Klahr    Alfred Klahr Gesellschaft

Verein zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung

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Hans Hautmann: Der Koreakrieg und die USA

Vor fünfzig Jahren, am 27. Juli 1953, endete mit dem Waffenstillstand von Panmunjom einer der erbittertsten und blutigsten militärischen Konflikte des 20. Jahrhunderts. Seine Ergebnisse sind bis heute weltpolitisch wirksam. US-Präsident George W. Bush nannte Nordkorea schon kurz nach seinem Amtsantritt 2001 einen Bedrohungsfaktor in Ostasien, setzte die von der Clinton-Administration begonnenen Gespräche mit Pjöngjang aus und reaktivierte im Rahmen der neu formulierten US-Militärdoktrin die Konfrontationspolitik. Neben dem Irak, einer, wie man glaubt, bereits „abgewickelten“ Sache, stehen Syrien, der Iran und Nordkorea als Herde der „Bedrohung der freien Welt durch den Terrorismus“ auf der Prioritätenliste jener „Achse-des-Bösen-Staaten“, deren Unschädlichmachung die ultrakonservative Kapitalfraktion in den USA zum hehren Menschheitsziel proklamiert hat. Naive politische Beobachter wundern sich darüber, dass Washington gegenüber dem „viel gefährlicheren“ Nordkorea eine andere Linie verfolgt als gegenüber dem Regime Saddam Husseins. Die Vorsicht, mit der man hier zu Werke geht, ist aber unschwer zu erklären. Sie wurzelt in den Erfahrungen, die der US-Imperialismus bei der kriegerischen Auseinandersetzung auf der koreanischen Halbinsel in den Jahren 1950 bis 1953 machen musste.

Unter japanischer Kolonialherrschaft

Bis 1895 hatte das chinesische Kaiserreich formal die Oberhoheit über Korea inne und übte dort die Funktion einer Schutzmacht aus. Als Ergebnis der chinesischen Niederlage im Krieg gegen Japan, der 1894/95 zum größten Teil in Korea geführt wurde, erkannte Peking die Unabhängigkeit von Korea an. Die enge Anlehnung des koreanischen Herrscherhauses an das zaristische Russland, das in der Mandschurei seine Einflusssphäre durch die Japaner beeinträchtigt sah, löste den russisch-japanischen Krieg von 1904/05 aus. Nach dem Sieg über Russland zwang Japan Korea einen „Schutzvertrag“ auf (17. November 1905), durch den es Korea innen- und außenpolitisch bereits weitgehend beherrschte. 1907 wurde die koreanische Armee aufgelöst, der Staatsapparat ging in die Hände japanischer Beamter über, der Außenhandel wurde japanisches Monopol. Um den Kampf koreanischer Patrioten gegen die Japaner zu unterdrücken, wurden japanische Gendarmerie und Militär im ganzen Land stationiert. Im August 1910 erfolgte die vollständige Annexion Koreas. In Korea wurde ein Militärgouverneur eingesetzt, in dessen Händen sich die gesamte Macht befand. Korea war damit eine Kolonie des japanischen Imperialismus geworden. Viele Bauern verloren ihr Land, die Handwerker wurden durch die massenweise Einfuhr billiger Industriewaren ruiniert. Die Entwicklung einer koreanischen Industrie wurde gehemmt; es entstanden lediglich Betriebe der Leichtindustrie und zur Gewinnung von Rohstoffen. Die koreanischen Arbeiter, darunter viele Frauen und Kinder, beutete man brutal aus.
In den 1930er Jahren gingen in der sozialökonomischen Struktur Koreas entscheidende Veränderungen vor sich, die zur Voraussetzung für den Aufschwung der nationalen Befreiungsbewegung wurden. Bis zum Beginn der Verwirklichung seiner Eroberungspläne in „Großostasien“ hatte sich Japan damit begnügt, die Bodenschätze Koreas zu rauben, Reparaturbetriebe und Unternehmen der Leichtindustrie anzulegen. Von 1931 bis 1936 entstanden in Korea mehr als 1.300 neue Unternehmen, denn es war für den japanischen Imperialismus profitabler, die Betriebe, die zumeist Großbetriebe waren, in der Nähe der Rohstoffbasen in Nordkorea anzusiedeln, das über bedeutende Vorkommen an Eisenerz, Aluminium, Kupfer, Nickel, Magnesit, Blei und Gold verfügt. Diese Industriebetriebe dienten nicht der Entwicklung des Landes, sondern waren für expansionistische Zwecke ausgerichtet.
Damit trat ab 1931 auch die nationale Befreiungsbewegung in eine neue Etappe ein. Koreanische Patrioten, unter ihnen der junge Kim Il Sung, führten zahlreiche Kämpfe gegen die japanischen Militaristen, die begonnen hatten, Korea und die Mandschurei als Aufmarschbasis gegen China und die UdSSR auszubauen. 1934 wurde die „Koreanische Revolutionäre Volksarmee“ gegründet, die sich in der Folge eng mit der chinesischen Befreiungsbewegung unter Mao Tse-tung verband. Japan beantwortete den verstärkten Kampf des koreanischen Volkes mit beispiellosem Terror. Tausende Patrioten wurden eingekerkert, alle koreanischen Organisationen aufgelöst. Gleichzeitig verfolgte die Kolonialmacht eine rigorose Assimilierungspolitik. Japanisch wurde Amtssprache, und ab 1942 erfolgte auch der Schulunterricht nur noch in japanischer Sprache.
Während des zweiten Weltkriegs errichteten die Japaner in Korea eine Militärdiktatur und setzten die Wirtschaft des Landes völlig für militärische Zwecke ein. Der größte Teil der von den koreanischen Bauern produzierten Nahrungsmittel wurde requiriert; im koreanischen Volk herrschten Hunger und Seuchen. Partisanengruppen versuchten die Nachschublinien der Kolonialmacht zu unterbrechen und gründeten 1942 in China die „Vereinigung für die Unabhängigkeit Koreas“, deren Wirken innerhalb der nationalen Befreiungsbewegung bedeutungsvoll wurde.
In der Zeit des zweiten Weltkriegs gingen in der sozialökonomischen Struktur Koreas erneut große Veränderungen vor sich. Die in den 30er Jahren begonnene Verschiebung der Proportion zwischen der Leichtindustrie und der Schwerindustrie setzte sich fort. 1943 betrug der Anteil der Schwerindustrie, die sich vor allem im Norden Koreas konzentrierte, an der Gesamtindustrie bereits 49 Prozent; die Anzahl der koreanischen Arbeiter und Arbeiterinnen erhöhte sich auf insgesamt über zwei Millionen. Viele wurden zur Zwangsarbeit nach Japan verschleppt, unter anderem nach Nagasaki, wo der Mitsubishi-Konzern Kreuzer und Torpedoboote für die kaiserliche Kriegsmarine fertigte. Schätzungen zufolge waren 20 bis 25 Prozent der Atombombenopfer Hiroshimas und Nagasakis Koreanerinnen und Koreaner. Um die japanischen Soldaten bei Laune zu halten, wurden Zehntausende koreanische Frauen in die Prostitution gezwungen und als „Frontfreudenmädchen“ missbraucht.

Die Entwicklung 1945 bis 1950

Beim Treffen zwischen Roosevelt, Churchill und Tschiang Kai-schek in Kairo im November 1943 fasste man den Beschluss, Korea nach dem Sieg über Japan als unabhängigen Staat wiederherzustellen. Allerdings sollte, da man die Koreaner für unfähig hielt, sich selbst zu regieren, das Land einer langen Vormundschaft unterstellt werden. Dieser in Kairo getroffenen Entscheidung, die eine 40jährige Vorbereitungszeit auf die Unabhängigkeit vorsah, schloss sich Stalin während der Teheran-Konferenz (28.11. bis 1.12.1943) an. In Jalta (4. bis 11.2. 1945) sprach Roosevelt immer noch von einer 20- bis 30jährigen Treuhänderschaft der USA, Chinas und der Sowjetunion über Korea, aber Stalin meinte, je kürzer die Treuhänderschaft dauere, desto besser sei es, und regte die Zuziehung Englands an. Dies wurde beschlossen.
Es kam aber anders. Nach der Potsdamer Konferenz (17.7. bis 2.8.1945) wurde auf Wunsch des neuen US-Präsidenten Truman der 38. Breitengrad in Korea als Linie festgelegt, nördlich welcher die Japaner vor den Sowjets kapitulieren sollten, während südlich von ihr die Amerikaner die Kapitulation der Japaner entgegenzunehmen hatten. Tatsächlich besetzte die Rote Armee schon wenige Tage nach dem Kriegseintritt der Sowjetunion gegen Japan am 8. August 1945 das ganze Gebiet nördlich des 38. Breitengrades, während die Amerikaner unter dem General John R. Hodge erst einen Monat später, am 8. September 1945, Südkorea betraten. Wären die Sowjets die „Expansionisten“ gewesen, für die man sie im Westen ausgab, hätten sie in der Zwischenzeit ganz Korea mit Leichtigkeit in ihre Hand bringen können. Sie vertrauten aber – zu Unrecht – auf die Nachkriegszusammenarbeit mit ihren westlichen Alliierten und hielten sich strikt an ihre Verpflichtungen.
Inzwischen waren in ganz Korea nationale Ausschüsse entstanden, in denen neben den Vertretern anderer politischer Richtungen auch die Kommunisten eine Rolle spielten, deren Einfluss unter den Volksmassen durch ihre aktive Teilnahme am Untergrundkampf gegen die Japaner gestiegen war. Am 6. September 1945 hielten die „Volksausschüsse für die Vorbereitung der nationalen Unabhängigkeit“ in Seoul eine repräsentative Nationalversammlung ab und bildeten eine Volksrepublik mit einer Regierung für ganz Korea.
Während sich die UdSSR in ihrer Zone zurückhielt, keine Militärregierung einsetzte, die Landessprache anerkannte und eine koreanische Selbstverwaltung gewähren ließ, betrat General Hodge die koreanische Szene mit dem üblichen Misstrauen hoher amerikanischer Militärs gegen eine linke Volksbewegung, die eine Bodenreform, ein einheitliches Korea und die Entfernung der Kollaborateure forderte. Fünf Wochen lang nahm Hodge von der Regierung der koreanischen Volksrepublik nicht die geringste Notiz. Statt dessen stützte sich seine Militärregierung, die Englisch als Amtssprache dekretierte, auf rechtsstehende Koreaner, die mit den Japanern kollaboriert hatten. Dafür wurde sie von der Volksregierung empört kritisiert. Am 10. Oktober 1945 befahl Hodge die Beendigung von Proklamationen „unverantwortlicher politischer Gruppen“ und erklärte die Aktivitäten des am 20. November 1945 erneut zusammengetretenen Volkskongresses für illegal. Es waren also eindeutig die USA, die schon 1945 jene Schritte setzten, die die Spaltung Koreas herbeiführten.
Nachdem die amerikanischen Behörden in Korea eine für das ganze Land zuständige Regierung beiseite geschoben hatten, unterzeichneten der US-Außenminister Byrnes mit seinen Kollegen Molotow und Bevin in Moskau am 27. Dezember 1945 eine Erklärung über die Wiederherstellung Koreas als unabhängigen Staat unter einer Viermächte-Treuhänderschaft, die „bis zu fünf Jahre“ dauern sollte. Die Verkürzung des Vormundschaftszeitraums war von der UdSSR durchgesetzt worden, ebenso wie die Vereinbarung über Verhandlungen der russisch-amerikanischen Befehlshaber in Korea über die Errichtung einer provisorischen Regierung. Die Gespräche der sowjetisch-amerikanischen Kommission über deren Schaffung führten zu nichts, weil die US-Militärregierung schon Mitte Oktober 1945 die Rückkehr des weit rechts stehenden Syngman Rhee aus seinem siebzehnjährigen Exil in den USA veranlasst hatten. Rhee genoss vom ersten Augenblick an die Sympathie der koreanischen Kollaborateure und der Militärregierung. Am 14. Februar 1946 wurde unter Rhees Führung ein „Demokratischer Repräsentativrat“ gebildet, dessen Mitglieder politisch so weit rechts beheimatet waren, dass selbst liberale Koreaner ihn boykottierten. Erst ab diesem Zeitpunkt begünstigte die Sowjetunion entschieden den kommunistischen Flügel der Regierungsausschüsse in ihrer Zone, verstärkte ihn durch die Rückwanderung von Koreanern aus der UdSSR und ließ die Bildung einer Verwaltung unter Kim Il Sung zu. Schon im März 1946 führte diese Administration eine Bodenreform durch und gewann damit die Sympathie der Bauern; die Industriearbeiter waren ohnehin schon auf ihrer Seite. Rasch folgten weitere demokratische Reformen: Verstaatlichung von Industrie und Banken, Gleichberechtigung der Frau, Schulreform, Arbeitsschutzbestimmungen, Einführung des Achtstundentages.
Die Haltung ihrer südkoreanischen Marionette Syngman Rhee, der die Volkskomitees gewaltsam auflöste, gaben den USA einen willkommenen Vorwand, von der Moskauer Übereinkunft, die koreanische Frage durch amerikanisch-sowjetische Gespräche zu lösen, abzurücken und die damals von ihnen beherrschten Vereinten Nationen in die Koreafrage hineinzuziehen. Am 17. September 1947 forderte US-Außenminister George Marshall die UN-Generalversammlung auf, Koreas Einigung, die „durch die Unfähigkeit der beiden Mächte, sich zu verständigen“, bisher gescheitert sei, zu bewirken. Dieser Schritt erschien in sowjetischen Augen als gefährlicher Test- und Präzendenzfall für eine mögliche Übertragung auch des deutschen Problems auf die nach Artikel 107 ihrer Charta für die ehemaligen Feindstaaten nicht zuständige UNO. Am 14. November 1947 beschloss die UN-Vollversammlung die Bildung einer temporären UNO-Kommission für Korea, bestehend aus Vertretern Australiens, Frankreichs, Nationalchinas, der Philippinen, El Salvadors, Indiens und Syriens. Die UdSSR, die auf der Einhaltung des Moskauer Abkommens vom Dezember 1945 bestand, erklärte die Kommission für illegal, und als diese am 12. Jänner 1948 in Seoul zusammentrat, verwehrte ihr der sowjetische Befehlshaber in Nordkorea das Überschreiten des 38. Breitengrades.
Die Separatstaatsbildung im Süden und Norden erfolgte nun sehr schnell. Am 20. Juli 1948 wählte die südkoreanische Nationalversammlung Syngman Rhee zum Präsidenten der „Republik Korea“, die – ähnlich wie die BRD 1949 unter Adenauer – den Alleinvertretungsanspruch für das ganze Land erhob. Am 15. August 1948 wurde in Seoul die Republik Korea offiziell proklamiert. Am 9. September 1948 erfolgte in Pjöngjang die Errichtung der „Koreanischen Demokratischen Volksrepublik“ (KDVR); Ministerpräsident wurde Kim Il Sung. Zu Jahresende 1948 zog die Sowjetunion ihre Truppen aus Nordkorea ab, nachdem sie der Volksrepublik geholfen hatte, eine Armee aufzubauen und sie mit Waffen aus Beständen des zweiten Weltkriegs ausgerüstet hatte. Eine Anzahl sowjetischer Militärberater blieb im Land. 
Die Amerikaner ließen sich mit ihrem Abzug aus Südkorea mehr Zeit. Er erfolgte erst, nachdem der US-„Vizekönig“ in Ostasien, General Douglas MacArthur, im Frühjahr 1949 die Ausbildung und Kampfbereitschaft der rund 65.000 Soldaten Syngman Rhees für gut befunden hatte, und wurde bis Mitte 1949 beendet. 500 amerikanische Militärinstrukteure blieben in Südkorea zurück. Die Szene für einen großen Bürgerkrieg zwischen Süd und Nord war vorbereitet.

Der Krieg

Im zweiten Halbjahr 1949 kam es zu weiteren einschneidenden weltpolitischen Veränderungen, die bewirken sollten, dass der Konflikt zwischen Nord- und Südkorea nicht isoliert blieb. Im August 1949 zündete die UdSSR ihre erste Atombombe und durchbrach damit das amerikanische Kernwaffenmonopol. Am 1. Oktober 1949 siegte in China, dem bevölkerungsreichsten Land der Erde, die kommunistische Befreiungsbewegung unter Mao Tse-tung, der mit dem sowjetischen Ministerpräsidenten Stalin am 14. Februar 1950 einen Vertrag über Freundschaft, Bündnis und gegenseitige Hilfe in Moskau abschloss. Am 7. Oktober 1949 wurde mit der Gründung der DDR dem Gebäude der europäischen Volksdemokratien der Schlussstein eingefügt. Der Weltsozialismus schien in einem unwiderstehlichen Vormarsch begriffen; in den USA und im gesamten Westen erklomm die antikommunistische Hysterie die Stufe eines wahren Paroxysmus. Am 26. Jänner 1950 schloss Washington mit Syngman Rhee einen Beistandsvertrag ab, bezog aber Südkorea nicht in die amerikanische Sicherheitszone in Ostasien ein, die man als „Verteidigungsperimeter“ von den Aleuten über Japan zu den Ryukyu-Inseln mit Okinawa und von dort zu den Philippinen zog. Die Auslassung Südkoreas ergibt nur dann einen Sinn, wenn die USA mit einem Angriff des Südens auf den Norden rechneten und den Süden für militärisch so überlegen hielten, dass man ihn nicht unmittelbar zu unterstützen brauchte.
Bis heute sind alle historischen Darstellungen des Koreakrieges von der Frage beherrscht, wer am 25. Juni 1950 zuerst angegriffen hat. Die Geschichtsforschung der ehemals sozialistischen Länder ausgenommen wird steif und fest behauptet, dass es Nordkorea gewesen sei. Als Beweis führt man an, dass Seoul schon nach drei Tagen erobert und fast ganz Südkorea bis Anfang August besetzt wurde. Das könne nur dann der Fall gewesen sein, wenn Nordkorea der Aggressor war und das ahnungslose Südkorea überraschte. Fest steht aber, dass das Rhee-Regime seit 1949 permanent von einem „Marsch nach Norden“ redete, ihn sich unter der Illusion des „nach Befreiung vom kommunistischen Joch lechzenden nordkoreanischen Volkes“ als militärischen Spaziergang ausmalte und Auslöser der sich häufenden bewaffneten Provokationen an der Demarkationslinie entlang des 38. Breitengrades in den Wochen vor dem 25. Juni 1950 war. Beide Armeen waren an diesem Tag in voller Kampfbereitschaft, der Norden jedoch an Infanterie um das 1,4fache und an Panzern um das 5,5fache überlegen, ganz zu schweigen von der Moral der Truppe und der Bevölkerung im Hinterland. Wenn man die Frage nach dem „cui bono“ – wem nützt es? – stellt, ergibt sich, dass Tschiang Kai-schek und Syngman Rhee, der eine von der Vertreibung auf Formosa, der andere von innerem Sturz bedroht, zwei Tage nach dem Ausbruch des Konflikts unter US-Schutz gestellt waren und die amerikanischen Pläne für die Aufrüstung des Westens – insbesondere die Wiederbewaffnung Westdeutschlands – enormen Auftrieb erhielten und von den widerstrebenden Franzosen und Briten geschluckt werden mussten. Angesichts des Anstiegs der Arbeitslosigkeit in den USA auf 3,5 Millionen im Jahr 1950 stand die Truman-Administration zudem unter dem Zwang, der amerikanischen Großindustrie die Auslastung brach liegender Kapazitäten und dementsprechende Profite zu garantieren. Genau das ist durch den Krieg, der in der kapitalistischen Weltwirtschaft den „Korea-Boom“ auslöste, erreicht worden.
Offiziell führte die USA den Krieg mit Nordkorea unter der Flagge der Vereinten Nationen, deren Sicherheitsrat in Abwesenheit des sowjetischen Delegierten am 26. Juni 1950 militärische Sanktionen gegen Nordkorea beschloss und General MacArthur das „UNO-Kommando“ übertrug. Die UNO-Streitmacht bestand zu 90 Prozent aus US-Truppen; die restlichen Verbände kamen aus Australien, Belgien, Äthiopien, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Kanada, Kolumbien, Luxemburg, Neuseeland, den Niederlanden, den Philippinen, der Südafrikanischen Union, Thailand und der Türkei. Die Hauptlast der Kämpfe trugen die Amerikaner und die südkoreanische Armee.
Der militärische Verlauf des Koreakrieges, der sich in vier Perioden unterteilen lässt, kann hier nur summarisch geschildert werden. Die erste Periode (25. Juni bis 14. September 1950) sah die nordkoreanische Volksarmee im Vormarsch, die die Halbinsel bis auf einen kleinen Brückenkopf bei Pusan einnahm. In der zweiten Periode (15. September bis 24. Oktober 1950) gelang es den US-Truppen, nach der Landeoperation bei Inchon, Seoul zurückzuerobern, Pjöngjang einzunehmen und bis zur koreanisch-chinesischen Grenze vorzudringen. Die dritte Periode (25. Oktober 1950 bis 9. Juli 1951) umfasste den Eintritt der 200.000 chinesischen Volksfreiwilligen in den Krieg, die Vertreibung der Amerikaner und Südkoreaner vom nordkoreanischen Territorium, die erneute Einnahme Seouls im Dezember 1950, dessen Rückeroberung im Februar 1951 und das Erstarren der Front in den Gebieten am 38. Breitengrad. Die vierte Periode (10. Juli 1951 bis 27. Juli 1953), die Zeit der Waffenstillstandsverhandlungen, war durch einen erbitterten Stellungskrieg und massive Luftbombardements gegen die KDVR gekennzeichnet.

Seine Merkmale und Ergebnisse

Der Koreakrieg war der erste Versuch des Weltkapitalismus nach 1945, die Herausbildung der sozialistischen Staatengemeinschaft mit Waffengewalt zu verhindern. Er wurde als lokaler Krieg geführt, um eine direkte militärische Konfrontation mit der kommunistischen Hauptkraft, der Sowjetunion, zu vermeiden. In dieser Hinsicht war er die Geburt einer neuen Form der US-Kriegführung, die in der „Theorie des lokalen Krieges“ ihren Niederschlag fand.
Über die politischen und militärischen Möglichkeiten sowie Eskalationsstadien einer solchen Kriegführung kam es innerhalb der herrschenden Kreise und Fraktionen der USA zu heftigen Auseinandersetzungen. Die Kontroverse zwischen Truman und MacArthur, der 1950/51 den Einsatz von Atombomben gegen Ziele in Nordkorea und China forderte und vom Präsidenten entlassen werden musste, war charakteristisch für die Suche der herrschenden Klasse nach einer spezifischen Form der Kriegführung, die angesichts des veränderten internationalen Kräfteverhältnisses den weltweiten Kernwaffenkrieg nach Möglichkeit ausschließen, ihn aber ständig in Rechnung stellen sollte. Der Koreakrieg hatte zur Folge, dass die „Theorie des lokalen Krieges“ zu einem festen Bestandteil der NATO-Strategie wurde und es auch nach dem Verschwinden der Sowjetunion blieb.
Bei der panikartigen Flucht vor der chinesischen Volksfreiwilligenarmee im November und Dezember 1950 erlitten die US-Streitkräfte die bis dahin schwerste Niederlage ihrer Militärgeschichte. Die KDVR, ein industriell zurückgebliebenes Land mit geringen ökonomischen Möglichkeiten, behauptete sich in einem dreijährigen, opferreichen, schweren Kampf und verteidigte ihre Unabhängigkeit. Zum ersten Mal in der Weltgeschichte zeigte sich ein ehemals kolonial unterdrücktes Land imstande, der mit höchstem technischen Standard und riesigen ökonomischen Potenzen ausgestatteten Weltmacht USA, die die gigantische Summe von 83 Milliarden Dollar für den Krieg in Korea ausgab, nicht nur zu widerstehen, sondern auch deren Einfluss in Asien einzugrenzen. Möglich wurde das, weil die Sowjetunion, China und die anderen sozialistischen Länder fest an der Seite Nordkoreas standen und der KDVR militärische, materielle, diplomatische und politisch-moralische Hilfe erwiesen. Auch die Weltfriedensbewegung, die in den kapitalistischen Ländern unter dem Eindruck des Koreakriegs trotz antikommunistischen Sperrfeuers der Massenmedien einen gewaltigen Aufschwung nahm, trug viel dazu bei, den Kampf des koreanischen Volkes zu unterstützen.
Scheinbar endete der Koreakrieg mit einem Patt, weil das – bis heute gültige – Waffenstillstandsabkommen den status quo ante bellum mit der Demarkationslinie am 38. Breitengrad im wesentlichen wiederherstellte. Die USA machten aber insofern eine neue Erfahrung, als sie zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen Krieg ohne Sieg beenden mussten. Das kam angesichts der von ihr angemaßten Rolle des Weltgendarmen einer Niederlage gleich.
Als der Krieg 1950 ausbrach, waren die USA fest davon überzeugt, ihn mit massenhaftem Einsatz modernster Kampftechnik, mit überlegenen Luft- und Seestreitkräften und mit einer relativ kleinen, aber hochwertigen und völlig mechanisierten Landstreitkraft rasch zu ihren Gunsten entscheiden zu können. Trotz zeitweiliger Erfolge wie im September/Oktober 1950 zeigten sich aber die US-Landstreitkräfte keineswegs allen Anforderungen gewachsen, die der Kriegsschauplatz an sie stellte. Im Vergleich der drei Waffengattungen erwiesen sich die Landtruppen, die die Hauptlast der Kämpfe trugen und die schwersten Verluste erlitten, als das schwächste Glied in der amerikanischen Militärmaschinerie. Obwohl sie an Feuermitteln mehrfach stärker waren und sich auf ein breites, gut ausgebautes Nachschub- und Ergänzungswesen stützen konnten, zeigten sie sich gegenüber den chinesisch/nordkoreanischen Landstreitkräften sowohl im Angriffs- als auch im Verteidigungsgefecht unterlegen. Nur der materiell-technische Vorsprung und die Einwirkung der Luft- und Seestreitkräfte retteten die amerikanischen Landtruppen vor noch größeren Niederlagen und Katastrophen in diesem konventionell geführten Krieg.
Je länger der Krieg dauerte, desto offener trat für die US-Militärführung ein Problem auf, das ihr in seinem ganzen Umfang anfänglich nicht bewusst gewesen war: der politisch-moralische Zustand der Soldaten. Truppenmoral und Engagement des GI waren in Korea so kläglich wie nie zuvor. Unter den Soldaten breitete sich angesichts der erfolglosen Kriegführung und der politischen Zielsetzung ein „Gefühl der Sinnlosigkeit“ aus, wie das offizielle Generalstabswerk der USA selbst eingestand. Es herrschten Gleichgültigkeit und Defätismus, die in geringem Angriffselan und desorganisierten Rückzügen sichtbar wurden. Im Vergleich zum zweiten Weltkrieg schnellte die Ziffer der Kriegsgerichtsverfahren gegen ungehorsame Soldaten um das Zweieinhalbfache empor. Nicht zuletzt deshalb wurde der Koreakrieg von amerikanischer Seite immer stärker vorwiegend mit Luft- und Artillerieangriffen geführt, wobei der Aufwand an materieller Macht in keinem Verhältnis mehr zu den erzielten militärischen Ergebnissen stand.
Bei den US-Luftangriffen auf Nordkorea wurden erstmals in großem Umfang Napalmbomben und, wie heute längst nachgewiesen ist, auch chemische und bakteriologische – Anthrax (Milzbrand) erregende – Waffen eingesetzt. Als das eine internationale Wissenschafterkommission, darunter der außerordentliche Professor für Kirchen- und Völkerrecht an der Universität Graz, Heinrich Brandweiner, bei einem Besuch vor Ort in der KDVR feststellte, wurde letzterer von der bürgerlichen Presse in Österreich als „Pestfloh-Professor“ wütend attackiert und gegen ihn eine Kampagne in Gang gesetzt, die ihn in seiner beruflichen Existenz förmlich vernichtete.
Die drei Jahre der Kampfhandlungen kosteten mehr als einer Million koreanischer Zivilisten das Leben. Nach UNO-Angaben fielen außerdem eine Million Soldaten aus Nordkorea und China sowie 250.000 aus Südkorea und knapp 55.000 GIs dem Krieg zum Opfer.

Die Koreafrage heute

Nach dem Wiederaufbau des schwer zerstörten Landes mit sowjetischer und chinesischer Hilfe konzentrierte sich die KDVR auf eine Modernisierung der Landwirtschaft und einen starken Ausbau der Schwerindustrie. 1958 wurde die völlige Verstaatlichung abgeschlossen und eine strikte Planwirtschaft eingeführt. Durch die günstigen Rohstoffbedingungen expandierte die Wirtschaft in den 1960er Jahren und machte Nordkorea im Lager der Blockfreien zu einem angesehenen Modell der „self-reliance“ unter Abkoppelung vom kapitalistischen Weltmarkt. Ab den 1970er Jahren mehrten sich jedoch die Krisenzeichen: Planziele wurden deutlich verfehlt, die Industrieanlagen veralteten, die Infrastruktur, vor allem im Transportwesen, erwies sich als mangelhaft, die nötigen Devisen für Investitionen fehlten, und in der Landwirtschaft führte die jahrelange Überdüngung zu einer Verschlechterung der Bodenqualität.
Dennoch zeigte das politische System der KDVR eine bemerkenswerte Stabilität. Es überstand den Crash der europäischen Volksdemokratien und der Sowjetunion 1989/91 ebenso wie den Tod des Staatspräsidenten Kim Il Sung 1994. Hoffnungen im Westen, das „bizarr-anachronistische altstalinistische Zombie-Regime“ werde, ähnlich wie die DDR, implodieren, erwiesen sich als Fehlspekulation.
Dass man mit Nordkorea als einem der wenigen verbliebenen Länder der Erde, das sich der „pax americana“ nicht unterwirft, noch einige Zeit rechnen wird müssen, hat Gründe, die in der spezifischen Situation auf der geteilten Halbinsel, im militärischen Kräfteverhältnis und im Bereich der Ökonomie wurzeln. Die südkoreanische Kapitalelite hat das einstige Vorhaben, man werde sich aufgrund der wirtschaftlichen Überlegenheit früher oder später den Norden einverleiben können, aufgegeben. Um 1995 übertraf das Bruttosozialprodukt Südkoreas dasjenige des Nordens um etwa das 20fache, während dieses Verhältnis in Deutschland zum Zeitpunkt der Vereinigung nur etwa 8:1 betragen hatte. Da Südkorea spätestens seit der tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise 1997 selbst in Schwierigkeiten geriet, zeigt man dort keine Lust, sich die exorbitanten Kosten einer Wiedervereinigung aufzubürden und setzt statt dessen – wie in der Volksrepublik China praktiziert – auf die Schaffung „freier Wirtschafts- und Handelszonen“ als Enklaven ökonomischer Liberalität in Nordkorea. Die KDVR ist dem nicht abgeneigt, weil sie sich davon Gegenleistungen in Form finanzieller Hilfe erwartet.
Die „Sonnenschein“-Politik der Regierung in Seoul gegenüber Pjöngjang ist auch deshalb nicht zufällig, weil sich beträchtliche Teile der südkoreanischen Bevölkerung von der militärischen Kraft Nordkoreas keineswegs bedroht fühlen. Laut einer Anfang 2003 durchgeführten Meinungsumfrage sagten 55,7 % aus, dass „die Gefahr, dass Nordkorea einen Krieg beginnt, nicht besteht“; 77,3 % lehnten einen Erstschlag der USA gegen Nordkorea ab; 40 % der Befragten äußerten sogar, im Falle eines Angriffs der USA gegen die KDVR als „menschliche Schutzschilde“ den Krieg verhindern zu wollen, selbst unter Einsatz des eigenen Lebens.
Schließlich der militärische Aspekt. Nordkorea unterhält eine Armee von mehr als einer Million Mann, es besitzt mehr als 600 Jagdflugzeuge, mehr als 300 Transportflugzeuge und Hubschrauber, zahlreiche Panzer, zwischen 100 und 500 Scud-Raketen und ist imstande, Nuklearwaffen zu produzieren. Im Falle eines Krieges wäre die südkoreanische Hauptstadt Seoul mit ihren 11 Millionen Einwohnern, die nur 40 Kilometer von der nordkoreanischen Grenze entfernt ist, auch von US-Truppen nicht zu verteidigen. Weil die KDVR nicht nur über Atomwaffen verfügt, sondern auch mit seinen Landstreitkräften bei weitem nicht so leicht zu besiegen wäre wie der viel schwächere Irak, werden die US-Strategen im Pentagon wohl nicht so bald mit einer Bodentruppen-Invasion beginnen. Schätzungen von Militärexperten gehen davon aus, dass eine 500.000 Mann umfassende US-Streitmacht bei einem Krieg gegen Nordkorea binnen 90 Tagen mit mindestens 50.000 Gefallenen zu rechnen hätte.
Nordkorea kam offiziell deshalb auf die Liste der Länder der „Achse des Bösen“, weil es nach Ansicht der Bush-Regierung bei Zugeständnissen im Rahmen der Inspektion von Nuklearanlagen und weit reichenden Raketen Washington nicht genügend entgegenkam. Der eigentliche Grund hat aber weniger mit Nordkorea als mit der innenpolitischen Situation in den USA zu tun: Je düsterer die US-Regierung das nordkoreanische Bedrohungsszenario an die Wand malt, desto größer wird die inneramerikanische Unterstützung für das teure Raketenabwehrprogramm, ein weiteres gigantisches Geschäft für die Rüstungsindustrie.
Man kann nur hoffen, dass die erst jüngst wieder aufgenommenen multilateralen Verhandlungen in Peking zwischen den USA, Russland, China, Japan, Nord- und Südkorea über das Atomprogramm der KDVR zu einem vernünftigen Ergebnis führen und die Lage entspannen. Sollte das nicht der Fall sein, könnte es so kommen, wie der Kritiker der Bush-Administration, Emmanuel Todd, in seinem Buch „Weltmacht USA. Ein Nachruf“ schreibt: „Die Vereinigten Staaten sehen sich gerne als Sieger des Kalten Krieges. Aller Voraussicht nach werden die, die in einem Jahrhundert zurückblicken, keinen Sieger erkennen können, vor allem dann nicht, wenn die Vereinigten Staaten weiter an ihrem derzeit imperialen Kurs festhalten.“

Benützte Literatur:
Olaf Groehler, Der Koreakrieg 1950 bis 1953. Das Scheitern der amerikanischen Aggression gegen die KVDR, Berlin 1980
Jürgen Kleiner, Korea. Betrachtungen über ein fernliegendes Land, Frankfurt am Main 1980
Lokale Kriege. Geschichte und Gegenwart. Unter der Redaktion von Armeegeneral I.J. Schawrow, Berlin 1983
Helmut Wolfgang Kahn, Der Kalte Krieg. Band 1: Spaltung und Wahn der Stärke 1945 bis 1955, Köln 1986
Christian Fleck, Der Fall Brandweiner. Universität im Kalten Krieg, Wien 1987
Rainer Werning (Hrsg.), Nordkorea. Annäherungen an einen Außenseiter, Köln 1988
Stichwort „Korea“ in: Rüdiger Dingemann, Westermann Lexikon Krisenherde der Welt. Konflikte und Kriege seit 1945, Braunschweig 1996
Stichwort „Korea“ in: Dieter Nohlen (Hrsg.), Lexikon Dritte Welt. Länder, Organisationen, Theorien, Begriffe, Personen, Reinbek bei Hamburg 2002
Emmanuel Todd, Weltmacht USA. Ein Nachruf, München 2003
http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/regionen/USA/ronnefeldt.html
http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/regionen/Korea/Abschreckung.html
http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/regionen/Korea/werning.html
http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/regionen/Korea/werning2.html
http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/regionen/Korea/werning3.html
http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/regionen/Korea/kalterkrieg.html
http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/regionen/Korea/koreakrieg.html
http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/themen/Atomwaffen/korea.html
(alle Websites download 18. August 2003)

Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 3/2003

 

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