| |
Anne Rieger: Klassenorientierte Gewerkschaftspolitik heute
Ich möchte mit Bertolt
Brecht beginnen:
Lob des Revolutionärs
Viele sind zuviel
Wenn sie fort sind, ist es besser.
Aber wenn er fort ist, fehlt er.
Er organisiert seinen
Kampf
Um den Lohngroschen,
Um das Teewasser
Und um die Macht im Staat.
Er fragt das Eigentum:
Woher kommst du?
Er fragt die Ansichten:
Wem nützt ihr?
Wo immer geschwiegen
wird
Dort wird er sprechen
Und wo Unterdrückung herrscht
und von Schicksal die Rede ist
Wird er die Namen nennen.
Wo er sich zu Tisch
setzt
Setzt sich die Unzufriedenheit zu Tisch
Das Essen wird schlecht
Und als eng wird erkannt die Kammer.
Wohin sie ihn jagen,
dorthin
Geht der Aufruhr, und wo er verjagt ist
Bleibt die Unruhe doch.
Mit diesem Gedicht beantwortete Brecht schon vor
Jahrzehnten, was klassenorientierte Gewerkschaftspolitik heute ist:
1. dass sich die Gewerkschaft und ihre Mitglieder in ihren
Kämpfen, Auseinandersetzungen und ihrer Arbeit radikal an der Klasse
orientiert, die die Werte schafft. Oder in moderner Sprechweise ausgedrückt:
dass Gewerkschaftspolitik eindeutig Partei ergreifen muss für die Interessen
der abhängig Beschäftigten im weitesten Sinne – also auch für Interessen
derjenigen, die mit freiem Dienstvertrag, Werkvertrag, Gewerbeschein ohne
Mitarbeiter arbeiten müssen oder sich in anderen prekären Beschäftigungssituation
befinden – ihre Familien und die Pensionisten aus diesen Kreisen. Erst gestern
wurde der Pensionsbetrag nur um 2,7 Prozent erhöht, die Inflationsrate aber
liegt bei 3,4 Prozent.
Schon im Kommunistisches Manifest aus 1848 ist zu lesen: „Die Geschichte aller
bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen.“ Und Warren
Buffet, Eigentümer von 80 Mrd. Dollar, sagte 2003: „Wenn Klassenkampf in
Amerika geführt wird, gewinnt meine Klasse.“
2. Muss klassenorientierte Gewerkschaftspolitik deutlich
machen, wer den Mehrwert erarbeitet und wer ihn sich aneignet, also die
gesellschaftliche Produktion des Mehrwerts und seine private Aneignung, und dass
dies verbunden ist mit den privaten Eigentumsverhältnissen an den
Produktionsmitteln, Grund, Boden, teilweise Wasser. Brecht dazu: „Er fragt das
Eigentum, woher kommst Du?“
Entsprechend haben auch Karl Marx und Friedrich Engels an die Kommunisten
formuliert: "In all diesen Bewegungen heben sie die Eigentumsfrage, (...)
als die Grundfrage der Bewegung hervor." Das heißt, klassenorientierte
Gewerkschaftspolitik muss Bewusstsein schaffen für die Ausbeutung, die
Entstehung und die private Aneignung des Mehrwerts.
Das hört sich leicht an – aber ist, wie wir alle wissen – äußerst schwer
getan
3. Muss klassenorientierte Gewerkschaftsarbeit dazu
beitragen den Hauptgegner zu erkennen, ihn benennen, mit Namen und Adresse
sowohl im Land als auch international: In Österreich beispielsweise die Fam.
Piech-Porsche, deren Vermögen 33,8 Mrd. Euro beträgt.
Zur Größenordnung: Die Einnahmen des österreichischen Haushalts 2012 belaufen
sich auf 64,4 Mrd. Eine Familie besitzt die Hälfte eines Jahreshaushalts des
ganzen Landes. Eine zweite Zahl: Siegfried Wolf, ehemals Magna, erhielt ein
Jahreseinkommen von 10,8 Millionen Euro, oder umfassender gesagt: Ein Manager
erhält das 42fache eines Facharbeiters – da rede ich noch nicht von den prekär
Beschäftigten. Im kleinen Österreich gibt es 74 000 Millionäre. Ihnen gehören
230 Mrd. Euro Vermögen.
Ich halte es für wichtig, solche Zahlen präsent zu haben, um der Aussagen des
überwiegenden Teils der Medien - also der veröffentlichten Meinung –
entgegen treten zu können, die wirklich Reichen seien außerhalb dieses Landes.
Scheinbar unsichtbare Spekulanten und Finanzhaie auf den Cayman Inseln oder
anderen Offshore-Zentren, wo sie eine Trillion Dollar, Steuer schonend und
Steuer vernichtend, anlegen. Das stimmt zwar auch, aber die Reichen und
Herrschenden gibt es eben auch in Österreich mit Namen und Adresse.
Ein Beispiel: Mit einem Kurs von 7,37 Euro kaufte Erste-Boss Andreas Treichl am
2. März 2009 25.000 Aktien der eigenen Bank und verkaufte sie am 4.11.2010 zum
Kurs von 33,55 Euro. Macht einen Gewinn von 654.000 Euro, zusätzlich zu einem
Bonus von 1,2 Millionen für 2010. Wegen Insiderinformation wird gegen ihn
ermittelt.
Und so muss der/die klassenorientierte Gewerkschafter/in eben in allen privaten
und öffentlichen Unternehmen und Vereinen schauen, wie hoch die Gewinne sind
und die Verdienste von Vorständen und GeschäftsführerInnen, soweit man da ran
kommt. Für die Bewusstseinsbildung vor Ort im Betrieb ist das ein nicht zu
unterschätzende Faktor. Denn oft begegnet uns die Meinung, ja, die Diktatur der
Finanzmärkte ist ganz schlimm, aber unser Chef oder unsere österreichischen
Reichen sind gar nicht so schlimm. Ich möchte da gedanklich eine Parallele zum
Faschismus ziehen in dem auch die sogenannten reichen Juden angeprangert wurden,
also gab es auch damals angeblich gute und böse Reiche.
Den Reichtum vor der Haustür anprangern. Denn die Finanzblase konnte ja nur
entstehen, weil uns Löhne und Gehälter abgesenkt wurden, die Produktivitätsgewinne
von den Besitzern abgeschöpft, aber nicht mehr in die Realwirtschaft
reinvestiert wurden, weil dort kein Profit durch absinkende Kaufkraft in
Aussicht war bzw. der tendenzielle Fall der Profitrate das nicht mehr lukrativ
werden lies. So wurde das Geld denen vorenthalten, denen es eigentlich gehören
müsste, da sie den Mehrwert erarbeitet haben, und stattdessen in Finanzprodukte
investiert.
4. muss natürlich auch global die Kapitalistenklasse
insgesamt als Hauptgegner identifiziert werden. Eine Schweizer Studie kommt zu
dem Ergebnis, dass lediglich 147 Konzerne die Weltwirtschaft kontrollieren (http://extranet.igmetall.de/cps/rde/xbcr/SID-EC37ED5C-F6609859/extranet/artikel_0179325.pdf).
Besonders Banken und Rentenfonds stehen mit ihrem Einfluss ganz weit vorne. Die
Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich haben
erstmals nachgewiesen, welche Konzerne die Weltwirtschaft dominieren und wie
weit ihr Einfluss reicht. Am einflussreichsten wird die britische Barclays Bank
bezeichnet.
5. heißt klassenorientierte Politik umgekehrt auch, keine
sozialpartnerschaftliche Politik, kein Bündnis für Arbeit, keine gemeinsame
nationalistische Standortpolitik für eine exportorientierte Wirtschaft
gemeinsam mit dem Klassengegner machen, für die gewerkschaftliche Autonomie kämpfen.
Im übrigen haben die Unternehmer n die Sozialpartnerschaft längst aufgekündigt,
wie etwa in dem Buch Betriebsratsrealitäten nachzulesen ist, eine von der GPA
unterstützte und im ÖGB herausgegebenen Untersuchung. Oder sie tun es, wie
beispielsweise in einem großen Industriebetrieb. Dort soll die Belegschaft zu
einem Schichtplan einschließlich des Samstags erpresst werden mit der Drohung,
wenn Ihr das nicht abschließt, bauen wir hier in der Nähe ein Werk um die Stückzahl,
die vom Kunden gewünscht wird, dort zu erbringen.
Klassenorientierte Gewerkschaftspolitik heißt Gegenmacht aufbauen, keinen
Zweifel darüber aufkommen lassen, dass sie in Opposition zu einer
Umverteilungspolitik zugunsten der Reichen und des Kapitals steht.
6. Klassenorientierte Gewerkschaftspolitik heißt den Kampf
um Löhne und Einkommen, Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen zu entwickeln, zu
organisieren und zu führen, um daraus Widerstand und individuelles und
kollektives Bewusstsein über die Ausbeutung zu entwickeln. Hört sich prima an,
aber wie?
Verteidigung der Einkommen – und Kampf um höhere Einkommen. Brecht nennt es
den organisierten Kampf um den Lohngroschen. Wir befinden uns in Verteidigungskämpfen.
Klassenorientierten Gewerkschaftsarbeit verlangt realistische Analysen der
gegenwärtigen Machtsituation um daraus erreichbare Kampfziele zu erarbeiten,
aber auch die Ursachen für unsere Schwäche herauszuarbeiten
Dass einige in ihren Armlehnen sitzen, von Dividenden leben und immer höhere
Gewinne machen und andere hackeln und schöpfen und gleichzeitig
Reallohnverluste haben – diese Information auszugeben, nimmt uns keiner ab.
Ein Beispiel: 2,5 Mrd. Euro haben sich die Eigner im Metallbereich ausgeschüttet,
aber 380 Mio für eine Lohnerhöhung um 5,5 Prozent wollten sie nicht zahlen,
obwohl das nicht mal die Inflationsrate des kleinen Warenkorbs ausgeglichen hätte,
die derzeit bei 7,1 Prozent liegt. Heute wurde gemeldet, dass die GIS Gebühren
um sieben Prozent steigen werden. Die Arbeiterkammer Studie vom September kommt
zu dem Schluss, dass die Einkommen real im letzten Jahr um 1,1 Prozent gesunken
sind, innerhalb der letzten zehn Jahre sogar um 1,5 Prozent. Seit 1995 sind die
Reallöhne um sechs Prozent gesunken, die des untersten Zehntels sogar um 31
Prozent.
Klar ist, dass klassenorientierte Gewerkschaftsarbeit die Vorbereitung für die
Argumentation, die Organisierung und Durchführung dieses Kampfes anregt und
unterstützt, z.B. die Vorbereitung der Forderung nach 5,5 Prozent und den
Streik mit Pressemitteilungen, Flugblättern, Unterschriftensammlungen auf
Papier und im Internet, also alles was zur Hebung des Bewusstsein beiträgt
forciert. Sie unterstützt Aktionen, wie beim BAGS, die Forderung im öffentlichen
Dienst nach 4,65 Prozent ebenso wie die Forderung der GPA im Handel.
Kampf gegen immer längere Arbeitszeit, bezahlte und unbezahlte Überstunden,
All-In-Verträge. Allein im zweiten Quartal 2009 – also mitten in der
Wirtschaftskrise – wurden in Österreich von rund 750.000 Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer 6,2 Millionen Überstunden pro Woche geleistet. Sie führen zu
hoher Arbeitslosigkeit, Intensivierung der Arbeit, sind schleichende Ausbeutung.
Das Ergebnis ist allen bekannt: Ermüdung, Erschöpfung, Resignation,
Ausgelaugtheit. Burnout und Mobbing sind das sichtbare Ergebnis.
Argumentieren gegen die Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Das sind sowohl verlängerte
Durchrechnungszeiten als auch die organisierte Abwechslung von Kurzarbeit in der
Krise mit geringeren Löhnen und staatlichen Lohnzuschüssen für die
Industrielle und in der Folgeperiode Überstunden und Samstagsschichten.
Klassenorientierte Gewerkschaftsarbeit heißt, einzutreten für Arbeitszeitverkürzung
bei vollen Lohn- und Personalausgleich. Der ÖGB hat ausgerechnet, dass zehn
Prozent Arbeitszeitverkürzung für 80.000 Arbeitslose Beschäftigung bedeuten würde.
Auch der Kampf um bessere Rahmenbedingungen, wie z.B. Arbeitsschutz, der Schutz
der KV Verträge, des Arbeitsrechts, wie es erkämpft wurde, der Widerstand
gegen kollektivvertragliche Öffnungsklauseln gehört dazu.
7. Klassenorientierte Gewerkschaftspolitik heißt Kümmerer
sein um die sogenannten kleinen Probleme, wie z.B. den Urlaubstag, eine andere
Arbeitsstelle, Probleme mit dem Vorgesetzten, das Teewasser, wie Brecht das
nennt. Gegen Kündigungen vorgehen, gegen jede Kündigung, denn wir sind Anwälte
unserer KollegInnen, nicht Mediatoren, heißt Sozial- und Rechtsberatung etc.
8. Kollektive Kampfkraft und Selbstbewusstsein entwickeln.
Erfolge, Teilerfolge und Abwehrerfolge aufzeigen, Mut machen. Wenn, wie kürzlich
bei Exit, gestreikt wird oder bei den Metallern, ist es notwendig, Mut zu machen
für den Streik vorher und nachher, Teil- und Abwehrerfolge richtig einzuschätzen.
Denn der überwiegende Teil der Medien haut gegen jede Aktion, schweigt sie tot
oder hält sie für überflüssig, wenn sie im eigenen Land geschieht. Aktionen
im Ausland dagegen werden häufiger gemeldet. Mit dieser ungleichen
Vorgehenswiese, soll die Resignation gefördert werden. Klassenorientierte
Gewerkschaftspolitik muss den Kampf gegen die Resignation in der heutigen
Medienlandschaft als Schwerpunkt sehen und best practice Beispiele sind zu
verallgemeinern.
Der Solidargedanke muss entwickelt werden. Das heißt einerseits Aktionseinheit
mit anderen Fraktionen anstreben wo möglich – ohne die eigene Position zu
verleugnen, - auch bei Betriebsratslisten. Denn Unternehmer klatschen sich auf
die Schenkel bei zersplitterten Belegschaften. Andererseits ist Bündnispolitik
notwendig, wie das beispielsweise bei Exit mit den Studenten oder der
Plattform25 gemeinsam mit dem ÖGB gelungen ist.
Klassenorientierte Gewerkschaftspolitik ist auf keinen Fall Stellvertreter
Politik. Selbstbewusstsein bei Einzelnen und in Kollektiven zu entwickeln ist
eine hohe Kunst. Sie kann nicht einhergehen mit einer Schwerpunktsetzung
juristischer Klagen. Das beinhaltet Gefahr der Atomisierung des Widerstands.
Stattdessen müssen kollektive Lösungen versucht werden.
9. Internationale Arbeit, in Österreich, aber auch darüber
hinaus sollte Selbstverständlichkeit sein.
10. Klassenorientierte Gewerkschaftsarbeit kann sich nicht
nur aufs Kerngeschäft der Gewerkschaften konzentrieren wie betrieblich und überbetriebliche
Interessenvertretung, Tarifpolitik und Rechtsvertretung. Das muss alles sein,
aber schon in der Frühgeschichte der kapitalistischen Gesellschaft konstatierte
Thomas Morus im 16. Jahrhundert: „Wenn ich daher alle unsere Staaten, die
heute irgendwo in Blüte stehen, im Geiste betrachte, und darüber nachsinne, so
stoße ich auf nichts anderes, so wahr mir Gott helfe, als auf eine Art Verschwörung
der Reichen, die den Namen und Rechtstitel des Staates missbrauchen, um für
ihren eigenen Vorteil zu sorgen. Sie sinnen und hecken sich alle möglichen
Methoden und Kunstgriffe aus, zunächst um ihren Besitz, den sie mit
verwerflichen Mitteln zusammengerafft haben, ohne Verlustgefahr festzuhalten,
sodann um die Mühe und Arbeit der Armen so billig als möglich sich zu erkaufen
und zu missbrauchen. Haben die Reichen erst einmal im Namen des Staates, das heißt
also auch der Armen, den Beschluss gefasst, ihre Machenschaften durchzuführen,
so erhalten diese sogleich Gesetzeskraft.“
Klassenorientiert Gewerkschaftspolitik heißt Analysen, Argumente, und wo möglich
Kampf und Kraft gegen die Ausbeutung des Staates, die Politik des Sozialabbaus,
der Massenarbeitslosigkeit, Prekarisierung, Privatisierung und
Steuerumverteilung zugunsten der Vermögenden und stattdessen eine Gesundheits-,
Bildungs-, Pensions-, Wohnpolitik im Interesse der Mehrheit fordern. Eintreten für
ein Investitions- und Wachstumsprogramm wie es derzeit gerade die Dänische
Regierung plant, für tatsächliche Wirtschaftsdemokratie mit Mitentscheidungen
in Unternehmen, die Sozialisierung von Schlüsselindustrien wie z. B. Banken,
Versicherungen, Energie, Telekommunikation unter der demokratischen Kontrolle
von Gewerkschaftern, Sozialen Bündnissen und Gemeinderäten vor Ort. Für eine
Friedenspolitik mit Aufrechterhaltung der Neutralität und gegen die Aufstellung
und Aussendung von battle groups. Erhalt und Ausbau gelebter Demokratie sollte
ebenso auf der Tagesordnung stehen. Wir erleben durch die Frankfurter Runde den
Abbau der bürgerlichen Demokratie in der EU. Gewählte Regierungen werden
abgesetzt, die Handlungsprogramme, der Sozialabbau wird ihnen vorgeschrieben.
Wir erleben die Institutionalisierung des autoritären bürgerlichen Staates. In
Österreich wird im vorauseilenden Gehorsam gerade die sogenannte Schuldenbremse
installiert. Sie dient zu nichts anderem als erkämpften Errungenschaften des
Sozialstaates mit der Abrissbirne zu zerstören. Bund, Ländern und Gemeinden
stehen durch Struktur- und Verwaltungsreform drastischer Personalabbau bevor.
Hinter Diktaten, wie sie von der Frankfurter Runde befohlen werden, steht die
Fraktion des Industrie- und Finanzkapitals, im besonderen die Deutsche Bank. Über
das Instrument EU mit dem Euro Plus Pakt sollen u.a. Tarifauseinandersetzungen
nicht mehr möglich sein, sondern Lohnerhöhungen nach den Wirtschaftsdaten
vorgegeben werden.
Klassenorientierte Gewerkschaftspolitik darf keinen Zweifel darüber aufkommen
lassen, dass sie sich in Opposition zur Umverteilungspolitik zugunsten der
Reichen und des Kapitals steht. Sie muss die Systemfrage stellen, wenn Menschen
nach Antworten suchen, in diesem System aber keine Lösungen für ihre Probleme
finden.
11. Rechte verhindern. Die politischen Kräfte- und
Machtverhältnisse in Europa haben sich nach Rechts verschoben. Die Menschen
haben genug von der Privilegienwirtschaft vieler Politiker. Der Ruf nach einem,
der es für die da unten richtet ist bereits zu hören. Dagegen muss
klassenorientierte Gewerkschaftspolitik angehen, unter anderem indem sie die
Privilegien von FP Politikern offen legt. Der FP-Ehrenvorsitzende in Graz
Alexander Götz kassiert Pensionen in Höhe von 13.000 Euro klagte gegen die
Stadt, weil es 7000 Euro zu wenig waren. In Heft 5/2011 der „Marxistischen Blätter“
sind weitere Beispiele aufgezählt.
12. Natürlich ist klassenorientierte Gewerkschaftsarbeit
nur innerhalb der Gewerkschaften möglich, in ihren Gremien, im Betrieb, der
Jugendarbeit oder bei den Pensionisten. Dort kann die fortschrittliche Politik
kommuniziert werden, persönlich, mit Flugblättern, Anträgen, Artikeln wo möglich,
in Betriebsversammlungen, Seminaren, Konferenzen oder bei gewerkschaftlichen
Aktionen. Dort müssen wir kollektiv arbeiten – uns nicht in Fraktionen
zerstreiten – wohl um klassenorientierte Positionen kämpfen, für mehr
Beteiligung und gelebte Demokratie in der Gewerkschaft eintreten – trotzdem
aber andere Positionen respektieren.
13. Den Kampf um die Köpfe, die wertvollen Köpfe gegen
die neoliberale Hegemonie, können wir nicht den anderen überlassen. Brecht
sagt: Er fragt die Ansichten, wem nützt Ihr? Wir müssen der täglichen
betriebswirtschaftlichen Gehirnwäsche, der wir alle ausgesetzt sind, unsere
Argumente entgegensetzen. Wem nützt die Schuldenbremse, das spätere
Pensionsantrittsalter, die Studiengebühren, die schleichend zunehmende
Ausbeutung? Die Werteschöpfer haben Würde und verdienen Wertschätzung. Der
Streik der Metaller kam auch zustande, weil die Menschen angefressen waren von
der täglichen Hetze und Demütigung. Sie fanden es gut, dass etwas passierte,
dass den Industriellen eine Grenze aufgezeigt wurde.
14. Warum sind wir schwach: Wir befinden uns in der
schwierigsten Situation, die die Arbeiterbewegung je hatte. Von 1917 bis 1989
war die Alternative zu diesem inhumanen kapitalistischen System zu sehen. Sie
war nicht immer 100prozentig gut, aber in sozialen Fragen durchaus ein Vorbild:
kostenlose Bildung, Gesundheit, Alterssicherung für alle, keine
Arbeitslosigkeit. Vor 1917 gab es die Hoffnung auf die Alternative. 1989 wurde
uns diese Alternative brutal diskreditiert, das schwächte nicht nur die
kommunistische Bewegung, das schwächte alle Parteien und Organisationen der
Arbeiterbewegung. Die müssen wir heute wieder neu stärke. Die Jungen schreckt
das nicht so, sie sind so jung, dass sie den Hauptangriff der Diskreditierung
nicht mehr erlebt haben. Gemeinsam mit ihnen können wir Aufklären, Aktionen
organisieren, Mut machen und gegen die Resignation ankämpfen. Es gibt einige Länder,
in denen uns das vorgemacht wird.
Ich habe mit Brecht begonnen und ich möchte mit Brecht schließen:
Unsere Feinde sagen
Unsere Feinde sagen: Der Kampf ist zu Ende.
Wir sagen: Er hat angefangen.
Unsere Feinde sagen: Die
Wahrheit ist vernichtet.
Aber wir sagen: Wir wissen sie noch.
Unsere Feinde sagen:
Auch wenn die Wahrheit noch gewusst wird
Kann sie nicht mehr verbreitet werden.
Aber wir verbreiten sie.
Es ist der Vorabend der
Schlacht.
Es ist das Schmieden unserer Kader.
Es ist das Studium des Kampfplans.
Es ist der Tag vor dem Fall
unserer Feinde.
Referat im Rahmen der Veranstaltung „Klassenkampf und
Interessenpolitik“ der Alfred Klahr Gesellschaft am 16. November 2011 in Wien.
|