Klahr    Alfred Klahr Gesellschaft

Verein zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung

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Werner Murgg: 70 Jahre Befreiung und die Herausforderungen der Gegenwart

Was sind die Herausforderungen für die KPÖ-Steiermark? Im Juni 1944 spricht die KPÖ im Manifest „Die Wiedergeburt Österreichs“ von der notwendigen Errichtung einer „antifaschistisch-demokratischen Ordnung“. Der langjährige Vorsitzende der KPÖ, Gen. Johann Koplenig, spricht in einem Vortrag im Mai 1945 vom Aufbau eines wirklich freien, unabhängigen, demokratischen Österreich: „Das neue Österreich braucht eine starke Kommunistische Partei, um den Faschismus bis an die Wurzeln auszurotten und dadurch den Frieden und die Zukunft unseres Landes zu sichern, eine Partei, die dem Volk hilft, alle Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen, damit es nicht wieder um die Früchte des Kampfes betrogen wird. Es braucht eine starke Kommunistische Partei, die niemals das große Ziel aus dem Auge verliert, die imstande ist, das Volk zusammenzuschließen zum Aufbau und zur Sicherung eines wirklich freien, unabhängigen und demokratischen Österreich!“
Ich meine darum geht es auch heute, siebzig Jahre später: Ein Österreich frei von Ausbeutung und Unterdrückung als souveräne Nation, ein Österreich unabhängig vom EU-Imperialismus, ein demokratisches Österreich als Staat, in welchem tatsächlich die objektiven Interessen der großen Mehrheit des Volkes durchgesetzt werden.
Was heißt Antifaschismus heute? Meine erste These lautet: Antifaschismus ohne materialistische Klassen- und Gesellschaftsanalyse, ohne Festmachen der ökonomischen Triebkräfte und ihres politisch-ideologischen Überbaus blamiert sich als lediglich moralischer Antifaschismus, führt in letzter Konsequenz zur Preisgabe eines wirklichen Antifaschismus und zur Kapitulation vor faschistischer Gefahr!
Mit diesem Phänomen sind wir heute leider massenhaft konfrontiert. Einige Beispiele aus der jüngeren Geschichte sollen verdeutlichen, was ich meine:
– Das Umlügen der Bombardierung der Bundesrepublik Jugoslawien als antifaschistische Großtat zur Verhinderung eines angeblichen Völkermordes an den Albanern durch Joschka Fischer und andere.
– Das Wideraufleben der Totalitarismus-These; mit der Verdammung des Nazifaschismus wird gleichzeitig dessen konsequentester Gegner mit entsorgt um für kapitalistische Ausbeutung freie Bahn zu haben. Derartiges geschieht dieser Tage in der Ukraine. In einem Staat, in dem offen faschistische Kräfte die Regierung unterstützen, wird ein Gesetz verabschiedet, das kommunistische und nationalsozialistische Symbole gleichsetzt und verbietet.
– Das Gerede von den „Neuen Hitlers“: Slobodan Milosevic, Saddam Hussein, Muammar Gaddafi, ja in abgeschwächter Form auch Jörg Haider, werden als faschistische Popanze aufgebaut um Angriffskriege, menschenverachtende Embargos etc. im Namen des Antifaschismus gegenüber der Öffentlichkeit zu rechtfertigen.
Bleiben wir kurz bei Jörg Haider. 2000 konnte man in der US-Presse folgendes lesen: Nimmt die tschechische KP bei Wahlen weiter zu - sie hatte ihren Stimmenanteil bei der vorangegangenen Wahl deutlich ausgebaut - werde die EU neben Haider-Österreich bald einem zweiten Paria-Staat entgegentreten müssen. Jedenfalls hat sich Österreich kurz davor noch recht demonstrativ gegen die Bombardierung Jugoslawiens ausgesprochen und , zumindest offiziell, keine Überflüge von NATO-Maschinen über Tirol gestattet; wenn sich die NATO de facto darum auch keinen Deut geschert hatte.
Wer sich, wie seinerzeit Milosevic oder heute Assad, dagegen stellt, dass die imperialistischen Hauptmächte bzw. deren Monopole im jeweiligen Land bedingungslos (!) aus- und eingehen, muss im Zeichen von Demokratie und Antifaschismus bekämpft werden. Dieser Antifaschismus kann wohl mit Fug und Recht als ideologische Meisterleistung des Neoliberalismus bezeichnet werden. Er dient einzig und allein dazu, breite Kreise der Bevölkerung – entgegen ihrer wirklichen Interessen – auf die Seite des Monopolkapitals zu ziehen. Vergessen wir nicht: wer seine eigenen Interessen mit denjenigen der Monopole gemein macht, verteidigt nicht die bürgerliche Demokratie gegen den Faschismus, sondern bildet im Extremfall sogar einen Bodensatz, der für den Übergang von bürgerlicher Herrschaft zur faschistischen Gewaltherrschaft verwendet werden kann.
Erinnern wir uns der klassischen, Dimitroff’schen Faschismusdefinition. Faschismus ist demnach die offen terroristische Diktatur der am meisten chauvinistischen, der am meisten aggressiven Elemente des Finanzkapitals. Als Ursachen lassen sich fest machen: die Herausbildung des Imperialismus als höchster Stufe der Monopolherrschaft, die sich verschärfende Krise des Kapitalismus und eine starke, revolutionäre Arbeiterbewegung, die einzudämmen monopolkapitalistische Kreise nur mehr mit Hilfe faschistischer Herrschaft für möglich halten.
Was geschieht heute? Die aggressivsten Schichten des Finanzkapitals können ihre Ziele, die da heißen Profitmaximierung/Profitratensteigerung, mit Hilfe verstärkter Ausbeutung, mit Privatisierungen, mit der Ausweitung von Anlagemöglichkeiten für das Kapital, mittels Kapitalgeschenken an die Banken und Konzerne oder mit offenem Raub in den kapitalistischen Hauptländern im Rahmen der bürgerlichen Demokratie durchsetzen, ohne zu faschistischer Herrschaft übergehen zu müssen: Griechenland bietet dafür gerade ein trauriges Beispiel! Auch weil es die Herrschenden allemal vorziehen, ihre Ziele ohne offene Gewaltherrschaft zu erreichen. Allein der Umbau des politisch-ideologischen Überbaus und seine mediale, massenwirksame Absicherung wäre von den Herrschenden wohl nur mit großem Aufwand durchzusetzen.
Parallel dazu werden imperialistische Massenverbrechen unter dem Deckmantel dieses von mir oben geschilderten moralischen Antifaschismus, als angebliche Verteidigung bürgerlicher Demokratie, begangen. Die marxistische Linke spricht in diesem Zusammenhang zu Recht von „Menschenrechts-Imperialismus“. Der tatsächliche Angriff auf Demokratie, Freiheit und Menschenwürde erfolgt aus dem neoliberalen Zentrum unserer sogenannten „pluralistischen“ Gesellschaften. Werner Pirker spricht zu Recht in einer jüngst erschienen Aufsatzsammlung vom „Neoliberalismus als neuem Rechtsextremismus“.
– In Deutschland wird die Bundeswehr für Einsätze im Inneren vorbereitet.
– Die NSA-Überwachungskrake hat ein weltweites Spitzelsystem ungeahnten Ausmaßes aufgebaut.
– Die EU entmachtet nationale Parlamente mittels Fiskalpakt, europäischem Semester, Schuldenbremse und der Aufnahme des Neoliberalismus in den Verfassungsrang.
Derartige Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Sie alle zeigen eines: durchgesetzt werden diese volksfeindlichen Maßnahmen immer noch unter entscheidender Mitwirkung von Parteien der „linken und rechten Mitte“.
„Das Gerede vom Neofaschismus ruft nur die Gefahr herauf, dass die Völker desorientiert werden und den wirklichen Feind aus den Augen verlieren. Der nach dem zweiten Weltkrieg geschwächte Imperialismus greift jetzt in den hochindustrialisierten Ländern zu seinen konventionellen Waffen, mit denen er sein Dasein verlängern, seine Herrschaft aufrechterhalten will, nämlich zur bürgerlichen Demokratie!“ (Jakob Rosner: „Der Faschismus“, 1966)
Meine zweite These lautet: Die Hauptgefahr geht derzeit nicht von einer offen faschistischen Gefahr aus sondern vom Imperialismus. Was sind dabei unsere Aufgaben? Wo stehen wir?
Österreich ist Mitglied der EU. Die KPÖ-Steiermark definiert die EU als ein Zweckbündnis der imperialistischen Hauptmächte Europas. Wer imperialistischer Gewalt in den Arm fallen will, muss die EU dekonstruieren. Sage noch jemand, die EU beginge keine Verbrechen: Ist die Verelendung breiter Kreise des griechischen Volkes, bis zum Hungertod, vielleicht kein Verbrechen? Ist die Kolonisierung Osteuropas, wo ganze Regionen veröden, vielleicht kein Verbrechen? Ist die Ruinierung der südeuropäischen Industrie und Landwirtschaft durch das „EU-Austeritätsgeld“ Euro vielleicht kein Verbrechen?
Für die KPÖ-Steiermark bleibt vor diesem Hintergrund die nationale Frage wichtig! Wichtig als Dreh- und Angelpunkt unseres Politikmachens. Wir orientieren programmatisch auf Etappenlösungen; als erste, unmittelbar zu erkämpfende Etappe setzen wir uns den Aufbau eines progressiven Sozialstaates zum Ziel. Natürlich muss dafür das Kräfteparallelogramm zugunsten der arbeitenden Menschen verschoben werden, es muss die Macht der Monopole eingedämmt werden, es muss die Arbeiterbewegung im weitesten Sinne wieder in die Offensive kommen. All das wird nur jenseits der EU durchsetzbar sein. Deswegen orientieren wird auf einen Austritt aus dem imperialistischen Zweckbündnis EU und erstreben stattdessen langfristig ein Bündnis progressiver Nationalstaaten, ähnlich der Bolivarianischen Allianz für Amerika. Wir werden deshalb nicht selten, auch aus sich fortschrittlich verstehenden Kreisen, als „nationalistische Hinterwäldler“ verleumdet. Kreise, die die EU als endgültige Überwinderin von Nationalismus und Krieg definieren. Als ob die EU durch imperialistische Einmischung den Krieg nicht nach Europa zurückgebracht hätte - Stichwort Jugoslawien, Stichwort Ukraine. Die EU bedeutet nicht Überwindung von Nationalismus und Krieg. Vielmehr bedient sie sich eines EU-Chauvinismus um bei den Völkern Europas eine Massenbasis zu gewinnen. Was früher die Volksgemeinschaft war, sind heute die sogenannten europäischen Werte. Johann Koplenig forderte im Mai 1945 ein freies, unabhängiges und demokratisches Österreich. Ein solches bietet für alle fortschrittlichen Kräfte bessere Rahmenbedingungen im Kampf für ein sozialistisches Österreich. Das ist aber eine andere Geschichte...

Referat auf dem Symposium der Alfred Klahr Gesellschaft und des Bildungsvereins der KPÖ Steiermark „Widerstand – Befreiung – Wiederaufbau“ am 16. Mai 2015 in Graz

 

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