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Willi Weinert: »Mich könnt ihr löschen, aber nicht das Feuer«
Ein Führer durch den Ehrenhain der Gruppe 40 am Wiener Zentralfriedhof für die hingerichteten WiderstandskämpferInnen
Mit einem Geleitwort des Bürgermeisters der Stadt Wien Dr. Michael Häupl
Wien: Alfred Klahr Gesellschaft 2004, 3., verb. u. erg. Auflage 2011 (Wien: Wiener Stern-Verlag)
352 Seiten, ca. 500 Fotos u. Abb., ISBN 978-3-9502478-2-4
Preis: Euro 24,– (exkl. Versandkosten)
Zu beziehen über den Wiener Stern-Verlag
oder die Buchhandlung Hans Jauker, Sampogasse 4, 1140 Wien
In diesem ersten Führer durch den Ehrenhain der Gruppe 40 am Wiener Zentralfriedhof für die WiderstandskämpferInnen, die zwischen 1942 und 1945 im Wiener Landesgericht I geköpft worden sind, wurden mehr als 570 Personen erfasst. Mit wenigen Ausnahmen geben Kurzbiografien einen Einblick in ihr Leben, und die (in den meisten Fällen
erstmals veröffentlichten) Porträtsfotos lassen ein Bild von ihnen entstehen.
Der Bogen der hier bestatteten KämpferInnen gegen den Nationalsozialismus spannt
sich vom katholischen Priesterseminaristen
Hans-Georg von Heintschel-Heinegg, über den Revolutionären Sozialisten
Eduard Göth bis zum Mitglied des
Zentralkomitees der KPÖ Hedwig Urach.
Die Menschen, die mit dieser Broschüre dem Vergessen entrissen werden sollen,
sind von unterschiedlichen Ansätzen her aktiv gegen das NS-Regime aufgetreten.
Und weil damals keine andere Form des Widerstandes als der im Geheimen möglich
war, was nach den Gesetzen dieser unmenschlichen Gesellschaftsordnung illegal
war, wurden sie zum Objekt von Überwachung, Verhaftung, Verurteilung und
Ermordung. Das Buch soll dazu beitragen, das Andenken an diese Menschen wach zu halten, die einer brutalen, schier unbezwingbaren Diktatur entgegen traten und als aufrechte, kampfentschlossene Minderheit den richtigen Weg beschritten.
Inhaltsverzeichnis
Zum Geleit (Michael Häupl)
Vorwort
Übersichtslageplan
Legende
Lageplan der Gruppe 40
Einleitung
Auf dem Weg in den Tod
Vom Erinnern: „... später wird es
Gewohnheit und darüber hinaus vergessen.“
Hinrichtungen im Wiener Landesgericht
Zum Umgang mit den Leichen der
Hingerichteten
Die Gruppe 40 – eine kurze Chronik
Biografien
Allgemeine Bemerkungen /
Statistisches / Struktur der Biografien / Erläuterungen
Anhang:
Steirer als Opfer der Wiener Blutjustiz 1942–43 (Heimo
Halbrainer)
Im Schatten des Fallbeils. Die Hinrichtungen im Grauen Haus (Ewald Sator)
Fini Kaluzik findet das Grab ihres hingerichteten Mannes
Ich war sieben Monate in der Todeszelle (Edith Schober)
Die Gräber fordern Sühne (Karl Hans Heinz)
Die Hinrichtung aus der Sicht eines Gerichtsmediziners
Erinnerungen von Katharina Sasso an die Gruppe 40 im Jahr 1945
Ihre Söhne starben für Österreich (Emmi Walter)
Briefe und Kassiber von Oskar Klekner
Gedicht (Kassiber) von Rudolf Klekner für Margaretha Tremmel
Verzeichnis der Namen, geordnet nach Plannummern
Abkürzungsverzeichnis
Begriffserläuterungen
Benutzte Archive / Verwendete Literatur
Verzeichnis der Abbildungen, Fotos und Gedichte
Personenverzeichnis
Preface (engl.)
Hinrichtungen im Wiener Landesgericht1
In der Gruppe 40 wurden in der Zeit zwischen 1942 und 1945 die im Wiener
Landesgericht I justifizierten, d. h. mit dem Schafott hingerichteten Menschen
eingescharrt. Einige auch in anderen Gruppen, wie der 37er.
Zwischen dem Landesgericht und der Friedhofsverwaltung gab es die Übereinkunft,
dass die Leichen der Hingerichteten nach der Vollstreckung des Todesurteils
heimlich zum Zentralfriedhof gebracht wurden, um sie dort in den Schachtgräbern
der Gruppe 40 zu beerdigen. Die Leichentransporte wurden auch mit speziellen
Straßenbahn-Lastwaggons durchgeführt; Transporte dieser Art gab es bereits seit
1918. Die Friedhofsverwaltung wurde davon jeweils am Tage der
Urteilsverkündigung in Kenntnis gesetzt. Die Angehörigen wurden von der
Hinrichtung verständigt, nicht aber darüber, was mit der Leiche passiert war.
Sie wurde in den meisten Fällen behördlich „nicht freigegeben“. So heißt es z.B.
in einer Mitteilung an den Vater des hingerichteten Anton Mayer: „Das Urteil
gegen Ihren Sohn Anton ist am 22. Oktober 1943 vollstreckt worden. Ihrem Antrag
auf Herausgabe des Leichnams vermag ich nicht zu entsprechen.“2
Ähnlich das Schreiben an die Familie des hingerichteten Leo Gabler: „Der Herr
Oberreichsanwalt beim Volksgericht Berlin teilt mit, dass die Leiche des am 7.
Juni 1944 hingerichteten Leo Gabler amtlich bestattet worden ist. Nähere
Auskunft zu geben, bin ich nicht in der Lage ...“.3 Die überwiegende
Zahl der Leichen der Justifizierten kam aber direkt ins Anatomische Institut. In
einem Schreiben des Reichsministers für Justiz in Berlin an den Oberreichsanwalt
in Berlin ist mit Bezug auf die Hinrichtung von Hermine Zaynard und Friedrich
Hedrich der Vermerk zu lesen. „Bei der Überlassung der Leichname an ein Institut
gemäß Ziff. 39 der RV. vom 19. Februar 1939 ist das Anatomische Institut der
Universität zu berücksichtigen.“ (s. Faksimile, S. 143)
Die Geschichte der Hinrichtungen im Wiener Landesgericht I reicht bis 1873, dem
Zeitpunkt der Eröffnung dieses Gefangenenhauses, zurück. Im Zeitraum bis 1919
hatte man dort im so genannten Galgenhof 97 Personen hingerichtet, d. h.
gehängt. In der Zeit des Austrofaschismus (1934–38) wurden ca. 20 Personen (u.
a. die bekannten Februarkämpfer Karl Münichreiter, Georg Weissel und Emil
Swoboda) auf die selbe Weise hingerichtet.
Nach der Annexion Österreichs durch Nazideutschland (März 1938) wurde sofort mit
der Errichtung eines eigenen Hinrichtungsraumes innerhalb des Hauses (Wien 8,
Landesgerichtsstraße 11) begonnen. Am 22. November war er fertig und mit einer
Guillotine ausgestattet. Bereits zwei Wochen später, am 6. Dezember 1938, fand
die erste Hinrichtung einer, lt. Unterlagen, mehrfachen Giftmörderin (Karoline
Marek) statt. Doch in der Folge wurden in diesem Hinrichtungsraum bis zur
letzten Hinrichtung am 4. April 1945 in der überwiegenden Mehrheit Menschen
ermordet, die auf die eine oder andere Art Widerstand gegen das Naziregime
geleistet hatten und von der Unrechtsjustiz der Nazis in der Regel wegen
Hochverrats (§ 81) verurteilt worden waren. Nach Kriegsbeginn wurde das
Anklageszenario noch um die so genannte Wehrkraftzersetzung, Fahnenflucht u.ä.
Delikte ausgeweitet, welche die Blutjustiz als Bedrohung der Existenz
Nazideutschlands wertete.
Wegen Hochverrats wurden im LG I 1942 97 Menschen hingerichtet, 1943 226, 1944
180 und in den wenigen Wochen der Naziherrschaft 1945 noch 23.
Weil das LG I bis 1943 der Hinrichtungsort auch der Oberlandesgerichtsbezirke
von Graz und Brünn war (bis 1940 gehörte auch der Bezirk Znaim dazu), wurden
hier neben den explizit in dieser Broschüre erwähnten Tschechoslowaken auch
viele Steirer, einige Burgenländer und zahlreiche kärntnerisch-slowenische
WiderstandskämpferInnen exekutiert. Angehörige der deutschen Wehrmacht (die von
Wehrmachtsgerichten zum Tode verurteilt worden waren) wurden in Wien auf der
Schießstätte in Kagran erschossen, einige aber auch im LG I geköpft und in der
Folge in der Gruppe 40 beerdigt. Es waren wahrscheinlich mehr als 1000 Personen,
die man hier geköpft hat.4 In Kagran wurden auch die vom Obersten SS-
und Polizeigericht zum Tode Verurteilten erschossen, wie z.B. die Angehörigen
der Wiener Feuerwehr Hermann Plackholm und Johann Zak.
Da ab Ende 1942 die Blutrichter der Nazijustiz in rasendem Tempo immer mehr
Menschen zum Tode verurteilten, führte diese Überbelastung der Wiener Guillotine
zur Aufstellung einer weiteren im Grazer Landesgericht. (s. dazu den Beitrag von
Heimo Halbrainer Steirer als Opfer der Wiener Blutjustiz 1942–43.)
Zum Umgang mit den Leichen der Hingerichteten
Die Abgabe von Leichen Strafgefangener an das Anatomische Institut in Wien
war bereits vor 1938 üblich. Die Anatomen hatten in der Regel immer einen Mangel
an Leichen, die für Forschung und Lehre benötigt wurden. Das sollte sich nach
1938 recht bald ändern.
In einer Rundverfügung des Reichs-Justizministers (Nr. 4417) vom 19.2.1939 wird
auf das Prozedere der Hinrichtung eingegangen: „Hat sich der Führer und
Reichskanzler entschlossen, der Gerechtigkeit freien Lauf zu lassen, werde ich
in meinem Vollstreckungsauftrag den Scharfrichter bezeichnen, dem die
Hinrichtung obliegen soll, und das anatomische Institut angeben, dem
gegebenenfalls der Leichnam des Verurteilten zur Verfügung zu stellen ist.“
24 Stunden vor einer Hinrichtung wurde das Anatomische Institut darüber
verständigt, wie viele Leichen anfallen würden. 1938 erhielt das Anatomische
Institut in Wien 1 Leiche, 1939 13, 1940 35, 1941 62, 1942 308, 1943 487, 1944
372 und 1945 81 Leichen.
Mit den anfallenden Leichen von 1943 und 1944 waren die Kapazitäten des
Anatomischen Instituts überschritten, und die sterblichen Überreste der
Justifizierten wurden direkt nach der Hinrichtung auf den Wiener Zentralfriedhof
verbracht. Nachgewiesen sind direkte Transporte am 15.2.1943, 1.7.1943,
3.8.1944, 9.11.1944, 22.11.1944, 6.12.1944 und 10.1.1945.
Ebenso wie das Anatomische Institut wurde auch die Friedhofsverwaltung von der
Exekution unterrichtet.
„Ich nehme Bezug auf die mit der Gemeinde Wien, städtische Leichenbestattung
unter Dr. Rö/Z am 11.2.1943 getroffenen Vereinbarung und teile mit, dass
nachbenannte zum Tode Verurteilte heute hingerichtet werden. Die Leichen werden
durch die Gemeinde Wien in den Abendstunden, etwa 18 Uhr 50, von der ho.
Untersuchungsanstalt in die gesperrte Abteilung des dortigen Friedhofs überführt
und bitte ich die Beerdigung sofort durchführen zu lassen. Die Leichen sind den
Angehörigen zur Beerdigung nicht freigegeben, es darf daher außer den
Polizeibeamten an der Beerdigung niemand teilnehmen. Es handelt sich um:
Friedrich Zach, Lukas Haslauer, Dioniz Kwistkowsky, Wasilio Fedkow, Johann
Gärtner, Wilhelm Fritsch, Franz Hartl, Franz Dürauer, Rudolf Kozian, Roman
Vodinsky, Theodor Ungar, Johann Pegrisch, Karoline Redler, Maria Kolar. Das
Polizeiamt Simmering und die Geheime Staatspolizei ist von der Überführung von
hier aus in Kenntnis gesetzt worden.“ (Aus: Brief des Vorstandes der
Untersuchungshaftanstalt Wien 1 an die Verwaltung des Zentralfriedhofs;
8.11.1944.)
Wie schon erwähnt, war es die Regel, dass die Leichen der Hingerichteten für die
Bestattung durch die Angehörigen nicht freigegeben wurden, wie es im Amtsdeutsch
hieß. Das erklärt sich – neben der politischen Implikation, d. h. dem Bestreben
der Behörde, mögliche politische Willensäußerungen bei solchen Begräbnissen
hintanzuhalten – auch damit, dass die Leichen vom Anatomischen Institut
verwertet wurden. Das was dann von dort auf den Zentralfriedhof in die Gruppe 40
angeliefert wurde, waren nur mehr die Reste der (kopflosen) Leichen, deren
Zuordnung zu Namen wahrscheinlich in vielen Fällen nur mehr fiktiv war, weil oft
auch Särge mit unterschiedlichsten Leichenteilen dem Wiener Zentralfriedhof zur
Beerdigung übergeben wurden.5
Anmerkungen:
1/ Diese Erläuterungen stützen sich durchwegs auf den unter der Leitung von
Gustav Spann (IfZG Wien) erstellten Bericht über die Anatomischen Institute
Österreichs in der Zeit 1938–45, sowie auf die Materialsammlung zur Gruppe 40
des Wiener Zentralfriedhofs von Herbert Exenberger (DÖW). Im Wiener
Landesgericht wurden die meisten politisch Verfolgten hingerichtet.
ÖsterreicherInnen wurden aber auch in größerem Umfang in Berlin-Brandenburg und
in München-Stadelheim hingerichtet, ab 1943 auch im LG Graz.
2/ Siehe dazu das in Gedenken und Mahnen in Wien... abgedruckte Faksimile (S.
261). Es handelt sich dabei um die 21 am 5. Dezember 1944 hingerichteten
Personen, deren Beerdigung am 6. Dezember erfolgte. Die handschriftlichen
Zusätze der Friedhofverwaltung vermerkten bei jedem Namen die Reihe (diese
Personengruppe wurde ausschließlich in den Reihen 15 und 16 beerdigt), die
Grabnummer, sowie in römischen Ziffern die Nummer der Lagen. Es finden sich auf
Grund des späten Hinrichtungsdatums somit nur die III. und IV. Lage angegeben.
3/ Archiv der Alfred Klahr Gesellschaft.
4/ In Artikeln nach 1945 werden Zahlen zwischen 600 und 1.200 genannt (s.
Chronik, S. 29ff). Eduard Rabofsky spricht von „nachweisbar“ 1.184 Personen, an
denen im LG I die Todesstrafe vollzogen wurde. (Verborgene Wurzeln ..., S. 22.
Hier übernimmt er offensichtlich die von Ewald Sator 1947 genannte Zahl – s. S.
151). Im Grazer LG wurden ab August 1943 bis Kriegsende 89 Personen hingerichtet
(s. S. 148). Das 1946 erschienene Rot-Weiß-Rot-Buch nennt 685 im LG I
hingerichtete Personen (S. 161).
5/ Im Vorwort (S. 10, 1. Absatz) wurde auf den symbolischen Charakter der
Gedenksteine hingewiesen. Ein konkretes Beispiel, das diese Aussage stützt, sind
die 1952 in einem Zeitungsartikel (s. S. 32) erwähnten Gräber von (Leopold)
Jelinek und (Johann) Zeinzinger. Damals wurden sie mit Reihe 28, Grabnr. 115 u.
116 angegeben. In der Liste der Arbeit von Gustav Spann (Untersuchungen zur
Anatomischen Wissenschaft in Wien 1938–1945) wird die Exhumierung Jelineks im
Mai 1971 erfasst. Während bei Jelinek die Reihe, aus der er exhumiert wurde, mit
28 (also ident mir der im Artikel 1952 erwähnten) angegeben ist, findet sich bei
Zeinzinger die Reihe 27/116. Das ist auch die Reihe, in der sich heute sein
Gedenkstein befindet. Im Grab neben ihm, in dem (lt. Zeitungsartikel 1952)
Jelinek lag, findet sich heute der Gedenkstein für Anton Kellner (auch das
korrespondiert mit der Liste bei Spann). In den Gräbern Nr. 115 u. 116 in der
Reihe 28 stehen aber heute die Gedenksteine für Franz Hiebler und Anton Peterka.
Eine Überprüfung mit den durch Autopsie erfassten Gräbern (sie erhielten eigene
Plannummern) und den vorhandenen Grabnummern, die in die Biografien aufgenommen
wurden, zeigte, dass zahlreiche Steine in falschen Reihe stehen, resp. mit
angrenzenden vertauscht sind. Die größte Abweichung besteht beim Gedenksteins
für Theodor Pawlin, der jetzt in der Reihe 23 steht, dessen Grab aber in den
vorhandenen Listen eine Nummer in der Reihe 32 (Nr. 189) hat. In der Reihe 23
steht er auch auf einem Platz, der ungefähr einer Grabnummer 48 entspricht.
Ebenso müsste der daneben stehende Stein für Sergius Majel in der Reihe 21 neben
dem Stein für Leopold Leeb stehen, der die Grabnummer 21/96 hat. Unklar ist, wie
es zur Vergabe dieser Grabnummern gekommen ist, wurden doch z.B. T. Pawlin erst
im Jahr 1964 in die Gruppe 40 verlegt.
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