-Bac, dirigierte ich als persönlicher Vertreter des Oberkommandanten die Operation gegen die Kolonne des Oberst Beaufré.
Nach Abschluß der Operation (Dezember 1947) wurde ich zum Platzkommandanten des Generalquartiers ernannt, das zuerst den Decknamen Wehrkreis 9, später Regiment 15 annahm.
In dieser Funktion blieb ich bis Oktober 1948 und wurde dann als Stellvertreter des kommandierenden Generals des 4. Wehrkreises abkommandiert.
Im Frühjahr 1949 erkrankte ich an den Folgeerscheinungen von Unterernährung, Überarbeitung und Malaria sehr schwer und war durch drei Monate hindurch geistig nicht normal.
Nach einer mühseligen Rekonvaleszenz, nahm ich Ende 1949 die Arbeit im Kriegsministerium wieder auf.
Im Mai 1949 (nach Öffnung der chinesischen Grenze) bat ich um meine Repatriierung. Diese wurde mir zuerst abgeschlagen, später dann (im August) bewilligt.
Was die Parteiarbeit in Viet-Nam anbetrifft, so konnte ich erst nicht viel Arbeit leisten, da ich die Sprache nicht beherrschte. Erst ab 1947 konnte ich mich aktiv in der Partei betätigen. Ich nahm von dieser Zeit an, an allen wichtigen Kaderkonferenzen und erweiterten Z.K. Konferenzen teil. Im Khu 9b [Khu ist die Bezeichnung eines Gebietes – W.W.] kumulierte ich die militärische Funktion mit der des Politkommissärs. Im Khu 4 war ich Mitglied des Khu-Uy (Wehrkreisparteileitung).
Die letzte Kaderkonferenz, an der ich als Delegierter teilnahm, war die Landeskonferenz vom 21/1/50-5/2/50.
Im September 1950 verließ ich Viet-Nam, war fünf Monate Gast der chinesischen Partei und verließ China am 16/4/51. Ich hatte keine Ahnung von den Einreisebedingungen nach Österreich und die chinesischen Genossen versicherten, dass Moskau avisiert sei und dass sich dort alles regeln werde.
In Moskau war aber anscheinend niemand avisiert, was einen großen Zeit- und Geldverlust bedeutete. Am 25/5 kam ich in Vöslau an, von wo mich ein Auto der Kommandantur über eigenes Verlangen ins Z.K. brachte.
Wien den 4/6/51
Ernst Frey

Nachbemerkungen

2001 erschien das Buch „Ernst Frey, Vietnam mon amour. Ein Wiener Jude im Dienste von Ho Chi Minh“, hg. v. Doris Sottopietra (Czernin Verlag).
Frey hinterließ ein 1200 Seiten starkes Manuskript, das er ab 1968 zu schreiben begonnen hatte. Es gelang ihm nicht, es zu publizieren. Das vorliegende Buch, das nach seinem Tod produziert wurde, ist ein Exzerpt daraus. Obgleich Frey in den Erinnerungen auf seine jüdischen Wurzeln eingeht, wird an mehreren Stellen deutlich, dass er, außer den Auswirkungen des Nazi-Antisemitismus, keinerlei Beziehung zum Judentum hatte, sondern sich damals als Atheist verstand. Nach 1945 konvertierte er zum Katholizismus. Dass Nachgeborene, dessen ungeachtet, ihn für das Judentum vereinnahmen, seine Geschichte als die eines „Juden“ rezipieren, entspricht mehr einem Zeitgeist, denn der Widerspiegelung seines Lebens.
Freys sozialistische Sozialisation, eingebettet und definiert durch organisatorische Strukturen, endet bereits in einem Alter von 24 Jahren. Ab dann bestimmt die militärische Welt, noch dazu jene der elitären, den französischen Imperialismus dienenden Fremdenlegion, sein Leben. Erst 1944 kommt er wieder mit parteimäßigen Strukturen in Kontakt, wenngleich auch hier sowohl sprachliche, und man darf auch annehmen, kulturelle Grenzen wirksam werden.
Als Frey merkte, dass das demokratische Vietnam nach dem Sieg der chinesischen Revolution auf seine Mithilfe nicht mehr angewiesen ist, kam es, wie aus der publizierten Autobiografie zu entnehmen ist, nicht nur zu einem Bruch mit dem „Genossen Giap“, sondern auch zum Ausbruch einer temporären geistigen Verwirrung, wie er selbst in seinem Lebenslauf 1951 ausführt. Neben ihm gab es noch einen anderen Österreicher, Georg Wächter, der an der Seite des vietnamesischen Volkes kämpfte, mit dem er gemeinsam nach Wien zurückgekehrt war. Frey erhielt bereits 1980 den „Ho-Chi-Minh-Orden“ für seine Verdienste um Vietnam.
Was bleibt ist die Geschichte eines jungen Sozialisten, den die Februarkämpfe 1934 zu den Kommunisten führte und der letztlich seine politische Ideale im Kampf auf der Seite der um ihre Freiheit und Unabhängigkeit kämpfenden vietnamesischen Kommunisten lebte. Seine Rückkehr nach Jahren des Dschungelkampfes konfrontierte ihn mit dem Tod seiner Elter, die von den Nazis umgebracht wurden. Gelang anderen, mit vergleichbarem Lebenslauf, wie z.B. Fritz Jensen (Kommunist, Arzt, Spanienkämpfer, an der Seite der chinesischen Roten Armee als Arzt tätig) in Österreich sowohl in der Partei als auch beruflich wieder Fuß zu fassen, ist das Frey, zumindest was den politischen Aspekt betraf, nicht mehr gelungen. Über die Einzelheiten kann aus heutiger Sicht nichts mehr gesagt, sondern nur spekuliert werden. 

Anmerkungen:

1/ Spanien:
Vietnam, mon amour, 2001: „Am nächsten Tag brachte Adi schlechte Nachrichten: Die Partei hatte mein Ersuchen, Mitglied der internationalen Brigaden zu werden, abgelehnt. Mit einem Schlag wurden meine Zukunftsträume, in denen ich mich schon als Held gesehen hatte, zerstört. Durch die materielle Hilfe der Sowjetunion wären die Spanier autark geworden und könnten sich selbst verteidigen, hieß die Begründung, und man hätte bereits begonnen, die Brigaden zu reduzieren. Hätte man mir gesagt, das der Kampf in Spanien verloren war und die Internationalen Brigaden abgezogen würden, damit sie nicht in Francos Hände fielen, hätte ich das zwar nicht gebilligt, aber doch verstanden. Mich aber zu belügen und für einen Idioten zu halten, war zuviel!“ (S. 147)
Lebenslauf vom 4.6.1951: „Bevor ich 1937 wieder zu arbeiten anfing, hatte ich einige Schwankungen in der Spanienfrage. (...) Im August 1938 kam ich nach Paris und meldete mich freiwillig nach Spanien. Ich wurde mit der Begründung, dass die Interbrigaden im Zuge seinen, zurückgezogen zu werden, abgewiesen.“

KPÖ-Parteiorganisation in Paris:
Vietnam, mon amour, 2001: „Dazu kam, dass der Mann [er spricht hier vom Leiter der Organisation, nennt aber dessen Namen nicht; es dürfte sich aber um Gustav Teply handeln – W.W.] genau so dachte und sprach, wie ich es mir vorgestellt hatte: ein typischer bezahlter Funktionär, dessen Zukunft zwar armselig, aber doch gesichert war. ...Zu sagen, dass die österreichische KP-Auslandsorganisation zur etablierten Pariser Gesellschaft gehörte, wäre stark übertrieben gewesen. Sie siechte dahin, ungeachtet und unbemerkt in ihrer Winzigkeit. Aber nicht einmal mit ihr wurde ich fertig! Das war entmutigend und beschämend zugleich. Ich begann mich zu fragen, ob ich noch dazugehörte.“ (S. 153f.)
Lebenslauf vom 4.6.1951: „Ich nahm an der Tätigkeit der Pariser Parteizelle teil. Meine private Situation war aussichtslos. Ich hatte weder Arbeits- noch Aufenthaltsbewilligung.“

Fremdenlegion:
Vietnam, mon amour, 2001: „Die Partei hatte mir den Weg nach Spanien verwehrt, und Alternative hatte sie keine zu bieten. Im muffigen Halbdunkel meines Zimmers kam mir jener tragikomische Berliner Landstreicher wieder in den Sinn, den ich im Feldkircher Gefängnis kennen gelernt hatte. Sein einziges Thema war die Fremdenlegion gewesen. Viel zu essen gäbe es dort, genügend Geld und Abenteuer in Hülle und Fülle in fremden exotischen Ländern. Die einzige Aufnahmebedingung war eine Unterschrift.“
Lebenslauf vom 4.6.1951: „Im September ersuchte ich den Genossen Däppli [richtig Teply; er gehörte zur Spanienorganisation in Paris, ging dann in den Widerstand und fuhr, als Fremdarbeiter getarnt, 1944 nach Österreich, um hier in den Widerstand der illegalen KPÖ einzugreifen. Er wurde in Österreich verhaftet und kurz nach seiner Einlieferung ins KZ Dachau, am 7.4.1945 von der SS gehängt. – W.W.] mir die Autorisation, mich in der Legion zu engagieren, zu erteilen. Am nächsten Treff gab er sie mir. So engagierte ich im Oktober 1938 und erhielt später einen Brief von Genossen Kreissler [Felix Kreissler: Ihn kannte Frey bereits aus seiner illegalen Arbeit in Wien-Hietzing. Kreissler war auch nach Frankreich gegangen, dort im Widerstand tätig. 1944 wurde er verhaftet und ins KZ Buchenwald eingeliefert. Nach dem Krieg war Kreissler Leiter der „Russischen Stunde“ in der RAVAG. – W.W.], in dem er mir mitteilte, dass dem Gen. Däppli Vorhaltungen wegen dieser Autorisation gemacht worden seien.“

Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 4/2002

 

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