Verein zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung Drechslergasse 42, A–1140 Wien Tel.: (+43–1) 982 10 86, E-Mail: klahr.gesellschaft@aon.at
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Hans Kalt: Friedl Fürnberg – Zu seinem 100. GeburtstagKeine politische Partei wird allein durch
weltanschauliche und strategische Programmatik, durch Resolutionen und
Aktionsprogramme bestimmt, so sehr um solche auch debattiert und gestritten
wird. Genauso wichtig sind Menschen, die im Kampf um die Verwirklichung
festgelegter Grundsätze und Aufgaben Sinn und Inhalt ihres Lebens und Wirkens
finden. I.1902 in Eggenburg in Niederösterreich geboren,
wuchs Friedl in Wien auf, wohin seine Eltern 1904 übersiedelt waren. Aber bald
zerstörte der imperialistische Erste Weltkrieg die Familie – wie Millionen
andere auch. Der Vater blieb im Krieg. Neben dem Besuch der Realschule und dem
beginnenden Technik-Studium musste Friedl die Mutter unterstützen, und Geldnöte
zwangen ihn zum Abbruch des Studiums. II.In die Zeit seiner Moskauer Tätigkeit in der
Jugendinternationale ab 1927 fiel Friedls erstes, über den KJV hinausgehendes,
internationales politisches Auftreten und Eintreten für die KPÖ insgesamt:
Erst 25jährig fiel ihm die Aufgabe zu, im September 1927 vor dem
Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale (EKKI) die Haltung der KPÖ während
der Ereignisse des 15. Juli 1927 in Wien zu vertreten. Hier hatte die Polizei
wahllos in Demonstranten geschossen, die in Streiks und dem Sturm auf den
Justizpalast ihre Empörung gegen den Freispruch von zwei faschistischen Mördern
ausdrückten. An die hundert Menschen wurden Opfer der Polizeisalven. III.Ab dem Anfang der dreißiger Jahre widmete sich
Friedl Fürnberg ganz der leitenden Parteiarbeit in Österreich. In der
kommunistischen Bewegung insgesamt hatte zu dieser Zeit die junge Sowjetunion
und ihre Partei das größte politische Gewicht. Das hatte objektive Gründe.
Erstmals hatte hier eine marxistische Partei Erfolge beim Versuch, dem
kapitalistischen System eine alternative, nach sozialistischen Grundsätzen
organisierte Gesellschaft gegenüberzustellen. Gleichzeitig erlebte der
Kapitalismus seine bisher schwerste ökonomische Krise. Das führte nicht
automatisch zu einer Linksentwicklung. Die verzweifelte Lage von Millionen wurde
von den aggressivsten und reaktionärsten Kräften des Finanzkapitals dafür
missbraucht, faschistische Parteien zu fördern, in denen viele die Erretter aus
ihrer Not erblickten. IV.Bei Friedl Fürnberg kam zu diesen allgemein wirkenden Umständen noch die aus seiner ersten Moskauer Periode stammende Vielzahl persönlicher Bekanntschaften und Freundschaften. Das wirkte befruchtend auf die Beziehungen zu den anderen kommunistischen Parteien. Die KPÖ war dabei nicht nur Nutznießer, obwohl das in einigen Fällen große Bedeutung hatte. Sie war auch Geber: Das jahrelange Werben innerhalb der kommunistischen Weltbewegung um Verständnis für die damals neuartige theoretische Ausarbeitung des Begriffs der österreichischen Nation führte zum Erfolg und ist dafür nur ein Beispiel. Ein anderes ist die Zustimmung von sowjetischer und jugoslawischer Seite zur Aufstellung der österreichischen Freiheitsbataillone im Rahmen der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee. Hier war Friedl Fürnberg gemeinsam mit Franz Honner maßgeblich daran beteiligt, dass gegen Kriegsende Österreicher in militärischen Einheiten, unter österreichischer Flagge und mit militärischer Disziplin einen Beitrag zum Sieg über Hitler leisteten. Ein drittes Beispiel als gebender Partner ist die Tatsache, dass in den zwanziger und anfangs der dreißiger Jahre, als mehrere kommunistische Parteien in Ost- und Südosteuropa in die Illegalität gezwungen wurden und die Infrastruktur ihrer Leitungen nach Wien verlegten, die kleine KPÖ ihnen bedeutende Hilfe angedeihen ließ. V.Die Betrauung Friedl Fürnbergs mit leitender
Parteiarbeit in Österreich fiel mit dem Beginn einer neuen (und bisher
einmaligen) Phase der Aufwärtsentwicklung der KPÖ zusammen. Vor allem der
Februar 1934 und der März 1938 kennzeichneten diese Entwicklung. Die richtige
Einschätzung der politischen Lage durch die KPÖ und die zunehmende Akzeptanz
ihrer Losungen ermöglichten ein in der Geschichte der kommunistischen
Weltbewegung seltenes Phänomen: Nachdem sie von den Machthabern 1933 in die
Illegalität gedrängt worden war, wurde die KPÖ nach den Februarkämpfen des
Jahres 1934 durch den Zustrom von ihrer Führung enttäuschter revolutionärer
Arbeiter erstmals zu einer Partei mit bedeutender Ausstrahlung auf die werktätigen
Massen. VI.Die Hauptursache für die sich schon 1932
abzeichnende Wende, die sich in Stimmengewinnen der KPÖ bei regionalen und
betrieblichen Wahlen äußerte, lag aber in der KPÖ selbst. Ein wachsender Teil
der vorher vom Fraktionskampf absorbierten Kraft konnte für die Organisierung
der betrieblichen, gewerkschaftlichen und kommunalen Arbeit aufgewendet werden
und trug Früchte. Dieser Umschwung konnte auch durch das Parteiverbot 1933
nicht mehr aufgehalten werden. Fürnberg selbst wurde schon vor dem Parteiverbot
erstmals verhaftet. Nach den Februarereignissen erneut inhaftiert, wurde er im
Sozialistenprozess 1936 verurteilt und ins „Anhaltelager“ Wöllersdorf
gebracht. Zusammen mit Franz Honner flüchtete er von dort und wurde von der
Partei ins Ausland geschickt, wo sich ein bedeutender Teil der Parteiführung um
Johann Koplenig sammelte. VII.Von größter Tragweite für Österreichs Zukunft
war der in der Öffentlichkeit wenig bekannte Teil des Wirkens der in Moskau
lebenden ZK-Mitglieder der KPÖ für das Ziel der Wiederherstellung Österreichs
als unabhängiger Staat. Äußerungen darüber seitens der Sowjetregierung gibt
es im Zeitraum 1939 bis 1941 nicht. Noch am 6. November 1941 formulierte Stalin
in seiner Rede zum Jahrestag der Oktoberrevolution zur Charakterisierung der
Hitler-Aggression: „Solange sich die Hitlerleute damit befassten, die
deutschen Länder zusammenzufassen und ihnen das Rheingebiet, Österreich usw.
wieder anzuschließen, konnte man sie mit einer gewissen Berechtigung für
Nationalisten halten. Nachdem sie jedoch fremde Gebiete geraubt und europäische
Nationen – wie Tschechen, Slowaken, Polen, Norweger, Dänen, Holländer,
Belgier, Franzosen, Serben, Griechen, Ukrainer, Bjelorussen, Balten usw.
unterjocht haben, (...) ist sie (die Hitlerpartei) zu einer imperialistischen,
annexionistischen Unterdrückerpartei geworden.“ /1/ VIII.Als einzige der historischen Parteien in Österreich
brauchte sich die KPÖ für keinen Augenblick ihrer Haltung zwischen 1933 und
1945 zu schämen. Es war kein Zufall, dass sie als einzige der drei staatsgründenden
Parteien die Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945 mit ihrem ursprünglichen
Namen unterzeichnen konnte. Bei den in der Periode bis 1952/53 nachfolgenden
Wahlen zeigten zunehmende Stimmenzahlen, dass auch in der Bevölkerung die
Anerkennung für die Haltung der Kommunisten wuchs. IX.Friedl Fürnberg war, als Ergebnis seines ganzen
politischen Wirkens, besonders eng mit der internationalen kommunistischen
Bewegung verbunden. Das war lange Zeit ident mit einem besonderen Verhältnis
zur Sowjetunion. Als deren Rolle zu Recht ihre vorherige Autorität verlor,
wurde Friedl von einigen zur „grauen Eminenz“ einer angeblichen „Moskowiter“-Gruppe
in der KPÖ hochstilisiert. Heute berufen sich sogar solche auf sein „Vermächtnis“,
die ihre Auseinandersetzung mit der Parteiführung in Formen austragen, die nahe
an dem von Friedl Fürnberg während seiner gesamten politischen Tätigkeit
abgelehnten Fraktionismus sind. Um den jeweiligen Standpunkt im heutigen
Meinungsstreit zu stützen, kann man von beiden Seiten Friedl zitiert hören,
fast immer aber ohne Angabe des politischen Zusammenhangs, in dem diese Meinung
von ihm formuliert wurde. Ich will mich nicht auf einen solchen Weg verleiten
lassen, sondern ausführlich eine Selbsteinschätzung Friedl Fürnbergs an den
Schluss meiner Würdigung dieses österreichischen Kommunisten stellen, die er
selbst im Mai 1972 auf einer Festsitzung des ZK gab: Anmerkungen/1/ J.W. Stalin, Über den Großen Vaterländischen
Krieg der Sowjetunion, Wien 1945, S. 21 Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 3/2002 |
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