Verein zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung Drechslergasse 42, A–1140 Wien Tel.: (+43–1) 982 10 86, E-Mail: klahr.gesellschaft@aon.at
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Hans Wolker: Die geheimen Waffenlager der Westmächte in der BesatzungszeitWochen sind vergangen, seit die Regierung die Historiker- und Expertenkommission eingesetzt hatte, deren Aufgabe es ist, die Hintergründe aufzudecken, die die Westmächte Großbritannien, Frankreich und vor allem die USA veranlaßt hatten, während ihrer Besatzungszeit in Österreich 1945 bis 1955 geheime Waffenlager anzulegen: Insgesamt 79 an der Zahl, wie die amerikanische Botschafterin Hunt der österreichischen Regierung offiziell mitteilte. Wird die Regierungskommission die wahren Hintergründe aufdecken?Auffallend war zunächst das Bemühen der österreichischen Regierung, das Aufsehen und die Erregung, die die amerikanische Mitteilung in der österreichischen Öffentlichkeit ausgelöst hatte, möglichst schnell zu glätten und vergessen zu machen. Seit Einsetzen der Regierungskommission herrscht Grabesstille. Wohl wurden die ersten Waffenlager geöffnet: Prall gefüllt mit Sprengstoffen, Waffen und Versorgungsgütern der verschiedensten Art, alles noch voll intakt. Wohl denkt die Regierung daran, einen Teil der Kriegs- und Besatzungsrelikte zu verkaufen und damit offenbar Budgetlöcher zu stopfen. Doch von der Expertenkommission selbst ist nichts zu hören, nicht einmal einen kurzen Zwischenbericht gibt es. Nicht weniger auffallend ist, daß von jenen, die als erste - schon vor Jahren - die geheimen westlichen, vor allem amerikanischen Waffenlager aufgedeckt und darüber geschrieben haben, die zweifellos am besten informiert sind und über entsprechende Unterlagen und Dokumente verfügen, nicht in die Historiker- und Expertenkommission aufgenommen wurden. Warum wohl? Regierungen voll informiertAn sich ist schon vieles geklärt. Auf keinen Fall wird von der Kommission
behauptet werden können, die österreichischen Regierungen hätten von den
geheimen Waffenlagern der Westmächte nichts gewußt. Längst ist durch Dokumente
und Zeugenaussagen erwiesen, daß sie sehr wohl darüber informiert waren, noch
mehr: In meinem Buch „Schatten über Österreich - Das Bundesheer und seine
geheimen Dienst“ konnte ich nachweisen, daß die Waffenlager in den westlichen
Besatzungszonen mit Wissen und Zustimmung der österreichischen
Regierungsmitglieder angelegt worden waren, angefangen von Raab, Schärf und
Figl, Helmer und Graf, wobei die beiden letzteren in unmittelbarer Verbindung
mit dem dafür zuständigen Spionage- und Guerillaspezialisten der CIA Franklin
Lindsay standen, der wiederum direkt der Zentrale in Washington verantwortlich
war. Der damalige Staatskanzler Renner ersuchte sogar ausdrücklich die
amerikanische Regierung - wie aus einem „streng geheimen“ Schreiben der Wiener
amerikanischen Gesandtschaft an den US-Außenminister vom 13. März 1947
ersichtlich ist - um die Anwesenheit von Truppen in Österreich, wobei er
zugleich den Vorwand lieferte für das Anlegen von geheimen Waffenlagern. Die LegendenEs ist zu hoffen, daß die Expertenkommission die - auch heute noch -
kolportierten Legenden nicht wiederkäut, die geheimen Waffenlager in den
westlichen Besatzungszonen hätten der Abwehr einer sowjetischen Aggression oder
eines kommunistischen Putsches gedient. Nicht einmal die westlichen
Spionagedienste hatten jemals an solche Legenden geglaubt. Bronson Tweedy etwa,
1953 bis 1956 Station Chief der CIA in Wien, bekannte offen: „Ich habe nie
daran geglaubt, daß die Sowjets über Österreich herfallen werden“. Und William
Hood, von 1951 bis 1955 Operation Chief - Einsatzleiter -, gab offen zu, er
habe sich während seiner Tätigkeit in Wien „weniger für Österreich
interessiert, sondern für alles andere weiter östlich davon“. Und das war auch
entscheidend für die amerikanische Besatzungsmacht. UntergrundorganisationenZur Sicherung ihrer propagandistischen und militärischen Basis wurden nicht
nur geheime Waffen-, Sprengstoff-, Munitions- und Versorgungslager, nicht nur
Alarm- und Telefonnetze sowie Rundfunkstationen in den westlichen
Besatzungszonen unseres Landes errichtet, sondern es wurden auch
Untergrundorganisationen für militärische Erkundigungen und kriegerische
Einsätze geschaffen, deren Ausbildung auf Grund eines gemeinsamen CIA/Gladio/Armeeprogramms unter dem sinnigen Decknamen „Easeful“ („Ruhig“)
erfolgte. Offensive PläneWeitaus wichtiger für die USA waren die offensiven Pläne für Operationen
„hinter den sowjetischen Linien“. Nicht erst im Ernstfall sollten die
österreichischen Guerillaeinheiten und die B-Gendarmerie an Seite der
westlichen Streitkräfte gegen die Sowjetunion operieren und spezielle Aufgaben
erfüllen. In einem Zusatz zum Kriegsplan JCS 1725/22 wird ihnen die Aufgabe der
„Industriesabotage und der Sabotage sowjetischer Versorgungs- und Verbindungslinien,
Spionage sowie die Schaffung von Fluchtwegen für Agenten der Alliierten, für
Überläufer oder anderen, hinter den sowjetischen Linien gefangener Personen von
Interesse für den Geheimdienst“ gestellt. Das gleichfalls „streng geheime“
Dokument JIC 634/1 vom 8. September 1953 über „Die Verletzlichkeit der
Militärstreitkräfte des Sowjetblocks in einem Guerillakrieg“, von dem erst ein
Teil bekannt ist, ermächtigt das CIA - „Amt zur Verfahrenskoordinierung“
(„Office of Policy Coordination-OPC“) gegebenenfalls führende Persönlichkeiten
des Sowjetblocks zu ermorden, Trinkwasser zu vergiften und Maßnahmen ähnlich
jener während der deutschen Besetzung der UdSSR im Zweiten Weltkrieg zu
treffen“. Das Gesamtprogramm wurde in Washington durch Frank Wisner (CIO/OPC/Gladio),
Oberst Ivan D.Yeaton (Verteidigungsministerium) und Oberstleutnant John R.
Deane jr. (Armee) koordiniert. Konkret verantwortlich für die Realisierung
dieses militärischen Konzeptes war für Österreich und die benachbarten
Sozialistischen Länder der schon zitierte Franklin Lindsay, mit dem die
österreichische Regierung in ständiger Verbindung stand. Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 2/1996 |
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