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Otto Treml: Straßennamen als Zeugen der Zeit
Von der Altstadt flußabwärts auf der Terrasse einer Enns-Schlinge gelegen,
befindet sich der Stadtteil Steyr-Münichholz. In seinem Kern liegt der
sogenannte Bischofswald, um den sich drei miteinander verbundene Wohngebiete
erstrecken. Dort lebt heute rund ein Fünftel der Steyrer Bevölkerung in den
insgesamt 3000 Wohnungen. Steyr-Münichholz zeichnet sich durch etwas in
Österreich Einzigartiges aus: der Großteil der Straßen ist nach KommunistInnen
benannt, die im Widerstandskampf Opfer des Faschismus wurden. Wie kam es dazu?
Die Wohnhäuser des Stadtteils Münichholz wurden in der NS-Ära erbaut und die
Straßen nach Nationalsozialisten benannt (Putschisten des Juli 1934 wie
Planetta, Holzweber, Feike u.a., aber auch „Größen“ des Dritten Reiches wie
Hermann Göring und Robert Ley). Diese verhaßten Symbole des Faschismus wurden
sofort nach Kriegsende beseitigt.
Das Stadtgebiet von Steyr war vom 8. Mai bis zum 28. Juli 1945 in zwei
Besatzungszonen geteilt, in die amerikanische Zone Steyr-West und die
sowjetische Zone Steyr-Ost. Münichholz gehörte zur sowjetischen Zone.
Anfang Juli 1945 beschloß der Gemeinderat Steyr-Ost einstimmig, die Straßen in
Münichholz zur Ehre von FreiheitskämpferInnen umzubenennen, die im Widerstand
gegen den Austrofaschismus und das NS-Regime ihr Leben gegeben hatten. Der
Stadtverwaltung Steyr-Ost gehörten damals neben dem Bürgermeister Johann Kahlig
(KPÖ) als Vertreter demokratischer Parteien an: Josef Bloderer (KPÖ), Karl
Hübsch (KPÖ), Thomas Trunk (KPÖ), Vinzenz Ribnitzky (SPÖ), Johann Schanovsky
(SPÖ) und Josef Wöhrer (ÖVP).
Kurz danach fand in Münichholz eine Kundgebung unter großer Beteiligung der
Bevölkerung statt, zu der der Stadtkommandant der Roten Armee mit seinem Stab,
Bezirkshauptmann Dr. Liebl, Pfarrer Meindl und Vertreter der Bezirks- und
Stadtleitungen der Parteien erschienen. Bürgermeister Kahlig betonte in seiner
Rede die dringende Notwendigkeit, die Nazi-Bezeichnungen in Münichholz endlich
auszuradieren und an deren Stelle die Namen antifaschistischer
FreiheitskämpferInnen zu setzen. Anschließend verlas er die vom Gemeinderat
Steyr-Ost beschlossenen Neubenennungen. Nach ihm ergriff der Sektionsleiter der
KPÖ-Münichholz, Hans Karigl, das Wort und hob in kurzen biographischen
Würdigungen die Verdienste der Namensträger hervor.
Aufgrund von Vereinbarungen mit den Amerikanern zog sich die Rote Armee am 28.
Juli 1945 an die Landesgrenze in der Nähe des Bahnhofes Ramingdorf zurück. Die
Amerikaner besetzten die ganze Stadt, die Trennung Steyrs in zwei Teile endete,
und eine gemeinsame Stadtverwaltung wurde wieder errichtet.
Straßenumbenennungen
Am 14. September 1945 konstituierte sich der erste Gemeinderat der Stadt
Steyr. Ihm gehörten 13 Mitglieder der KPÖ, 11 Mitglieder der SPÖ und 11
Mitglieder der ÖVP an. Bürgermeister blieb Franz Prokesch (SPÖ), der bereits ab
7. Mai 1945 in Steyr-West als provisorischer Bürgermeister fungiert hatte. Nach
den Wahlen im November 1945 setzte sich der 36köpfige Gemeinderat der Stadt
Steyr aus 20 SPÖ-, 12 ÖVP- und 4 KPÖ-Mandataren zusammen.
Auf Vorschlag der Kommunistischen Partei beschloß der Gemeinderat von Steyr am
19. Juni 1946 einstimmig, das Votum des Gemeinderats Steyr-Ost vom Juli 1945
über die Umbenennung der Straßen im Stadtteil Münichholz nach
WiderstandskämpferInnen und Opfern des Faschismus zu bestätigen. Dabei ist es
bis heute geblieben, was einem Spaziergänger durch Münichholz die sonst an
keinem anderen Ort Österreichs auch nur annähernd so günstige Gelegenheit
bietet, sich den tatsächlichen, überragenden Anteil von Kommunistinnen und
Kommunisten im Rahmen des politisch bewußten Widerstandes gegen die NS-Diktatur
vor Augen zu führen.
Von den 1945/46 umbenannten 24 Straßen, Plätzen und Wohngebäuden in Münichholz
tragen fünfzehn die Namen von Kommunistinnen und Kommunisten, darunter sieben
die von Mitgliedern des Zentralkomitees (Willi Frank, Leo Gabler, Oskar
Grossmann, Alfred Kla(h)r, Erwin Puschmann, Franz Sebek, Ferdinand Strasser).
Die restlichen neun sind nach den beiden Steyrer Schutzbündlern und Opfern des
Februar 1934 Sepp (Josef) Ahrer und August Hilber, nach Karl Marx
(„Karl-Marx-Hof“), dem 1924 ermordeten italienischen Sozialisten Giacomo
Matteotti („Giacomo-Mat(t)eotti-Hof“), dem Arbeiterdichter Alfons Petzold, dem
Begründer der „Naturfreunde“ Josef Rohrauer, dem 1944 hingerichteten Pfarrer
Paulus Wörndl, dem 1913 einem Attentat zum Opfer gefallenen
sozialdemokratischen Politiker Franz Schuhmeier sowie dem deutschen
Bakteriologen und Nobelpreisträger Robert Koch benannt.
Straßenbenennugen
1979 und 1989 folgten weitere Straßenbenennungen nach Antifaschisten und
Arbeiterfunktionären, die im Gemeinderat der Stadt Steyr auf Antrag der KPÖ
beschlossen wurden: im Stadtteil Ennsleite nach dem Helden des Februar 1934
Koloman Wallisch und im Stadtteil Taschlried nach dem ZK-Mitglied der KPÖ,
Gewerkschaftssekretär, Gemeinderat und Stadtrat von Steyr August Moser.
Nachfolgend sollen jene acht Personen vorgestellt werden, die als Mitglieder
der KPÖ aus Steyr bzw. Oberösterreich im Kampf gegen den Faschismus ihr Leben
ließen und Namensträger von Straßen in Münichholz sind. (Zu den Biographien der
sieben Mitglieder der ZK der KPÖ sei auf die 1997 von der Alfred Klahr
Gesellschaft herausgegebene Broschüre verwiesen: „Ich
möchte, daß sie Euch alle immer nahe bleiben... Biographien kommunistischer
WiderstandskämpferInnen in Österreich“.)
Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 4/1998
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