| | Gerhard Oberkofler: Gesammelte Studien
Vorwort
Am 3. August 2011 vollendet Univ.-Prof. Dr. Gerhard
Oberkofler sein 70. Lebensjahr. Oberkofler gehört zu jenen Proponenten,
die 1993 die Alfred Klahr Gesellschaft ins Leben riefen. Seit der Gründung
unserer Gesellschaft wirkt er ohne Unterbrechung als deren Vizepräsident.
Gerhard Oberkofler wurde in Innsbruck geboren und studierte hier Geschichte und
Kunstgeschichte. 1964 promovierte er zum Dr. phil. 1966 wurde er Assistent, 1968
Archivar und 1983 Leiter des Archivs der Universität Innsbruck. 1978 als
Universitätsdozent für Neueste österreichische Geschichte mit besonderer Berücksichtigung
der Wissenschaftsgeschichte habilitiert, wirkte er, 1983 zum außerordentlichen
Universitätsprofessor ernannt, auch im Lehrbetrieb. 2002 trat er in den
Ruhestand.
Oberkoflers wissenschaftliche Produktivität mutet nahezu unglaublich an, die
Zahl seiner Publikationen ist kaum überschaubar. Allein der Katalog der Österreichischen
Nationalbibliothek weist mehr als 100 selbstständige Veröffentlichungen aus,
darunter mehr als 40 Monographien, zuletzt Biographien über die kommunistischen
Wissenschafter Thomas Schönfeld und Georg Fuchs. Univ.-Prof. Dr. Hans Hautmann,
vormaliger Präsident der Alfred Klahr Gesellschaft, und sein Nachfolger Dr.
Walther Leeb haben in ihrer in den Mitteilungen
der Alfred Klahr Gesellschaft abgedruckten Gratulationsadresse den Jubilar
zu Recht als „den führenden österreichischen Historiker der letzten
Jahrzehnte auf dem Gebiet der Wissenschaftsgeschichte“ bezeichnet. Nicht
zuletzt vor diesem Hintergrund sind wir stolz darauf, Gerhard Oberkofler in
unseren Reihen zu wissen.
Den Mitteilungen der Alfred Klahr
Gesellschaft kam die ungewöhnliche Arbeitsdisziplin Oberkoflers besonders
zu Gute. Seit dem Jahr 1997 erschienen nur wenige Ausgaben unseres Periodikums
ohne einen Beitrag aus seiner Feder. Dass sich die Mitteilungen
der Alfred Klahr Gesellschaft von einem anfangs schmalen Mitteilungsblatt zu
einem respektablen wissenschaftlichen Periodikum entwickelt haben, ist nicht
zuletzt das Verdienst Gerhard Oberkoflers. Seine Beiträge prägten und prägen
die AKG-Mitteilungen in maßgeblicher Weise.
Die Alfred Klahr Gesellschaft nimmt den 70. Geburtstag von Gerhard Oberkofler
zum Anlass, sämtliche seiner Beiträge in den Mitteilungen
der Alfred Klahr Gesellschaft als Sammelband vorzulegen. Damit werden Aufsätze
Oberkoflers aus 14 Jahren kompakt zugänglich gemacht, gegliedert in zwei große
Themenblöcke: Die im ersten Abschnitt vereinten Studien beschäftigen sich mit
österreichischer Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftspolitik, vor allem
mit einzelnen Persönlichkeiten der österreichischen Wissenschaftsgeschichte
und damit im Zusammenhang stehenden politischen und gesellschaftlichen Aspekten.
Wie ein roter Faden zieht sich die Frage nach den Zusammenhängen des
wissenschaftlichen Lebens mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit durch sämtliche
Beiträge.
Einen besonderen Stellenwert nehmen dabei österreichische Wissenschafter ein,
die mit der Arbeiterbewegung verbunden waren (z.B. Engelbert Broda, Wilhelm
Frank, Georg Fuchs, Walter Hollitscher, Alfred Klahr, Georg Knepler, Samuel
Rapoport, Arnold Reisberg, Thomas Schönfeld und Leo Stern). Einige von ihnen
– Knepler, Rapoport, Stern und zeitweilig auch Hollitscher – setzten
aufgrund ihrer im Zuge des Kalten Krieges erfolgten Ausgrenzung aus der österreichischen
Wissenschaftslandschaft ihre Arbeiten in der DDR fort. Nur wenigen, und hier vor
allem im naturwissenschaftlichen Bereich, war eine akademische Karriere in Österreich
möglich (Broda, Schönfeld). Ein sich in vielen Studien widerspiegelnder
inhaltlicher Schwerpunkt ist das Eintreten von WissenschafterInnen für eine
Politik der Entspannung, Abrüstung und Friedenssicherung, verknüpften doch
alle hier Porträtierten ihr wissenschaftliches Engagement mit tiefem
Verantwortungsbewusstsein für den Frieden.
Eine Ausnahme von der biographischen Methode stellt der Beitrag Oberkoflers über
„Das Regierungsprojekt einer Dokumentation über den Beitrag Österreichs zu
seiner Befreiung“ dar, der die Bemühungen des offiziellen Österreichs um
eine historiographische Darstellung des Widerstandskampfes während der NS-Zeit
beleuchtet. Diese Studie bestätigt mit Heranziehung von Archivmaterialien die
1974 von Eduard Rabofsky (in der theoretischen Zeitschrift der KPÖ Weg
und Ziel) als „Zeitzeuge“ gemachten Anmerkungen über eine Methode zur
Manipulation der zeitgeschichtlichen Meinungsbildung durch HistorikerInnen und
deren Auftraggeber. Sie ist somit ein grundsätzlicher Beitrag über die
Funktion der Zeitgeschichte und wurde zuletzt im April dieses Jahres im Rahmen
einer Tagung der Diplomatischen Akademie über Felix Kreissler als Pionierarbeit
hervorgehoben.
Der zweite Abschnitt dieses Sammelbandes vereint jene Beiträge, mit denen
Oberkofler direkt in politische Auseinandersetzungen eingriff: In ihnen setzt
sich der Autor u.a. mit dem Opportunismus führender Repräsentanten der österreichischen
Sozialdemokratie oder etwa mit der unsäglichen Habsburg-Nostalgie auseinander.
In meiner eigenen mehr als zehnjährigen Tätigkeit für die Alfred Klahr
Gesellschaft habe ich Gerhard Oberkofler besonders schätzen gelernt. Sein
Ideenreichtum und seine Zuverlässigkeit machen die Zusammenarbeit mit ihm zu
einer wahren Freude. So gingen etwa das Symposium zum 90. Geburtstag von Walter
Hollitscher im Jahr 2001 („Zwischen Wiener Kreis und Marx“) oder die Tagung
„Krise des Arbeitsrechts“ zur Erinnerung an Eduard Rabofsky im Jahr 2005 auf
eine Initiative Oberkoflers zurück, der auch im Rahmen der
Vorbereitungsarbeiten führend mitwirkte. Mir ist keine Sitzung des
AKG-Vorstands in Erinnerung, in der Oberkofler nicht zahlreiche Ideen und
konkrete Vorschläge zu ihrer Umsetzung präsentierte. Auch bei
Meinungsverschiedenheiten, die im Vorstand der Alfred Klahr Gesellschaft vor
allem in den Krisenjahren 2004/2005 auftauchten, stand sein ausgeprägter Wille
zur Konstruktivität im Vordergrund.
Eduard Rabofsky ist auch – auf Wunsch des Autors hin – auf dem Umschlag
dieses Bandes zu sehen, wenngleich dem „Juristen der Arbeiterklasse“, über
den Oberkofler 1997 eine politische Biographie vorgelegt hat, in den gesammelten
Studien kein eigenständiger Beitrag gewidmet ist. Dies hat zum einen damit zu
tun, dass auf diese Weise eine einseitige Hervorhebung eines der hier porträtierten
Wissenschafter vermieden werden konnte. Zum anderen liegt diese Auswahl aber vor
allem in der tiefen Verbundenheit Oberkoflers mit Rabofsky begründet. In einem
Brief Rabofskys an den Berliner Rechtswissenschafter Hermann Klenner (abgedruckt
im Anhang der erwähnten Biographie) hat dieser über seine Zusammenarbeit mit
Gerhard Oberkofler geschrieben, dass er nicht wisse, was im Rahmen gemeinsamer
Beiträge nun konkret von ihm selbst und was von Oberkofler stamme. Gerhard
Oberkofler wiederum hat mich im Rahmen der redaktionellen Vorbereitungen dieses
Bandes darauf aufmerksam gemacht, dass er bei der Abfassung seiner
wissenschaftsgeschichtlichen Arbeiten stets an Edi Rabofsky denke.
Ich freue mich, Gerhard Oberkofler im Namen des Vorstands der Alfred Klahr
Gesellschaft mit diesem Sammelband gratulieren zu können und ihm unseren Dank für
seine Aktivitäten auszusprechen. Wir dürfen hoffen, dass auch in den kommenden
Jahrgängen der Mitteilungen der Alfred
Klahr Gesellschaft zahlreiche Beiträge aus der Feder Gerhard Oberkoflers
erscheinen werden.
Die im vorliegenden Band abgedruckten gesammelten Studien Gerhard Oberkoflers
aus den Mitteilungen der Alfred Klahr
Gesellschaft erscheinen unverändert gegenüber ihrer Erstveröffentlichung.
Ältere Beiträge wurden an die neue Rechtschreibung angepasst. Nicht berücksichtigt
wurden Rezensionen, die Oberkofler in den AKG-Mitteilungen veröffentlicht hat.
Mein abschließender Dank gilt jenen Stellen, die mit ihrer finanziellen Unterstützung
die Drucklegung dieses Bandes ermöglichten: Dem Bundesministerium für
Wissenschaft und Forschung, der Kulturabteilung der Stadt Wien und dem Rektorat
der Universität Innsbruck.
Wien, im Sommer 2011
Manfred Mugrauer
wissenschaftlicher Sekretär der Alfred Klahr Gesellschaft |