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Lisa Rettl: Kampf um die Erinnerung – Partisanendenkmäler
und antifaschistisches Gedächtnis in Kärnten
Die geschichtskulturellen Verarbeitungsformen Kärntens zum
Nationalsozialismus stehen im österreichischen Vergleich zweifelsohne unter
besonderen Vorzeichen. Darauf verweisen nicht zuletzt prominente Stimmen des In-
und Auslandes, die seit langem argwöhnen, dass im Kärntner Umfeld „in krasser
Form Verdrängung und Verfälschung der Geschichte präsent sind.“1 Das
ausgerufene Jubiläumsjahr 2005 bietet daher auch einen geeigneten Anlass, sich
mit Fragestellungen zu antifaschistischen Gedächtnisbildungen und
Erinnerungszeichen in diesem Land zu beschäftigen. Tatsächlich machen in Kärnten
den größten Teil an antifaschistischen Erinnerungszeichen Partisanendenkmäler
aus – sie sind daher auch das zentrale Thema dieses Referats, wohingegen die
(wenigen) anderen Orte antifaschistischer Gedächtnistraditionen, etwa das
Mahnmal am Annbichler Friedhof in Klagenfurt oder das „Denkmal der Namen“ in
Villach aufgrund des knappen zeitlichen Rahmens hier unberücksichtigt bleiben.
In den Kulturwissenschaften ist die Beschäftigung mit Denkmälern in einen
Forschungskontext eingeordnet, der u.a. unter dem Schlagwort Erinnerungskultur
subsumierbar ist und sich in den letzten 20 Jahren als sehr interdisziplinäres
und mittlerweile äußerst komplexes Forschungsfeld etabliert hat. Dabei hat sich
vor allem eine Erkenntnis als wesentliche Prämisse durchgesetzt, nämlich dass
die Art und Weise der Auseinandersetzung mit dem Holocaust zu einem Gradmesser
für die zivilisatorische, psycho-soziale und demokratiepolitische Verfasstheit
einer Gesellschaft zu sehen ist. „Kultur“, so formulierte es Gerd Theissen, sei
letztlich daran zu messen, „wie sie mit dem Gedächtnis der politischen und
moralischen Katastrophen in der ersten Hälfte“ des 20. Jahrhunderts umgeht.2
Zu den wesentlichsten Voraussetzungen für die Existenz von Partisanendenkmälern
gehört zunächst, dass Kärnten das einzige Gebiet der ehemaligen Ostmark
darstellt, wo es einen bewaffneten Widerstand im Rahmen eines militärischen
Organisationsnetzes, der slowenischen Befreiungsfront (Osvobodilna fronta, OF),
gab. Die zweite Besonderheit ist, dass dieser bewaffnete antifaschistische Kampf
in erster Linie von Kärntner SlowenInnen, also der im Land lebenden Minderheit,
getragen wurde, wohingegen sich deutschsprachige KärntnerInnen in nur sehr
geringem Ausmaß am Widerstand beteiligten.
Daher gehört zu den signifikantesten Merkmalen der antifaschistischen
Gedenktradition in Kärnten, dass diese nicht nur, wie andernorts in Österreich,
von einer numerischen Minderheit getragen wird, sondern gleichzeitig auch von
einer ethnischen, die während des Nationalsozialismus schwere Verfolgungen zu
erleiden hatte. Dadurch, dass das Widerstandsgedächtnis in Kärnten stark von
einer ethnischen Dimension geprägt ist, spielen Partisanendenkmäler eine
zentrale Rolle auch bei den konfliktreichen Auseinandersetzungen zwischen
deutschsprechender Mehrheit und slowenisch- bzw. zweisprachiger Minderheit.
Dabei, auch dies ist als Besonderheit zu werten, setzten die Konflikte nicht
erst seit Ende der 1980er Jahre ein, wo auch auf gesamtösterreichischer Ebene
eine verstärkte Auseinandersetzung um Denkmalserrichtungen zu verzeichnen ist,
sondern tatsächlich handelt es sich um ein Phänomen, das seit der unmittelbaren
Nachkriegszeit bis heute immer wieder die Kärntner Öffentlichkeit beschäftigt.
Wenn man nun davon ausgeht, dass Denkmäler im allgemeinen bereits eine
symbolische Hierarchie von Normen und Werten implizieren, so kann Kärntens
Denkmallandschaft auch als Spiegelbild realer politischer Machtverhältnisse
zwischen Mehrheit und Minderheit gelesen werden.
Für die dominanteste Trägergruppe des antifaschistischen Gedächtnisses, das sind
die ehemaligen PartisanInnen und im weiteren Sinn die Kärntner SlowenInnen, ist
die Geschichte von Widerstand und Verfolgung ebenso wie die Erinnerung daran ein
entscheidendes und kollektiv geteiltes Identitätselement. Gedenkfeiern sind
daher seit langem fixer Bestandteil des kulturellen Lebens der Volksgruppe.3
Mit diesem Kampf, so hat es Karel Prušnik, hochrangiger Partisan und späterer
Funktionär der OF bzw. des 1948 gegründeten Partisanenverbandes4,
einmal formuliert, haben „wir aufgehört, Sklaven zu sein“5, auf Basis
dieses Widerstandes gründete die Aufnahme des berühmten Artikels 7 im
österreichischen Staatsvertrag, also der entscheidenden politischen Grundlage
für den Schutz und die Rechte der slowenischen und kroatischen Minderheit in
Österreich.
In diesem Sinn fungiert die Erinnerung an Widerstand und Verfolgung vor und mit
Denkmälern für die Kärntner SlowenInnen in doppeltem Sinn: Einerseits zur
Stärkung der Eigengruppe, die mittels einer gemeinsamen Vergangenheit auch ihre
Besonderheit und Identität als Gruppe schöpft und sich in diesem Bewusstsein
auch einem starken Assimilationsdruck entgegenstellt. Und andererseits als
Zeichen nach außen, mit dem öffentlich Anspruch auf Erinnerungs- und
Geschichtswürdigkeit gestellt wird und mit dem gleichzeitig politische
Interessen der jeweiligen Gegenwarten artikuliert werden – im konkreten Fall
etwa die nicht oder nur teilweise realisierten Minderheitenrechte, die durch den
österreichischen Staatsvertrag verfassungsmäßig garantiert sind.
Dabei ist festzustellen, dass im österreichischen Staatsvertrag keineswegs nur
„realpolitische“ Rechte (Stichwort: Schulwesen, Amtssprache, topographische
Aufschriften etc.) verankert sind, sondern im übertragenen Sinn auch das Recht
auf Erinnerung, das zwar nicht als spezielles Minderheitenrecht gedacht war6,
jedoch das Gedenken der Minderheit in spezifischen Ausmaß betrifft. Konkret geht
es um Artikel 19 des österreichischen Staatsvertrages, wonach Österreich
verpflichtet ist, alle Gräber, Embleme, und Denkmäler zu achten schützen und zu
erhalten, die dem Ruhm jener gewidmet sind, die auf österreichischem
Staatsgebiet gegen Hitler-Deutschland gekämpft hatten.7
Das Recht auf Erinnerung vor und mit Partisanendenkmälern ist demnach auch
verfassungsrechtlich garantiertes, und geltendes österreichisches Recht für die
slowenische Minderheit in Kärnten.
Wirft man einen Blick auf den in Kärnten gepflegten Hegemonialdiskurs über
Partisanendenkmäler, so ergibt sich ein nüchterner Befund, der mit der
Absichtserklärung des Provisorischen Kärntner Landesausschusses wenig gemein
hatte, nämlich als er im Juni 1945 seine ausdrückliche Anerkennung und
Bewunderung für den „heldenhaften Freiheitskampf“ aussprach.8
Sehr bald schon, nämlich noch lange vor Unterzeichnung des Staatsvertrages,
haben sich in den großen Kärntner Tageszeitungen, die ja auch als
Parteizeitungen zu begreifen waren, jene hegemonialen Diskursfragmente
herausgebildet, die bis heute die Diskussionen um Partisanendenkmäler, ebenso
wie den offiziellen Geschichtsdiskurs in Kärnten, bestimmen.
Im Wesentlichen lassen sich, summarisch zusammengefasst, folgende
Diskursfragmente im Kontext mit Partisanendenkmälern nennen:
– Kärnten werde aus politischem Kalkül von einem dichten Netz an
Partisanendenkmälern- und Gräbern durchzogen, mit denen insgesamt ein Ziel
verfolgt würde: nämlich Kärnten optisch zu „slowenisieren“. Damals wie heute
wurden und werden die Denkmäler daher als Ausdruck einer nicht enden wollenden
großjugoslawischen Begehrlichkeit auf Kärnten gewertet. Der Ursprung dieser
Vorstellung liegt in der Tatsache, dass die kärntner-slowenischen PartisanInnen,
nicht zuletzt aufgrund ihrer negativen Erfahrungen aus der Ersten Republik bzw.
aus dem Nationalsozialismus die jugoslawischen Gebietsansprüche auf einige Teile
Kärntens zunächst unterstützt hatten, eine politische Haltung, die ihnen für die
späteren Jahrzehnte die Konnotation von „Heimat(land)verrätern“ bescherte,
obwohl diese Haltung, seit 1949 mit Lösung der Grenzfrage zugunsten Österreichs
und spätestens ab 1955 mit Anerkennung und Ratifizierung des österreichischen
Staatsvertrages vollständig aufgegeben wurde.
– Mit diesen Diskursen wiederum ist die Interpretation verbunden, dass
Partisanendenkmäler als Ausdruck einer arroganten und privilegierten Minderheit
zu werten sei, mit denen gleichzeitig „Partisanenverbrechen“ verherrlicht würden
und somit eine laufende Provokation für die „deutschkärntner“ Bevölkerung
darstellen würden.9
Dieser diskursive Hintergrund zu Partisanendenkmälern blieb annähernd 60 Jahre
unverändert und adaptierte sich in sprachlicher Hinsicht lediglich formal an die
Regeln der Demokratie. In diesem Sinne ist, ausgehend von diesen Narrativen, zu
fragen, wie das dichte Netz an Partisanendenkmälern heute tatsächlich aussieht,
wo diese Denkmäler errichtet werden konnten und woran tatsächlich erinnert wird.
Ganz pragmatisch ist zunächst festzustellen, dass der Partisanenverband heute an
insgesamt 53 (Aufstellungs)Orten Kärntens verschiedenartige Erinnerungszeichen
betreut.
Von diesen 53 Orten sind 44 Aufstellungsorte einer Denkmalskategorie zuzuordnen,
die auf Friedhöfen errichtet wurden und die eher den Charakter von
Grabdenkmälern oder Ehrengräbern tragen. Ihre öffentliche Bedeutung im
Zusammenhang mit der Entfaltung politischer Sinnstiftung ist also relativ
gering, nachdem politische Aussagen auf Grabdenkmälern im Gesamteindruck des
Friedhofs immer hinter ein allgemein gehaltenes Totengedächtnis zurück treten.
Dementsprechend hat sich hier bei den Gräbern – bis auf zwei Ausnahmen – auch
kein ritualisiertes bzw. politisches inszeniertes Gedächtnis herausgebildet.
Dieser großen Anzahl an Grabdenkmälern stehen insgesamt nur neun
Aufstellungsorte von Denkmälern gegenüber, die nicht auf friedhofszugehörigen
Raum zur Aufstellung gelangen konnten. Dies sind denn auch jene Gedenkorte, wo
sich für die Kärntner SlowenInnen unter Beteiligung einer überschaubaren,
kleineren Gruppe an deutschsprachigen AntifaschistInnen regelmäßige
Gedenktraditionen herausgebildet haben, mit inszenierten Gedenkfeiern und
Gedenkwanderungen.
An der deutschsprachigen Bevölkerungsmehrheit zieht dieses Gedenken meist
unbemerkt vorüber, die deutsprachige Kärntner Presse berichtet darüber kaum –
auch dies ein Indiz für die Marginalisierung der Minderheit, deren Gedenkfeiern
den Medien der Mehrheit kaum informationsrelevant erscheint. Eine Aufnahme in
die Berichterstattung findet sich tendenziell vor allem dann, wenn etwa der
Kärntner Heimatdienst das Thema unter dem Motto „steinzeitkommunistische
Veranstaltungen“10 aufgreift, um sich vor versammelter Kärntner
Politprominenz (und deren Applaus) für die ‚Abschaffung des Partisanengedenkens’
einzusetzen.
Ohne jetzt näher auf die einzelnen Erinnerungszeichen und Gedächtnisinhalte-
sowie Orte einzugehen, kann zu den Erinnerungsinhalten allgemein gesagt werden,
dass ein Drittel der oben erwähnten neun Gedächtnisorte explizit zivilen Opfern
gewidmet ist, die ganz direkt unterschiedlichen Organen und Einheiten des
NS-Regimes zum Opfer fielen. Zu nennen ist hier etwa der Gedenkstein zur
Erinnerung an die ermordete Hojnikfamilie (in Leppen/Lepena), die Gedenktafel am
Peršmanhof zur Erinnerung an die vom SS- und Polizeiregiment 13 ermordete
Sadovnikfamilie, der Gedenkstein beim Karlut in Diex, der an die Ermordung eines
Mannes und einer Frau erinnert, die verdächtigt wurden, mit den Partisanen
kooperiert zu haben. Dem Opfergedächtnis zuordenbar ist partiell auch die
Erinnerungsstätte am Kömmel/Komelj, die einen Todesort markiert, an dem eine
Partisaneneinheit auf besonders grausame Weise zu Tode gebracht wurde.
Ebenfalls partiell gehört zum Opfergedächtnis noch eine weitere Gedenktafel in
Lobnig/Lobnik, wo beim Geburtshaus an Jurij Pasterk erinnert wird, einem
Widerstandskämpfer, der nach einem Volksgerichtshofsurteil am 29. April 1943
gemeinsam mit 12 weiteren AntifaschistInnen aus dem Eisenkappler Raum enthauptet
wurde. Er teilt sich diese Gedenktafel mit seinem Bruder Franc Pasterk, der als
Partisanen-Kommandant bei einem Angriff auf Mežica schwer verletzt wurde und an
den Folgen verstarb. Hier kommt also eine Kategorie des klassischen
Gefallenengedächtnisses dazu (dies gilt auch für drei weniger zentrale
Erinnerungszeichen, nämlich die Gedenktafel auf der Rossalm, das Denkmal am
Rabenberg und die Gedenktafel in Hintergupf).
Nach der Inschriftensemantik zeigt sich vor allem, dass vor und mit
Partisanendenkmälern keineswegs ausschließlich des Widerstandes bzw. einer
„Verherrlichung des Partisanenkampfes“, wie es in Kärnten heißt, gedacht wird,
sondern dass dieses antifaschistische Widerstandsgedächtnis per se immer auch
ein Opfergedächtnis ist, in dem die Erinnerung an Verfolgung und Deportation
aufgehoben ist.
Von diesen neun Gedächtnisorten gibt es tatsächlich nur einen, der inhaltlich
nicht in direktem Kontext zum Totengedächtnis steht, nämlich das Denkmal in
Robesch/Robeže, das expressis verbis an das erste erfolgreiche Partisanengefecht
in Kärnten erinnert, von aus sich im Geschichtsnarrativ der Kärntner SlowenInnen
die Widerstandsbewegung in Kärnten auch ausgebreitet hat. Als einzigem
Partisanendenkmal liegt hier also ein historisches Ereignis zugrunde, das auf
Seiten der PartisanInnen nicht nur Opfer forderte, sondern für die Partisanen
erfolgreich ausging und zwar in einer Situation, die zunächst alles andere als
Erfolg versprechend schien.11 Dieses Denkmal wurde vom
Partisanenverband bezeichnenderweise in einem Moment der absoluten politischen
Hoffnungslosigkeit enthüllt, ein Moment, indem Mut und Zusammenhalt seitens der
Kärntner SlowenInnen wieder besonders gefragt waren, nämlich am 2. September
1973, als Kärnten schon längst durch die Ereignisse des sogenannten
Ortstafelsturmes erschüttert war. Dieses Denkmal wies auch die kürzeste
Bestandsdauer auf, es wurde bereits nach zwei Wochen gesprengt (16. September
1973), erst vier Jahre später, 1976, ließ sich die Wiedererrichtung realisieren.
Eine Sonderform in anderer Hinsicht ist das Denkmal, das seit 1983 am Peršmanhof
steht und das in einen bereits seit 1965 bestehenden Gedenkort (Gedenktafel in
Erinnerung an die hier ermordeten Angehörigen der Sadovnikfamilie) integriert
wurde.
Auch hier handelt es sich um ein wiedererrichtetes Denkmal, nämlich um das erste
Partisanendenkmal in Kärnten überhaupt, das 1947 am St. Ruprechter Friedhof an
einem Massengrab für 83 WiderstandskämpferInnen zur Aufstellung kam. Es ist
zweifelsohne auch jenes, das die größte mediale Aufmerksamkeit, auch auf
gesamtösterreichischer Ebene, erreichte, zumal es nicht nur den PartisanInnen,
sondern auch den Opfern der Alliierten gewidmet war. Am 10. September 1953,
schon ganz im Sog um die Konflikte rund um das zweisprachige Schulwesen, wurde
das Denkmal von deutschgesinnten Einheimischen gesprengt und eine
originalgetreue Wiedererrichtung ließ sich die nächsten dreißig Jahre nicht
durchsetzen. Zu Recht wurde von den politischen Vertretungsorganen der Kärntner
SlowenInnen die Verletzung des Artikels 19 seitens der Republik kritisiert. Als
der Verband der Kärntner Partisanen das Denkmal zu Beginn der 1980er Jahre in
Eigenregie und ohne staatliche Beteiligung wieder aufstellen ließ – die
aufbewahrten Einzelteile des gesprengten Denkmales wurden zusammengeschweißt –
hatte das Denkmal seinen ursprünglichen Erinnerungsinhalt bereits verloren.
Nicht mehr ‚Glanz und Glorie des Widerstandskampfes’ wird damit verknüpft,
sondern vielmehr ist das Denkmal selbst zum Gegenstand der Erinnerung geworden.
Entgegen den martialischen siegverkündenden Figuren, die zum Zeitpunkt der
Ersterrichtung auch noch mit dem Wunsch an einen Anschluss an Jugoslawien
verbunden waren, erinnert das Denkmal heute eher an eine leidvolle
Minderheitengeschichte nach 1945, die sich in besonderem Ausmaß und aus ganz
unterschiedlichen Gründen in diesem Denkmal verdichtet.12
Ein wesentliches, gemeinsames Merkmal der genannten Gedenkorte ist die Lage der
jeweiligen Aufstellungsorte – festzustellen ist, dass Partisanendenkmäler bzw.
Gedenktafeln nur in der Abgeschiedenheit der Kärntner Berge und Wälder
installiert werden konnten, und damit nur beschränkten Öffentlichkeitscharakter
im Sinne der Betrachterfrequenz aufweisen. Die Erinnerung an Widerstand und
Verfolgung bleibt im öffentlichen Raum Kärntens also bis heute eine verborgene
und unter der Wahrnehmungsgrenze angesiedelte Geschichte, zumal festzustellen
ist, dass alle Erinnerungszeichen auf Privatgrund, und nicht auf Grundstücken
der öffentlichen Hand situiert sind. Dies bedeutet, dass entgegen dem
Hegemonialdiskurs, der für Kärnten von einem dichten Netz an
Partisanendenkmälern ausgeht, in realitas der Minderheit, aber auch generell dem
antifaschistischen Gedächtnis, kaum öffentlicher Raum zur Pflege der Erinnerung
zu kommt.
Nichts desto weniger ist zu bemerken, dass trotz dieser örtlichen
Randpositionen, die Partisanendenkmäler in Kärnten einnehmen, bzw. trotz ihrer
Situierung auf Friedhöfen, der Zerstörungsgrad beträchtlich ist.
Drei Partisanendenkmäler wurden gesprengt, und zwar jenes am St. Ruprechter
Friedhof bei Völkermarkt (1953), jenes in Robesch (1973) und jenes am Kömmel
(1976). Ein Spezifikum der Völkermarkter Sprengung ist, dass sie bereits Monate
vorher angekündigt worden war und dass sich die lokale deutschsprechende
Bevölkerungsmehrheit mit dem Anschlag stark identifizierte. Dies geht aus
zahlreichen Quellen aus dem Umfeld der ermittelnden Sicherheitsbehörden hervor,
wobei etwa in der Gendarmeriechronik in Bezug auf die Ermittlung der Täter
vermerkt wurde, „daß die Ausforschung […] auf größten Widerstand stießen [sic].
Ja [,] es wurde offen ausgesprochen, daß der Täter nie gefunden werden möge. Den
erhebenden Beamten wurde mehrmals gesagt, sie sollten sich nicht bemühen [,] es
sei ja recht, dass das Denkmal endlich weg sei.“13
Im Falle dieses Denkmals entschied sich die Bundesregierung nicht für eine
Wiedererrichtung, sondern für eine Neugestaltung, die nach zähen Verhandlungen
1962 in Form einer Grabschale aufgestellt wurde – argumentiert wurde dieser
Beschluss mit Rücksicht auf die deutschnationalen Kräfte Kärntens, die mit dem
Denkmal nicht weiter provoziert werden sollten. Dennoch: Trotz dieser
entpolitisierten Variante kam es aber erneut 1968 zu Übergriffen auf das
Massengrab mit dem nunmehr unauffälligen Grabdenkmal.14
Generell ist festzustellen, dass die Zerstörungen und Übergriffe auf
Denkmäler wie auch auf Gräber zu jedem Zeitpunkt in der Kärntner
Nachkriegsgeschichte zu beobachten sind, bis heute – wenngleich sich die
Übergriffe vor allem dann häufen, wenn auch andere Minderheitenrechte abgewehrt
oder torpediert werden sollten, bei der Sprengung von 1953 etwa die Frage nach
dem 1945 eingerichteten zweisprachigen Schulwesen, in den Jahren 1972/73 die
zweisprachige Ortstafeln und 1976 die Verhandlungen um das Volksgruppengesetz.
Insbesonders im Zuge des sogenannten Ortstafelsturmes bei seinem Ausbruch im
Herbst 1972 kam es – parallel zur Demontage zweisprachiger Ortstafeln und
Übergriffen auf Minderheitsangehörige – zu einer massiven Zunahme an
Partisanengrabschändungen. Tatsächlich kann heute die genaue Zahl an Übergriffen
an Grabdenkmälern und Denkmälern nicht mehr eruiert werden, vor allem deswegen,
weil es so viele gab, dass die kleineren Übergriffe nicht einmal angezeigt oder
medial darüber berichtet wurde.
Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass in Kärnten das antifaschistische
Gedächtnis in besonderer Art und Weise latenten und manifesten Gewaltausbrüchen
ausgesetzt ist, die gleichsam zur Struktur einen allgemeinen Repressionspolitik
gegenüber der Minderheit gehört. Gleichzeitig wird dabei deutlich, wie hoch der
Stellenwert von Denkmälern nach wie vor für die alltägliche politische
Auseinandersetzung sein kann und welche zentrale Position Geschichtsnarrative
und ihre symbolhaften Erinnerungszeichen für die Gestaltung von Gegenwart und
Zukunft einnehmen.
Anmerkungen:
1/ Peter Leuprecht (Vizegeneralsekretär des Europarates in
Strasbourg) in seiner Gedenkrede am 8. Mai 1995 im Rahmen einer
Gedenkveranstaltung beim ehemaligen Mauthausen Außenlager Loiblpass Nord. Zit.
nach Peter Gstettner, Die Vergangenheit liegt noch vor uns. Fünf Jahre Gedenken
am Loibl, in: Karl Anderwald / Peter Karpf / Hellwig Valentin (Hg.), Kärntner
Jahrbuch für Politik, Klagenfurt 1999, S. 22.
2/ Gerd Theissen, Tradition und Entscheidung. Der Beitrag des biblischen
Glaubens zum kulturellen Gedächtnis, in: Jan Assmann / Tonio Hölscher (Hrsg.),
Kultur und Gedächtnis, Frankfurt 1998, S. 190.
3/ Avguštin Malle, Die Nachkriegszeit. Erinnerung an Vertreibung und Widerstand,
in: Die Deportation slowenischer Familien aus Kärnten 1942. Ein Beitrag zur
Geschichte der Kärntner Slowenen im 20. Jahrhundert mit ausgewählter Thematik
anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im 60. Gedenkjahr, hg. v. der
Österreichischen Liga für Menschenrechte, Wien 2003, S. 99.
4/ Der vollständige und korrekte Vereinsname lautet heute: Verband der Kärntner
Partisanen und Freunde des antifaschistischen Widerstandes/Zveza
koroških partizanov in prijateljev protifašističnega odpora.
5/ Karel Prušnik, Rede anlässlich der Denkmalsenthüllung
am St. Ruprechter Friedhof am 26.10.1947, zit. in deutscher Übersetzung nach
Slovenski Vestnik, 31.10.1947, S. 1.
6/ Zu Aspekten der Entstehungsgeschichte des Artikels 19 vgl. Lisa Rettl, 60
Jahre Minderheitenpolitik in Kärnten/Koroška. Ein Streifzug, in: Dies./ Werner
Koroschitz (Hg.), „heiß umfehdet, wild umstritten…“ Geschichtsmythen in
Rot-Weiß-Rot, Villach-Klagenfurt 2005, S. 127.
7/ Volltext des Art. 19 / Abs. 1: „Österreich verpflichtet sich, die auf
österreichischem Gebiet befindlichen Gräber von Soldaten, Kriegsgefangenen und
zwangsweise nach Österreich gebrachten Staatsangehörigen der Alliierten Mächte
und jener der anderen Vereinigten Nationen, die sich mit Deutschland im
Kriegszustand befanden, zu achten, zu schützen und zu erhalten; desgleichen die
Gedenksteine und Embleme dieser Gräber sowie Denkmäler, die dem militärischen
Ruhm der Armeen gewidmet sind, die auf österreichischem Staatsgebiet gegen
Hitler-Deutschland gekämpft haben.“ Zit. nach Gerald Stourzh, Geschichte des
Staatsvertrages 1945-1955. Österreichs Weg zur Neutralität, Graz-Wien-Köln 1985
(3. Aufl.), S. 261.
8/ Vgl. Kärnten – ein Problem? Hg. v. der Kärntner
Landesregierung, Wien 1945, S. 29.
9/ Ausführlicher dazu vgl. Lisa Rettl, PartisanInnendenkmäler. Antifaschistische
Erinnerungskultur in Kärnten (=Der Nationalsozialismus und seine Folgen, Bd. 3,
hg. v. Florian Freund / Bertrand Perz / Karl Stuhlpfarrer), Innsbruck-Wien-Bozen
2005.
10/ Vgl. dazu exemplarisch die KHD-Berichterstattung zum „Tag der Kärntner
Einheit“ in: Der Kärntner, Mitteilungsblatt des KHD, August 2003, S. 6.
11/ Vgl. dazu Aussage von Franc Poglajen, in: Marjan Sturm, Padlim za Svobodo/Den
Gefallenen für die Freiheit. Pomniki protifašističnega boja na Koroškem /
Gedenkstätten des antifaschistischen Kampfes in Kärnten, Celovec-Trst/Klagenfurt/Triest
1987, S. 139f.
12/ Dies hängt einerseits mit den zentralen Eckdaten des Denkmals zusammen, die
in spezifischer Weise an allgemeine minderheitenpolitischen Entwicklungen
anknüpfen, andererseits ist das Denkmal auch mit zahlreichen biographischen
Momenten verknüpft. Dazu zählt vor allem die Verhaftung und Verurteilung von
Karel Prušnik durch ein britisches Militärgericht zu einem Jahr Haft in Karlau
anlässlich seiner Briten-kritischen Enthüllungsrede. Dieses Urteil wurde bereits
als neuerliche Opferwerdung der Kärntner SlowenInnen wahrgenommen, ebenso wie
die Denkmalsprengung eine zentrale Diskriminierungserfahrung darstellte.
13/ Gendarmeriechronik Völkermarkt, Eintrag zum 10.09.1953.
14/ Ausführlicher zur Sprengung und den Bemühungen um die Wiedererrichtung vgl.
Lisa Rettl, PartisanInnendenkmäler. Antifaschistische Erinnerungskultur in
Kärnten, insbesondere Kapitel 11.
Referat am Symposium der Alfred Klahr Gesellschaft
„Kontinuität und Wandel der österreichischen Geschichtsmythen – Eine kritische
Bilanz des Gedenkjahres 2005“ am 29. Oktober 2005.
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