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Sonderbriefmarke für Alfred Klahr
Anlässlich des hundertsten Geburtstages des kommunistischen Theoretikers und Widerstandskämpfers ist die Alfred Klahr Gesellschaft an die Österreichische Post AG mit dem Antrag herangetreten, Alfred Klahr mit einer Sonderbriefmarke zu würdigen.
Im September 2004 jährt sich zum hundertsten Mal der Geburtstag von Alfred Klahr, der im Sommer 1944, nachdem man seine Flucht aus dem Vernichtungslager Auschwitz organisiert hatte, in Warschau durch Kugeln aus den Waffen der ihn verfolgenden SS ermordet wurde.
In den dreißiger Jahren hatte sich Klahr wissenschaftlich mit dem Thema der Herausbildung der österreichischen Nation beschäftigt. Im März- und Aprilheft der theoretischen Zeitschrift der KPÖ „Weg und Ziel“ erschien 1937 seine Artikelserie „Zur nationalen Frage in Österreich“, in der Klahr den Gedanken einer eigenständigen österreichischen Nation entwickelte und wissenschaftlich fundierte. Klahr wies nach, dass Österreich kein Teil der deutschen Nation sei, sondern vielmehr eine eigenständige nationale Entwicklung aufweisen könne. Damit im Zusammenhang unterstrich er die Bedeutung der nationalen Frage für die Erhaltung der Unabhängigkeit Österreichs, die er als „nationalen Kampf“ sah, womit er sowohl einen wichtigen Beitrag zum Widerstandskampf gegen die Besetzung Österreichs durch das nationalsozialistische Deutschland, als auch einen nicht wegzudenkenden Beitrag zur Entwicklung eines österreichischen Nationalbewusstseins leistete.
Klahr hat mit seinen damals umstrittenen und heftig diskutierten wissenschaftlichen Arbeiten Erkenntnisse vorweggenommen, die heute zu den politischen Selbstverständlichkeiten in Österreich zählen. Obwohl sich seine Auffassungen von der Eigenständigkeit der österreichischen Nation nach 1945 durchsetzten, hat das Werk Klahrs nicht die seiner historischen Bedeutung für die weitere Entwicklung Österreichs entsprechende Anerkennung gefunden. Die akademische Wissenschaft nahm sein Denken nur zaghaft und am Rande zur Kenntnis, seitens des offiziellen Österreich wurde ihm bisher jede Würdigung verweigert.
Aus Anlass seines hundertsten Geburtstages ist die Alfred Klahr Gesellschaft – einer Anregung der Linzer Zeitschrift Antifa-Info folgend – an die Österreichische Post AG, Fachabteilung „Philatelie“ mit dem Antrag herangetreten, diesen immer noch zu wenig gewürdigten und bekannten Österreicher mit jüdischen Wurzeln mit einer Sonderbriefmarke zu würdigen. Unterstützt wird das Ansuchen der Alfred Klahr Gesellschaft von namhaften Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Politik. Univ. Prof. Dr. Felix Kreissler (Universität Rouen/Frankreich) weist in seiner an die Alfred Klahr Gesellschaft gerichteten Stellungnahme darauf hin, dass seine eigene wissenschaftliche Tätigkeit nach Kriegsende „im Wesentlichen auf den Anregungen aufbaute“, die er von Klahr, den er 1940 in Toulouse kennenlernen konnte, empfangen hat und stellt sein in Rouen gegründetes „Österreichisches Studien- und Forschungszentrum“ in diesen inhaltlichen Kontext, womit Alfred Klahr nicht zuletzt auch „an der Internationalisierung der österreichischen Problematik einen wesentlichen Anteil“ habe, so Kreissler.
Unterstützung signalisierte auch Univ. Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer, wissenschaftlicher Leiter des Dokumentationsarchives des österreichischen Widerstandes, der im Namen des DÖW die Herausgabe einer Sonderbriefmarke „als sachlich gerechtfertigt und angemessene Auszeichnung für eine bedeutende Persönlichkeit der österreichischen Geschichte“ befürwortete und Klahrs „originären und grundlegenden Beitrag zur theoretischen Fundierung des österreichisches Nationsbegriffs“ hervorhebt. Univ. Prof. Dr. Erika Weinzierl betont, dass sich Klahr „als weitgehend vergessener österreichischer Patriot und Widerstandskämpfer dieses Zeichen der Erinnerung mehr als verdient“ habe. In diesem Sinne äußerten sich auch die Universitätsprofessoren Dr. Ernst Bruckmüller (Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Uni Wien) und Dr. Wolfgang Häusler (Institut für Österreichische Geschichtsforschung der Uni Wien). Häusler verweist dabei auf die „Herausforderungen, die sich für Österreich aus der Neugestaltung Europas und den Tendenzen der Globalisierung ergeben“, wobei in diesem Zusammenhang „die von Klahr eingeleitete Diskussion über das Verhältnis von Nation, Politik und Kultur wieder aufgegriffen und intensiviert werden sollte“. Dr. Konstantin Kaiser, Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Exilforschung, hebt die Bedeutung von Klahrs Schriften für das Eintreten der Exilierten für die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich hervor.
Auf großes Interesse stieß die Initiative der Alfred Klahr Gesellschaft auch beim Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs, Hon. Prof. Dr. Lorenz Mikoletzky. Das Andenken an Alfred Klahr sei „durch derartige Erinnerungen wie durch eine Marke in breitesten Bevölkerungskreisen unbedingt so fest als möglich zu verankern“, so Mikoletzy, der auch darauf hinweist, dass sich in den letzten Jahrzehnten ohnehin nicht viele Briefmarken der „Widerstandsthematik“ annahmen. Zuletzt langte bei der Alfred Klahr Gesellschaft auch aus dem Büro des Bürgermeisters der Stadt Wien, Michael Häupl, eine Mitteilung über die Unterstützung des Vorhabens der Alfred Klahr Gesellschaft ein.
Nach einer Information der Fachabteilung „Philatelie“ wird diese ihre Entscheidung über die Ausgabe einer Sonderbriefmarke für Alfred Klahr nach Vorliegen sämtlicher für das Jahr 2004 gestellter Markenanträge im Sommer 2003 treffen.
Manfred Mugrauer
Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 2/2003 |