Verein zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung Drechslergasse 42, A–1140 Wien Tel.: (+43–1) 982 10 86, E-Mail: klahr.gesellschaft@aon.at
|
|
Jakob Zanger: Bewaffneter Kampf in Belgien: SoldatenarbeitRichtlinie für die Tätigkeit der Kommunisten in Belgien war der Aufruf des ZK der Kommunistischen Partei Österreichs zur Annexion, beschlossen in der Nacht vom 11. zum 12. März 1938 in dem es hieß: „Volk von Österreich! An alle Völker Europas und der Welt! Hitler hat mit militärischer Gewalt Österreich unter sein Joch gebracht. Hitler ist dabei, den Freiheitswillen des österreichischen Volkes durch die Stiefel seiner Soldateska niederzutreten, er ist daran, in Österreich seine Fremdherrschaft aufzurichten. Volk von Österreich! Wehre Dich, leiste Widerstand dem fremden Eindringern und ihren Agenten. Schließt Euch zusammen, Katholiken und Sozialisten, Arbeiter und Bauern! Schließt Euch zusammen, nun erst recht, zur Front aller Österreicher, aller Unterschiede der Weltanschauung, aller Parteiunterschiede treten zurück vor der heiligen Aufgabe, die heute dem österreichischen Volk gestellt ist! Zusammenstehen gegen Hitler, zusammenstehen, um Hitlers Soldateska aus Österreich wieder hinauszujagen.” Kapitulation - DeportationAm 10. Mai 1940 fiel Hitlerdeutschland in Belgien, Holland, Luxemburg und Frankreich ein. Am 27. Mai kapitulierte der belgische König, am 21. Juni 1940 Frankreich. Bereits vorher hatten die Engländer Frankreich fluchtartig verlassen und ihr Expeditionskorps von über 300 000 Mann über den Hafen Dünkirchen evakuiert, das heißt in knapp 40 Tagen war die alliierte englisch-französische Armee zerschlagen. Dies sei jenen in Erinnerung gerufen, die auch heute noch den raschen Vormarsch der Hitlerarmee der sowjetischen Staats- und Armeeführung, allen voran Stalin, in den ersten Monaten nach Beginn des faschistischen Überfalls auf die Sowjetunion zum Vorwurf machen. Die Sowjetarmee wurde nicht innerhalb von 40 Tagen zerschlagen, sondern hatte die Kraft, die faschistischen Eindringlinge im Spätherbst zu stoppen und in der Folge hunderte Kilometer zurückzutreiben. Für die kommunistische Emigration in Belgien waren die Maßnahmen der belgischen Behörden im Zusammenhang mit der deutschen Invasion von verheerender Wirkung. In der Nacht des 10. Mai 1940 wurden sämtliche deutschen und österreichischen Emigranten, Antifaschisten und Interbrigadisten ohne Rücksicht darauf, ob sie Juden oder „Arier” waren, ohne jede legale Grundlage verhaftet, meist unter Beschuldigung, deutsche Fallschirmspringer und Spione zu sein, und unter unmenschlichen Bedingungen in Viehwaggons als angebliche 5. Kolonne nach Frankreich deportiert und dort in Lagern interniert. Viele Tausende von ihnen wurden in der Folge auf Grund der zwischen Hitler und Pétain abgeschlossenen Vereinbarung an Deutschland ausgeliefert und in KZ´s deportiert. Von diesen Maßnahmen der belgischen Regierung war die gesamte Parteileitung der KPÖ in Belgien betroffen. Für ein freies ÖsterreichDie österreichischen Kommunisten in Belgien hatten vor den Überfall der deutschen Armee unter anderem „für das Land” gearbeitet und nun vertrat man die Auffassung „das Land” sei eben in Form von Österreichern in deutscher Uniform nach Belgien gekommen - da müßte eine ähnliche Tätigkeit fortgesetzt werden. Also: Für ein freies Österreich, gegen den Faschismus, für den Frieden, gegen die Besetzung fremder Länder lauteten die Parolen, die sehr bald auf einfache herzustellende „Pickerl” gedruckt und weit verbreitet werden konnten. Selbstverständlich setzten wir unsere Agitationstätigkeit unter den anderen in Belgien, insbesondere jüdischen Emigranten fort, um für unsere Sache zu werben. So ließen sich über Auftrag der Partei einige in die von der israelitischen Kultusgemeinde initiierte landwirtschaftliche Schule bei La Rauné einschreiben, um dort unter der jüdischen Jugend politische Tätigkeit zu entfalten und sie für die Widerstandstätigkeit zu gewinnen. Was uns auch tatsächlich bei einer Reihe Jugendlicher, unter anderem auch bei zwei deutsche Genossen, gelang. Bald entwickelte sich die Soldatenarbeit, bei der die Genossinnen eine wichtige Rolle spielten. Die Mädchen bemühten sich, mit Soldaten in Kontakt zu treten, mit ihnen über die Sinnlosigkeit und Verbrechen des Krieges zu sprechen und, sofern sie Österreicher waren, über die Eigenstaatlichkeit Österreichs. Diese Arbeit erforderte ein hohes Maß an Takt und Einfühlungsvermögen, große Geschicklichkeit und noch größere Vorsicht. Zwei bis drei Mädchen gingen zusammen in Lokale, in denen Soldaten verkehrten, und versuchten mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Die Soldaten sollten möglichst schnell bemerken, daß nicht die Absicht bestand, ein Verhältnis einzugehen, daß aber auch nicht nur um der politischen Diskussion willen das Gespräch gesucht wurde. Wenn man auf Verständnis gestoßen war, konnte man beim zweiten oder dritten Rendezvous schriftliches Material mitbringen und sich langsam bis zur Aufforderung vorarbeiten, diese Flugblätter und Zeitungen in den Kasernen aufzulegen. Im Laufe der vierjährigen Tätigkeit ist es dann des öfteren gelungen, Soldaten für die ständige Abnahme der Schriften zu gewinnen; andere wiederum nahmen die Publikationen mit in die Heimat. Einige Soldaten haben sich sogar nach Kriegsende gemeldet und sich auf ihre antifaschistische Tätigkeit in Belgien berufen. So etwa der von der Genossin Gundl Herrnstadt geworbene Tankred Kleiner, der dann von 1942 bis 1944 aktiv mit unserer Parteigruppe zusammenarbeitete, im Juli 1944 verhaftet, an die russische Front verschickt wurde und am 17.12.1944 zur Sowjetarmee überlief. WiderstandsarbeitOhne Zweifel leisteten die Genossinnen der Mädelgruppe, in ihrer exponierten
Tätigkeit die gefährlichste Arbeit innerhalb der Parteigruppe. Sie setzten sich
täglich der Gefahr aus, der Gestapo ausgeliefert zu werden. Herta Ligeti, Luci
Fürst, Gundl Herrnstadt, Herta Wiesinger (Stuberg), Marianne Brandt, Ester
Tenzer u.a. durchlitten Auschwitz und andere Nazi-KZ, Marianne Brandt wurde
ermordet. Aufgabe der Streugruppen war es, die von unserer Parteigruppe
hergestellte Zeitschrift „Wahrheit” und ab März 1944 die österreichischen
Zeitschrift „Freies Österreich” zu kolportieren. „Die Wahrheit” wurde anfangs
von Bruno Weingast, Irma Hirsch und Mara Ginsburg redigiert. Hergestellt
wurde sie zunächst in der Wohnung von Mutz Hoffmann, vorübergehend in einer
stillgelegten Bäckerei, später in der Wohnung von Marianne Brandt und
schließlich in der Wohnung von Herbert Lindner. Die Papierbeschaffung oblag den
Genossen Otto Spitz und Alfred Wiesinger, dem „Künstler” unserer Gruppe, der
die Titel und Parolen auf die Matrizen zeichnete. PartisanengruppeDieser Gruppe gehörten neben Otto Spitz die Genossen Bob Zanger, Herbert
Lindner, Herbert Kandel, Paul Herrnstadt, Harry Zimmermann, Ludwig Günser,
Walter Pollack, Hermann Umschweif, N. Karasek, Erich Unger, Fredl Wiesinger
u.a. an. Kurier dieser Partisanengruppe war die Genossin Cilly Spitz. Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 1/1995 |
|