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Ernest Kaltenegger: Kommunales Eigentum als wesentlicher Faktor der
öffentlichen Daseinsvorsorge
Kommunales Eigentum hat seinen Ursprung nicht – wie man meinen wollte – in
der Arbeiterbewegung, sondern wurde bereits viel früher von der städtischen
Bürgerschaft, Kaufleuten und Gewerbetreibenden gegründet.
So zum Beispiel verfügte meine Heimatgemeinde Obdach bereits im Mittelalter über
ein beachtliche Bürgerschaftsvermögen, zu dem die Wege, die Befestigungsmauern
mit Türmen, das Rathaus, das Armenspital, eine Kirche sowie Felder, Äcker und
Wälder, welche gemeinschaftlich bewirtschaftet und genutzt wurden, gehörten.
Die Kommunalisierung von Dienstleitungen im größeren Stil begann gegen Ende des
19. Jahrhunderts. In Wien wurde unter Bürgermeister Lueger die Stadt selbst zum
Unternehmer. So zum Beispiel wurde 1898 eine Lebens- und
Rentenversicherungsanstalt gegründet und der Rathauskeller in Gemeindeeigentum
übernommen. 1905 wurde eine eigene Sparkasse mit Pfandbriefinstitut, ein
Brauhaus und eine Übernahmestelle für Vieh und Fleisch eröffnet. Ab 1907 sorgte
ein städtisches Bestattungsinstitut für die sprichwörtlich „schöne Leich“ für
Wienerinnen und Wiener.
Noch bedeutsamer waren aber die städtischen Investitionen in die Infrastruktur:
1899 eröffnete man das städtische Gaswerk in Simmering und erzwang letztendlich
die vollständige Übergabe der Gasversorgung aus den Händen einer englischen
Privatfirma in die der Stadt Wien. 1902 nahm das erste städtische
Elektrizitätswerk den Betrieb auf. Das Gemeindemonopol auf die Kabelverlegung in
Wien wurde geschickt ausgenutzt, um die private Konkurrenz auszuschalten. Sehr
bald erfolgte dann auch die Kommunalisierung der Verkehrsbetriebe, die vorher im
Eigentum von Siemens & Halske standen. Die Zahl der Beschäftigten der Stadt Wien
stieg sprunghaft an. Waren es anfangs zirka 2000 Beamte und einige hundert
Arbeiter, gehörte die Stadt Wien mit über 30.000 Beschäftigten bald zu den
größten Arbeitgebern in der Monarchie.
Diese Entwicklung hatte äußerst positive Auswirkungen auf die Stadtfinanzen.
Während die frühere liberale Stadtregierung ausschließlich mit den Zuschlägen
auf staatliche Steuern sowie mit Anleihen das Auslangen finden musste, machten
unter dem Christlichsozialen Lueger die Einnahmen aus den städtischen Betrieben
bald 30 Prozent der Gesamteinnahmen der Stadt aus.
Man blieb nicht nur bei kommerziellen Unternehmen stehen, sondern schuf auch
bereits Einrichtungen mit sozialem Charakter. So wurde das Altersheim Lainz, ein
Waisenhaus, Kinderheilstätten außerhalb Wiens gebaut, eine städtische
Arbeitsvermittlungsstelle eingerichtet, Kindergärten saniert und neu errichtet,
die „Volksbäder“ ausgebaut und sogar erste Vorläufer des Wiener sozialen
Wohnbaus geschaffen.
Ergänzend muss natürlich auch gesagt werden, dass diese Aktivitäten sicher auch
in Anbetracht einer deutlich erstarkenden Arbeiterbewegung erfolgten und dass
die genannten Errungenschaften seitens der Christlichsozialen schamlos für die
Absicherung der eigenen Macht missbraucht wurden. Nicht unerwähnt bleiben soll
auch der Antisemitismus Luegers, welcher den Boden für die spätere politische
Entwicklung bereitete.
Das Rote Wien
Erst in den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts gab es dann jenen
Qualitätssprung im kommunalen Leistungsangebot, welcher die Voraussetzungen
schuf, dass alle Bevölkerungsschichten Nutznießer dieser Leistungen werden
konnten. Ein Schwerpunkt war die Wohnversorgung sozial Schwacher. Dies wirkte
sich in vielen Städten im deutschsprachigen Raum positiv aus. Aber auch hier
spielte die Stadt Wien eine herausragende Rolle. Das „Rote Wien“ verwendete in
seiner Glanzzeit bis zu 26 Prozent seines Gemeindebudgets für den kommunalen
Wohnbau. Ein besonders Merkmal war, dass die Stadt auf eine Verzinsung des
Investierten verzichtete und so die Mieten auf ein äußerst günstiges Niveau
absenken konnte. Bis 1934 wurden in Folge des Wiener Wohnbauprogramms 60.000
Gemeindewohnungen errichtet. Ein Ergebnis, von dem Wien heute noch zehrt.
Aber auch in der Kultur und Bildungspolitik ging man neue Wege, welche soziale
Bildungsprivilegien aufbrechen sollten. Das Gesundheitswesen orientierte sich
ebenfalls an den Bedürfnissen der Bevölkerungsmehrheit.
In Graz versuchte die sozialdemokratisch regierte Stadt ebenfalls spürbare
soziale Fortschritte zu erreichen. Auch hier forcierte man unter Bürgermeister
Vinzenz Muchitsch den sozialen Wohnbau, wenn auch im erheblich bescheidenerem
Ausmaß.
In Wien hatte die Stadt einen erheblichen Vorteil, den andere österreichische
Kommunen nicht hatten: Man war gleichzeitig Bundesland mit dem Recht, im eigenen
Bereich weitere Steuern und Abgaben zu erheben. Davon machte Finanzstadtrat Hugo
Breitner in äußerst positiver Weise Gebrauch. Es wurde Luxus besteuert, auch
waren die eigenen Steuern sozial und progressiv gestaltet, dass in erster Linie
die reichere Bevölkerung belastet wurde.
Nach dieser historischen Rückschau nun zu aktuellen Problemen der kommunalen
Daseinsvorsorge. Die Dienstleitungen in größeren Gemeinden gehen – salopp
ausgedrückt – von der Wiege bis zur Bahre. Sie umfassen beispielsweise
Kinderbetreuung, Wohnen, Wasserversorgung und -entsorgung, Energieversorgung,
Müllabfuhr, Öffentlicher Personennahverkehr, Straßenreinigung und
Grünraumpflege, Freizeitangebote (Bäder), bis hin zur Bestattung, um nur die
wichtigsten zu nennen.
Druck auf kommunale Unternehmen
Seit zirka zwei Jahrzehnten sind die kommunalen Unternehmungen unter
erheblichen Druck geraten, der seit dem Beitritt Österreichs zur EU dramatisch
verschärft wurde. Eine der Ursachen für diese Entwicklung ist in der zunehmenden
Verschuldung der Gemeinden zu suchen. Dem Schrumpfen kommunaler Steuereinnahmen
stehen drastische Erhöhungen bei Sozialausgaben in Folge zunehmender
Arbeitslosigkeit, die Übertragung kostenträchtiger Aufgaben von Bund und Ländern
auf die Gemeinden und auch selbstverschuldetes wirtschaften über die
Verhältnisse, wie die Errichtung sündteurer Prestigebauten mit hohen
Folgekosten. Auch ein Hang zur Eventpolitik hat Kommunen wie beispielsweise Graz
in die Schuldenfalle geführt.
Als erster Schritt erfolgt in der Regel die Herauslösung von Gemeindebetrieben
aus der städtischen Verwaltung. Erst entstehen Eigenbetriebe, dann GmbHs oder
AGs. Ist dies durchgesetzt, folgen als nächster Schritt private Beteiligungen,
oder es kommt überhaupt zu einem gänzlichen Verkauf der Einrichtung. Die
Auswirkungen sind bekannt: Die demokratische Kontrolle der Daseinsvorsorge wird
abgeschafft. Die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte sind nicht mehr zuständig,
die Mitglieder des Aussichtsrates sind in erster Linie dem Unternehmen
verpflichtet und nicht mehr der Bevölkerung.
Den Vogel abgeschossen hat in einem solchen Fall die Stadt Knittelfeld. Aus der
Stadtsparkasse wurden erst eine Gesellschaft und dann eine Stiftung. Da die
ursprünglich von der Stadt nominierten Mitglieder des Stiftungsrates plötzlich
keine Lust mehr verspürten, der Stadtgemeinde zu Diensten zu sein, merkte man
dort plötzlich, dass man de facto sich mit dieser Vorgangsweise selbst enteignet
hat. Schließlich gehört eine Stiftung sich selbst und die Stiftungsräte müssen
von Niemandem Weisungen entgegen nehmen.
Eine Kommerzialisierung der Gemeindesparkassen hatte übrigens im größeren Stil
bereits vor etwa 25 Jahren eingesetzt. Eines der ursprünglichen Ziele, Kinder
und andere „kleine Leute“ zur Sparsamkeit anzuhalten und dabei für
„mündelsichere“ Geldanlagen zu sorgen, trat völlig in den Hintergrund. Die
Sparkassen entwickelten sich zu „normalen“ Banken, deren Zins- und
Gebührenpolitik eindeutig die Besserverdienenden bevorzugt. 2001 wurde im Rahmen
der EU vereinbart, die Gewährsträgerhaftung wegfallen zu lassen, die die
Existenz der Sparkassen durch die Haftung der Kommunen bisher abgesichert hatte.
Es versteht sich von selbst, dass der Privatisierungsdruck vor allem bei
einträglichen Bereichen kommunaler Wirtschaft wächst. Wo keine Gewinne zu
erwarten sind, ist die Lust auf Privatisierung sehr bald zu Ende.
Ganz oben auf dem Wunschzettel privater Investoren stehen in der Regel die
Stadtwerke. Hier sind neben Ladenhütern, wie der öffentliche Verkehr – vor
allem, wenn damit Verpflichtungen bei der Leistungserbringung verbunden sind –
hochinteressante Sparten, wie Wasserversorgung, Strom sowie vielleicht auch die
Müllentsorgung. Ein Teilverkauf dieser einträglichen Bereiche führt sehr bald
zum Zusammenbruch des bisherigen Finanzierungssystems, wo Verluste in einem
Bereich durch Gewinne im anderen Bereich ausgeglichen wurden. Die Zeche für eine
solche Politik hat letztlich die Bevölkerung zu zahlen, die beispielsweise für
die Abgänge bei den Verkehrsbetrieben durch höhere Fahrpreise, schlechtere
Leistungsangebote sowie durch höheren Einsatz von Steuermitteln aufkommen muss.
Ein völliges Desaster erlebten Kommunen bei der Privatisierung der
Wasserversorgung. So beispielsweise die deutsche Stadt Potsdam. 1997 verkaufte
Potsdam 49 Prozent seines Wasserbetriebes an Eurawasser, eine Tochter von Suez’
Ondeo. Drei Jahre später musste man sich schon wieder trennen. Der Konzern
wollte mittelfristig die Preise von ursprünglich 7,86 Mark pro Kubikmeter auf
16,40 Mark anheben. Weil die Stadt diesen Preisschub politisch wohl nicht
durchgehalten hätte, trennte man sich wieder von Eurawasser und zahlte dem
Konzern eine Entschädigung in nicht genannter Höhe.
Besonders schwerwiegende Auswirkungen hat der Verkauf von kommunalem
Wohnungseigentum. Gemeindewohnungen, die dazu dienen sollen, auf dem
Wohnungsmarkt oft chancenlosen Menschen mit leistbaren Wohnungen zu versorgen,
werden diesem sozialen Auftrag entzogen. In Innsbruck beispielsweise führte
schon die bloße Auslagerung der städtischen Wohnungen in eine eigene
Gesellschaft zu einem Preisschub bei Neuvermietungen. Ein völliger Verkauf der
Gemeindewohnungen würde dazu führen, das bestimmte Bevölkerungsgruppen überhaupt
keine Chance auf eine menschenwürdige Wohnung hätten.
Da die Gemeindewohnungen ein sehr sensibler Bereich sind, versuchen etliche
Städte ihre Wohnungen zu Geld zu machen, ohne dass sie sofort an wenig beliebte
Immobilienkonzerne verkauft werden müssen. Es wird eine stadteigene Gesellschaft
gegründet, welche Kredite aufnehmen muss und dann der Gemeinde die Wohnungen
abkauft. Da jedoch bei einigermaßen sozialen Mieten diese Kredite nie
zurückgezahlt werden können, ist es nur eine Frage der Zeit, wann es dann zu
völligen Privatisierung der Gemeindewohnungen kommt.
Ein ähnliches Problem gibt es auch beim Verkauf städtischer Gebäude zum Zweck
der Geldbeschaffung und deren Rückmietung. So müssen Gemeinden Mieten für
Objekte zahlen, die sie bisher ohne Miete nutzen konnten. Der Katzenjammer kommt
bei der Erstellung zukünftiger Budgets, wo es bald überhaupt keine Spielräume
mehr gibt. Die Kritik der Rechnungshöfe an dieser Praxis bleibt in der Regel
ungehört.
Eigentümerfunktion demokratisieren
Zusammengefasst: Ohne kommunale Betriebe gibt es keine kommunale
Selbstverwaltung! Für die KPÖ ist diese Erkenntnis eine Grundsäule ihrer
Politik. Dennoch darf sich unsere Aktivität nicht allein auf das bloße und
kritiklose verteidigen öffentlicher Betriebe beschränken. Wir müssen auch die
manchmal für uns bitteren Seiten sehen: Öffentliches Eigentum ist vor allem dann
angreifbar und in seiner Existenz gefährdet, wenn es dort Ineffektivität,
Verschwendung, Filz- und Pfründewirtschaft gibt.
Es ist unsere Aufgabe dafür einzutreten, dass die Eigentümerfunktion
demokratisiert wird, dass die Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben, es geht
um ihren Betrieb und nicht um den Privilegienstadl der herrschenden Parteien.
Wir müssen dafür kämpfen, dass die Unternehmenspolitik öffentlicher Betriebe
transparent und nachvollziehbar ist, dass die Manager dieser Einrichtungen klare
Aufträge bekommen, die eine Arbeit ausschließlich im öffentlichen Interesse
sicherstellen. Das sind keine leichten Aufgaben, aber für uns unabdingbar.
Oskar Lafontaine hat jüngst gemeint: „Links ist dort, wo die bestehenden
sozialstaatlichen Regulative gegen Anfeindungen jeglicher Art verteidigt und
öffentliches Eigentum vor dem Zugriff privater Profitinteressen geschützt wird.“
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Referat auf dem Symposium „Öffentliches Eigentum – eine Frage von
Gestern?“, veranstaltet von der Alfred Klahr Gesellschaft und dem
KPÖ-Bildungsverein Steiermark, am 24. Juni 2006 in Leoben.
Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 3/2006
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