| |
Hans Hautmann: Spanien 1936
Der spanische Bürgerkrieg, dessen Ausbruch sich heuer zum siebzigsten Mal
jährt, war ein Ereignis von internationaler Bedeutung, ein entscheidendes Glied
in der Kette der großen Auseinandersetzung zwischen Demokratie und Faschismus im
Vorfeld des Zweiten Weltkrieges. Neben der österreichischen war die spanische
Arbeiterbewegung die einzige in Europa, die der Machtübernahme durch Faschisten
mit der Waffe in der Hand Einhalt zu gebieten suchte. Alle wesentlichen Fragen
des antifaschistischen Kampfes, der Einheitsfront und Volksfront zur Erhaltung
und zum Ausbau der demokratischen Errungenschaften kamen im spanischen
Bürgerkrieg in geradezu klassischer Weise zum Ausdruck. Gleichzeitig hatte der
national-revolutionäre Krieg des spanischen Volkes Besonderheiten, die in seiner
Geschichte, seiner sozialen und politischen Entwicklung im 19. und in den ersten
Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurzeln.
Besonderheiten
Welche Besonderheiten waren das?
1) Der verzögerte, regional sehr ungleichmäßige und ungleichzeitig verlaufene
Industrialisierungsprozess im Land, was zur Folge hatte, dass sich eine
Arbeiterklasse erst relativ spät herausbildete und diese Arbeiterklasse in
vieler Hinsicht inhomogen war.
2) Die sich hartnäckig behauptenden feudalen, vorindustriellen Strukturen im
Agrarbereich. In Spanien hatte eine Zerschlagung des Feudalsystems, eine
Bauernbefreiung und Bodenreform, wie sie in den meisten europäischen Ländern im
Verlauf der bürgerlichen Revolution durchgesetzt werden konnte, nicht
stattgefunden. Die überwiegende Mehrheit des spanischen Volkes lebte auf dem
Lande unter oligarchischen und äußerst rückständigen Bedingungen. In Nord- und
Mittelspanien dominierten Klein- und Kleinstbauern, in Südspanien die Lohnarbeit
von Landarbeitern auf den Latifundien des Großgrundbesitzes. Noch im Jahr 1931
waren zwei Millionen Landarbeiter ohne Bodenbesitz, während 50.000
Großgrundbesitzer über die Hälfte des Bodens Spaniens verfügten. Der
durchschnittliche Hektarertrag in der Landwirtschaft war der niedrigste in ganz
Europa.
3) Die verspätete Industrialisierung und die Dominanz einer vorkapitalistischen
Agrarwirtschaft bewirkten, dass in Spanien die einfache Warenproduktion
vorherrschte. Das war eine der Ursachen dafür, dass der Anarchismus in Spanien
eine beträchtliche Anhängerschaft besaß, auch unter der Arbeiterschaft. Als
überall schon der Anarchismus nach dem Ersten Weltkrieg seine einstige Bedeutung
verloren hatte – in Italien, in Frankreich und in der Schweiz – blieb er in
Spanien stark. Dieser Faktor sollte im Bürgerkrieg eine nicht unwesentliche
Rolle spielen.
4) Der ausgeprägte Zentralismus des spanischen Staatsapparats, dessen Strukturen
noch aus der Zeit Spaniens als Weltmacht im 16. Jahrhundert stammten. Er stand
in permanentem Gegensatz zu den Autonomiebestrebungen der Basken1,
Katalanen2 und Galicier.3 Das hatte vor 1936 und während
des Bürgerkrieges auf die inneren Auseinandersetzungen große Auswirkungen.
5) Die überaus starke Position der katholischen Kirche und ihrer Hierarchie, die
Symbiose zwischen Kirche und Staat, das Ausbleiben einer verfassungsrechtlich
verankerten Trennung von Kirche und Staat. Der Klerus bildete mit der
Aristokratie und dem Großgrundbesitz ein Bollwerk gegen jegliche, auch noch so
zaghafte Versuche liberal-demokratischer Reformen. Die starre reaktionäre
Einstellung der spanischen Kirche, die sich einer vom spanischen Volk
unvergessenen Tradition wie der Inquisition „rühmen“ konnte, rief bei einigen
Teilen der Bevölkerung eine scharf und radikal ausgeprägte antiklerikale Haltung
hervor.
6) Der ungewöhnlich große Einfluss des Militärs auf die spanische Innenpolitik.
Die Armee und die Generalität hatten, eben durch die zurückgebliebene
wirtschaftliche und soziale Entwicklung, ein besonderes politisches Gewicht
derart, dass sich die zivile gegenüber der militärischen Gewalt nicht oder nur
sehr mühsam Geltung verschaffen konnte. Schon im 19. Jahrhundert waren die
Offizierskasinos Zentren politischer Entscheidungen, Ausgangspunkte von
Verschwörungen und Staatsstreichen.
Die Geschichte Spaniens im Jahrhundert vor dem Bürgerkrieg war also im
Wesentlichen die Geschichte eines ständigen Kampfes zwischen Reaktion und
Fortschritt, zwischen Diktatur und Demokratie.
Historische Etappen
In der Entwicklung Spaniens nach dem Ersten Weltkrieg lassen sich drei große
Etappen unterscheiden:
1) Die revolutionäre Nachkriegskrise zwischen 1918 und 1923.
2) Die Ära der Diktatur des Generals Primo de Rivera in den Jahren 1923 bis
1930.
3) Die Zeit des Sturzes der Monarchie und der Errichtung der Zweiten Republik in
den Jahren 1930 bis 1936.
Spanien war im Ersten Weltkrieg neutral geblieben. Gruppen der herrschenden
Klassen sympathisierten mit Deutschland und gewährten ihm insgeheim
Flottenstützpunkte. Durch Erz- und Lebensmittellieferungen an beide
kriegführenden Mächtegruppierungen kam es zu einer zeitweiligen Konjunktur der
spanischen Wirtschaft, die aber 1917 abrupt abbrach. Durch die wirtschaftlichen
und sozialen Folgen des nachlassenden Kriegsbooms und unter dem Einfluss der
russischen Revolution nahm 1918/19 die Arbeiter- und Bauernbewegung einen großen
Aufschwung, der in Verbindung mit den Autonomiebestrebungen der nationalen
Minderheiten (4 Millionen Katalanen, 800.000 Basken) in bewaffneten Erhebungen
gipfelte. 1920 gründeten Mitglieder des Sozialistischen Jugendverbandes die
Kommunistische Partei. Die revolutionäre Volksbewegung schwoll im Zusammenhang
mit der erfolglosen Kolonialexpansion in Nordafrika (Niederlagen gegen die
Republik der Rifkabylen unter Abd al-Krim 1921) weiter an.
Angesichts der wachsenden Bewegung der Arbeiter und Bauern (bei weiterhin stark
anarchistischem Einfluss, besonders in Katalonien), der zunehmenden Stärke
republikanischer Strömungen und des Zerfalls der alten politischen Parteien
reichten die parlamentarischen Mittel nicht mehr aus, um den Bestand des
monarchischen Regimes zu garantieren. Im Einverständnis mit König Alfons XIII.
errichtete General Primo de Rivera am 13. September 1923 eine Militärdiktatur.
Aber weder durch innenpolitische Repression (Verbot aller Parteien, Erfassung
der Arbeiter in „Korporationen“, staatlich gelenkten Zwangsgewerkschaften) noch
durch forcierte Kolonialabenteuer (1925/26 spanisch-französische Offensive gegen
die Rifrepublik Abd al-Krims) konnte sich die Diktatur endgültig stabilisieren.
Eine demokratische Massenbewegung in den Jahren der Weltwirtschaftskrise erzwang
am 28. Jänner 1930 den Rücktritt Primo de Riveras.
Der Zusammenbruch der Militärdiktatur kündigte auch den Sturz der Monarchie an.
Nach dem Sieg der Republikaner bei den Munizipal(Gemeinde)wahlen am 12. April
1931 wurde am 14. April 1931 die Zweite Republik proklamiert, und König Alfons
XIII. floh am Tag danach aus Spanien. Diese Ereignisse bildeten den Auftakt zu
einer bürgerlich-demokratischen Revolution, die vorerst aber nur begrenzte
Reformen brachte (Teilautonomie für Katalonien, bis 1933 Verteilung von nur
74.000 Hektar Land) und vor dem Widerstand der konservativen Kräfte zurückwich.
Die an der Macht befindlichen bürgerlichen Republikaner verloren dadurch rasch
die Basis im Volk. Die zeitweilige Schwächung und Desorientierung der
republikanischen Kräfte ermöglichte am 19. November 1933 den Wahlsieg der in der
katholischen „Spanischen Konföderation der Autonomen Rechten“ unter Führung von
Gil Robles organisierten monarchistischen Kräfte.
Gegen die Politik der Regierung Robles, die die wenigen Errungenschaften der
Revolution zu beseitigen drohte, entfaltete sich erneut eine proletarische und
demokratische Massenbewegung. Zu deren Höhepunkten zählten der große
Solidaritätsstreik der spanischen ArbeiterInnen für die Februarkämpfer in
Österreich, der Generalstreik vom 5. Oktober 1934, die Ausrufung einer
unabhängigen Republik Katalonien und der Aufstand der Bergarbeiter von Asturien.
Alle diese Aktionen wurden niedergeschlagen, meistenteils blutig wie in Asturien,
wo es im Oktober 1934 Tausende Tote gab und 30.000 Arbeiter verhaftet wurden.
Hier hat sich General Franco erstmals hervorgetan.
Der Sieg der Volksfront
Das entscheidende Ereignis im Vorfeld des Bürgerkrieges waren die
Cortes(Parlaments)wahlen vom 16. Februar 1936. Sie endeten mit einem großen Sieg
der Volksfrontparteien (Sozialistische Partei, Kommunistische Partei,
bürgerliche Linksrepublikaner, katalanische Linke). Die neue Cortes setzte sich
aus 277 Abgeordneten der Volksfront, 132 der Rechten und 32 der Mitte zusammen.
Die stärkste Fraktion der Volksfrontparteien stellten mit 90 Abgeordneten die
Sozialisten; ihnen folgten mit 86 Abgeordneten die bürgerlichen
Linksrepublikaner der CEDA; den Rest bildeten Gruppen wie die katalanische Linke
und die anarcho-syndikalistische UGT. Die Kommunisten zogen mit 16 Abgeordneten
in das Parlament ein.
Die neue Volksfrontregierung garantierte auf der Grundlage der Verfassung von
1931 die Wiederherstellung der Autonomie Kataloniens und begann mit der
Verwirklichung bürgerlich-demokratischer Reformen (Amnestie der politischen
Gefangenen, Trennung von Kirche und Staat nebst weiteren antiklerikalen
Gesetzen, Landverteilung an 100.000 Bauern, Sozialgesetzgebung, Bildungsreform,
Frauenwahlrecht), ohne jedoch die sozialen und politischen Stützen des alten
Regimes konsequent zu bekämpfen.
Aber schon das genügte den Generalen, Großgrundbesitzern, der Finanzoligarchie
und dem höheren Klerus, einen Feldzug gegen die spanische Demokratie zu eröffnen
mit dem Ziel, die Volksfront zu zerschlagen. Dabei fanden sie internationale
Hilfe, verdeckt seitens des britischen, französischen, amerikanischen,
belgischen und Schweizer Finanzkapitals, offen durch die faschistischen Mächte
Deutschland und Italien. Bereits am 12. März 1936 wurde in Berlin von Hitler und
Göring dem spanischen General José Sanjurjo volle Unterstützung bei der
Verschwörung gegen die Volksfrontregierung zugesagt und von Stunde an
verwirklicht. An Stelle des bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen
Generals Sanjurjo wurden dann die Generale Mola und Franco mit der Leitung des
Militärputsches beauftragt, der am 17. Juli 1936 in Spanisch-Marokko und am 18.
Juli in Spanien begann und sofort von Italien und Deutschland mit Kriegsmaterial
in großem Umfang unterstützt wurde. Dadurch kam es zur Auslösung des
national-revolutionären Krieges des spanischen Volkes, der sich sowohl gegen die
faschistisch-monarchistischen Putschisten im Innern als auch gegen die
Intervention Mussolini-Italiens und Hitler-Deutschlands richtete.
Der Beginn des Bürgerkriegs
In der Anfangsphase drohte den Putschisten die Niederlage. Die Revolten in
Madrid, Barcelona und vielen anderen Städten wurden in kurzer Zeit
niedergeworfen. Innerhalb weniger Tage befanden sich drei Viertel des Landes
fest in der Hand der Volksfront. Franco gelang es lediglich, in der Provinz
Sevilla-Cadiz, in Alt-Kastilien, Navarra sowie in Galicien und einem Teil
Aragoniens Fuß zu fassen. Mit enormen Kräften – Mannschaften und Offizieren,
Waffen aller Art, Flugzeugen und Kriegsschiffen – kamen Italien und Deutschland
Franco zu Hilfe. Am 27. Juli 1936 begannen deutsche Flugzeuge mit dem Transport
der konterrevolutionären spanischen Truppen (rund 15.000 Mann) und des
Kriegsmaterials (300 Tonnen) von Marokko nach Spanien. Am Höhepunkt der
Intervention kämpften ca. 330.000 italienische und 16.000 deutsche Soldaten,
ausgerüstet mit modernsten Waffen, auf Seiten der spanischen Reaktion.
Der deutsche und der italienische Faschismus waren politisch an der Zerschlagung
der spanischen Volksfront interessiert, weil von ihr ein revolutionierender
Einfluss auf Europa auszugehend drohte. Sie brauchten ein faschistisches Spanien
als zuverlässigen Verbündeten gegen die Volksfront in Frankreich, die seit 1936
unter dem Sozialdemokraten Léon Blum bestand. Die Intervention diente ferner der
Erprobung neu entwickelter Waffen, der Ausbildung der Kader der deutschen wie
italienischen Streitkräfte und dem Test neuer Formen der taktischen
Kriegführung. Spanien wurde so zum Vorfeld des Zweiten Weltkrieges.
Franco kamen in direkter und offener Form aber nicht nur Deutschland und Italien
zu Hilfe. Indirekt wurde er auch durch die so genannte
„Nichteinmischungspolitik“ Frankreichs, Großbritanniens und anderer Staaten
unterstützt, die Ausdruck der Sympathie des weltweiten imperialistischen
Großkapitals für ihn und seine Ziele war.
„Nichteinmischung“
Nun ist Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates einer
der wichtigsten Grundpfeiler völkerrechtlicher Prinzipien. Ein Beispiel aber,
wie einer Intervention durch „Nichteinmischung“ Vorschub geleistet werden kann,
war die Politik der Westmächte im Nichteinmischungsausschuss während des
spanischen Bürgerkrieges.
Am 9. September 1936 wurde ein internationales Nichteinmischungskomitee mit Sitz
in London gebildet, dem 27 Staaten angehörten, darunter Frankreich,
Großbritannien, die UdSSR und auch die faschistischen Staaten Deutschland und
Italien. Aufgabe des Komitees sollte es sein, dafür zu sorgen, dass sich keine
ausländische Macht in die Angelegenheiten Spaniens einmischt. Die Sowjetunion
war dem Komitee mit dem Motiv beigetreten, die bereits umfangreiche Intervention
Hitler-Deutschlands und Mussolini-Italiens vor der Weltöffentlichkeit
aufzudecken und zu sichern, dass durch tatsächliche Neutralität aller Mächte der
rechtmäßigen Volksfrontregierung in Spanien die Möglichkeit zum schnellen und
vollen Sieg über die Franco-Putschisten gegeben wurde.
Die Vertreter der Westmächte im Nichteinmischungskomitee, darunter auch die in
Frankreich seit 5. Juni 1936 amtierende Volksfrontregierung unter Léon Blum,
verfolgten hingegen andere Ziele, die an den Taten zu erkennen waren. Frankreich
und Großbritannien beschlagnahmten die bei ihnen deponierten Goldbestände der
rechtmäßigen spanischen Regierung, entzogen ihr die Möglichkeit, Waffen zu
kaufen und Kredite zu erhalten, verboten jegliche Ausfuhr und Transitlieferungen
von Kriegsmaterial einschließlich Flugzeugen in die spanische Republik und
ebenso die Ausreise von Freiwilligen, die sich in die internationalen Brigaden
einreihen wollten. Obwohl die USA formell dem Nichteinmischungskomitee nicht
angehörten, betrieben sie mit ihrer so genannten Politik der Neutralität ebenso
die Abwürgung des republikanischen Spanien. Die USA versagten der
Volksfrontregierung Waffenkäufe und verboten gleichfalls die Ausreise von
Freiwilligen. De facto entpuppte sich also die „Nichteinmischung“ der Westmächte
als eine Politik der Nichteinmischung in die Intervention Deutschlands und
Italiens in Spanien; sie war eine der Erscheinungsformen der „Appeasement“-Politik
gegenüber Hitler und Mussolini.
Internationale Hilfe
Als das offenkundig wurde, erklärte die Regierung der UdSSR am 23. Oktober
1936, dass sie sich nicht mehr an die Vereinbarungen über die Nichteinmischung
gebunden fühle. Diese Entscheidung war für die Verteidigung der spanischen
Republik von großer Bedeutung, stellte doch die Sowjetunion Spanien einen Kredit
von 85 Millionen Rubel zur Verfügung und schickte Schiffe mit Lebensmitteln,
Medikamenten, Waffen, Flugzeugen und militärischen Beratern. Insgesamt kamen
2500 sowjetische Freiwillige nach Spanien, in der Hauptsache Piloten,
Panzerbesatzungen und Stabsoffiziere. Ein weiterer Staat, der die
verfassungsmäßige spanische Regierung offiziell unterstützte, war Mexiko.
Am 6. November 1936 begannen die Franco-Truppen eine Offensive gegen Madrid. Die
spanische Hauptstadt sollte von vier Kolonnen und einer „Fünften Kolonne“ –
faschistischen Anhängern und Saboteuren im republikanischen Hinterland – und
unterstützt durch Bombardierungen der Zivilbevölkerung blitzartig erobert
werden. Aber Madrid, dessen Stadtrand von den Angreifern bereits erreicht war,
leistete erbitterten Widerstand unter der Losung „No pasaran!“ („Sie kommen
nicht durch!“). Am 8. November 1936 zogen die ersten Interbrigadisten in Madrid
ein und nahmen, unterstützt von den aus der Sowjetunion gelieferten
Jagdflugzeugen, an der erfolgreichen Verteidigung Madrids teil. In der Folgezeit
wuchsen die Freiwilligen aus allen Teilen der Welt auf ca. 36.000 an, darunter
1390 aus Österreich, Kommunisten, Sozialisten, ehemalige kämpfende Schutzbündler
und antifaschistisch Gesinnte, die sich unter oft abenteuerlichen Umständen nach
Spanien durchschlugen, um der Volksfrontregierung beizustehen. Sie verkörperten
das, was man unter gelebtem Internationalismus zu verstehen hat.
Einem Aufruf der Kommunistischen Partei Spaniens vom 18. Dezember 1936 folgend,
wurde von der republikanischen Regierung die allgemeine Wehrpflicht eingeführt
und mit der Bildung einer regulären Armee unter einem einheitlichen Kommando
begonnen. Im Februar 1937 brachte die neue spanische Volksarmee die
faschistische Offensive am Jaramafluss zum Stehen und versetzte danach den
Franco-Truppen und Interventen in offensiven Kämpfen schwere Schläge. Im März
1937 erlitt das italienische faschistische Korps in der Schlacht von Guadalajara
eine schwere Niederlage.
Radikale Maßnahmen
Die Erfolge an den Fronten waren in erster Linie der Radikalisierung der
bürgerlich-demokratischen Umwälzung unter den Kabinetten Largo Caballero und
Negrin geschuldet. Auf dem Lande entstanden Agrargenossenschaften; der Grund und
Boden von Feinden der Republik wurde enteignet; es kam zur Schaffung einer
staatlich gelenkten Industrie und zur Arbeiterkontrolle in den Betrieben; der
Klerus wurde entmachtet; die Lösung der nationalen Frage wurde vorangetrieben
(weitgehende Autonomie für Katalonien und das Baskenland). Der Übergang zu einer
Revolution volksdemokratischen Typs setzte ein.
Hitler und Goebbels, wohl wissend, was trotz aller Gegensätze zwischen ihnen und
den Kapitalisten sonst wo auf der Welt die gemeinsame Grundlage bildete –
nämlich der Antikommunismus – schossen gegen die Maßnahmen der spanischen
Volksfrontregierung aus vollen Rohren und stellten sie als Bedrohung von
Christentum, Konservativismus, Nationalismus und abendländischer Zivilisation
durch den „gottlosen Bolschewismus“ hin. Gegenüber den „Beschwichtigungsmächten“
Großbritannien und Frankreich strichen sie hervor, dass die Sowjetunion nun in
Spanien daran gehe, jenseits ihrer Grenzen Fuß zu fassen und nur ein
nationalsozialistisches Deutschland imstande sei, als Bastion Europas gegen die
sowjetische Aggressivität zu fungieren.
Trotz barbarischer Kriegführung mit Bombenangriffen auf schutzlose Städte, z.B.
auf Guernica am 26. April 1937 durch Hitlers „Legion Condor“, konnte der
Kampfeswillen des spanischen Volkes nicht gebrochen werden. Auch in den
folgenden großen Schlachten bei Brunete (Juli 1937), in Aragon (Ende August bis
Anfang Dezember 1937) und bei Teruel (Mitte Dezember 1937 bis Anfang März 1938)
erreichten Franco und seine Verbündeten ihre Ziele nicht.
Die Lage der Republik verschlechterte sich erst, als die Faschisten dank der
gewaltigen Waffenüberlegenheit, die sie, begünstigt durch die
Nichteinmischungspolitik der Westmächte, erlangten, am 15. April 1938 ans
Mittelmeer vorstoßen konnten und dadurch das Territorium der Republik in einen
nördlichen (Katalonien) und einen südlichen Abschnitt (Provinzen Madrid,
Valencia, Alicante, Murcia, Albacete) zerschnitten.
Die letzte große Schlacht begann im Juli 1938 am Ebro. Innerhalb weniger Tage
rang die Volksarmee den Franco-Truppen 600 Quadratkilometer Territorium ab. In
einer Gegenoffensive von über zwei Monaten gelang es den Faschisten dank ihrer
Waffenüberlegenheit (15:1 bei schweren Geschützen, 10:1 bei leichten Geschützen,
15:1 bei Bombenflugzeugen und 10:1 bei Jagdflugzeugen), die verlorenen
Positionen am Ebro wieder zu besetzen.
Ende und Ausblick
Damit neigte sich der spanische Bürgerkrieg seinem Ende zu. Im September 1938
wurden die internationalen Brigaden von den Fronten zurückgezogen. Die
republikanische Regierung Negrin folgte damit einem Beschluss des Völkerbundes,
der den Abzug aller ausländischen Soldasten und Offiziere aus Spanien forderte –
in der irrigen Hoffnung, dass daraufhin auch die faschistischen Mächte ihre
Intervention einstellen würden.
Am 26. Jänner 1939 fiel Barcelona, am 28. März 1939 marschierten Francos Truppen
in Madrid ein. Damit endete der spanische Bürgerkrieg mit einem faschistischen
Sieg. Bereits am 27. Februar 1939 hatten Frankreich und Großbritannien die
diplomatischen Beziehungen zur rechtmäßigen Regierung Spaniens abgebrochen und
die Regierung Franco anerkannt. Das Nichteinmischungskomitee in London löste
sich im Frühjahr 1939 auf. Die Anerkennung Francos durch die USA erfolgte am 1.
April 1939.
Der Krieg in Spanien forderte 500.000 bis 600.000 Tote, darunter 300.000 bis
400.000 vom Franco-Regime zwischen 1936 und 1944 ermordete republikanische
Gegner. An die 1,5 Millionen Menschen wurden verhaftet und in Gefängnisse
geworfen. Spanien erlebte unter Franco einen brutalen Terror wie nie zuvor in
seiner Geschichte, nur vergleichbar mit der Zeit der Inquisition mit ihren
Autodafés. Es hinterblieb ein psychisches Trauma in der spanischen Gesellschaft,
das bis heute anhält und dessen Symptome der Schriftsteller Erich Hackl in einem
jüngst veröffentlichten Artikel eindringlich dargestellt hat.4
Franco-Spanien, das sich zwar am Zweiten Weltkrieg nicht beteiligte,
Hitlerdeutschland aber in anderer Weise half (Stützpunkte für die deutschen
U-Boote, Entsendung der „Blauen Division“ beim Feldzug gegen die Sowjetunion),
war neben Salazar-Portugal das einzige faschistische Regime in Europa, das das
Jahr 1945 unbeschadet überstand. Die heimliche Unterstützung, das es seitens des
westlichen Großkapitals seit jeher gefunden hatte, setzte sich nach dem Ende des
Zweiten Weltkrieges offen fort, diesmal unter US-amerikanischer Ägide. Erst nach
Francos Tod im November 1975 kam es in Spanien zu einer Rückkehr zur
bürgerlichen Demokratie.
Der Kampf des spanischen Volkes in den Jahren 1936 bis 1939 war nicht vergebens,
wie überhaupt der Kampf gegen den Faschismus niemals vergebens sein kann. Die
internationale Arbeiterbewegung und alle demokratischen Kräfte lernten daraus,
wie man sich besser für den antifaschistischen Kampf rüsten kann. Die
Solidaritätsaktionen der Völker für die spanische Republik trugen dazu bei, die
spätere Anti-Hitler-Koalition vorzubereiten und damit den Weg zum Sieg über den
Faschismus im Zweiten Weltkrieg zu ebnen.
Gering veränderter Auszug aus dem Lehrveranstaltungszyklus „Geschichte
Europas im Zeitalter der Weltkriege 1914 bis 1945“, den der Autor über mehrere
Jahre an der Universität Linz gehalten hat.
Anmerkungen:
1/ Baskisch ist eine Sprache, die mit keiner anderen in Europa verwandt ist
und nicht zur Gruppe der indogermanischen Sprachen zählt. Vermutlich sind die
Basken Nachfahren der iberischen Urbevölkerung.
2/ Die Sprache der Katalanen ist eine Mischform aus spanisch und einem
französischen Dialekt, dem Provencalischen. Sie wird in Katalonien mit seiner
Hauptstadt Barcelona und auf den balearischen Inseln gesprochen. Katalonien war
und ist das am meisten industrialisierte und wirtschaftsstärkste Gebiet
Spaniens.
3/ Die Galicier in Nordwestspanien sind mit den Portugiesen sprachlich verwandt.
4/ Erich Hackl, In einem und im andern Land, in: Die Presse, Spectrum, 10. März
2006, S. I bis III.
Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 1/2006
|