Verein zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung Drechslergasse 42, A–1140 Wien Tel.: (+43–1) 982 10 86, E-Mail: klahr.gesellschaft@aon.at
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Aus dem Archiv: Helmut Qualtingers Eintritt in die Wiener Nachkriegskultur 1945Qualtinger, der - wie man weiß - mit Alfred Hrdlicka gegen Kriegsende als
Statist in der Wiener Oper agierte, war nach dem Krieg in Wien als Schauspieler
und Autor in Kleinkunstbühnen tätig und trat 1949 mit seinem Stück „Jugend
vor den Schranken“ in Graz an die Öffentlichkeit. Im selben Jahr übersetzt
er für das Theater in der Josefstadt das Stück „Die Spitzen der Gesellschaft"
des Engländers William Douglas Home. 1950 scheint er offensichtlich erstmals
mit einer seiner „Aktionen“ die Aufmerksamkeit auf sich gerichtet zu haben.
Es war ein goldenes „U“, das sich vom Firmenschild eines Pelzhauses am
Kohlmarkt löste und nun auf der Strasse lag. Vom Qualtinger verpackt und ans
Unterrichtsministerium geschickt, war dem Brief des „Aktionskomitees gegen
Schmutz und Schund“ zu entnehmen, dass diese „U“ die Sittlichkeit arg
bedrohe, weil es in einigen lasziven Worten vorkomme. Qualtinger war einschlägig
schon so bekannt, dass die Kriminalpolizei sofort bei ihm auftauchte und sein
„Geständnis“ entgegen nahm. Ein Jahr später gelang ihm der legendäre
„Grubenhund“ mit den Zeitungen Kurier und Weltpresse, denen er die Ankunft
des Eskimodichters Kobuk in Wien avisierte. Er sei Vertreter der „arktischen
Mystik“ und bekannt wegen seiner unsterblichen Grönlandtrilogie „Song of
the Iceman“, die nun Metro-Goldwyn-Mayer verfilmen wird. Und so berichtete die
Arbeiter Zeitung am 7.7.1951 von seiner Ankunft und seinen Werken, wie den
Schlittenhunderoman „Heia Musch Musch“, „Nordlicht über Ivikut“
und seinen Stücken „Einsames Iglu“ und „Republik der Pinguine“. Nicht
einmal der Hinweis, das der Autor sich bemühen wird, die Wiener Eisrevue zu
einer Grönlandtournee zu bringen, ließ die Redakteure stutzen. Und wieder ein
Jahr später war dann der Qualtinger „Der Qualtinger“, mit dem „G´schupften
Ferdl“ und seinem Auftritt im „Brettl vorm Kopf“ schuf er mit seiner
Interpretation Klassiker und Standards der Wiener Kabarettgeschichte. Willi Weinert Dok. 1Wien, am 2. Mai [19]45. Kommunistische Partei Österreichs Liebe Genossin! Ein 17 jähr. Jüngling namens QUALFINGER oder QUALTINGER läuft mit dem Sowjetstern auf der Brust herum und gibt sich für einen russischen Zivilkommissar aus und behauptet, in dieser Eigenschaft ermächtigt zu sein, eine links gerichtete Theatergründung auf die Beine zu bringen. Er wirbt nicht nur unter den jungen Schauspielern sondern sucht Grössen des Burgtheaters, um, wie er sagt, mit ihnen Kontrakte zu schliessen. Er interessiert uns deshalb vor allen Dingen, weil wir selbst ein Volkstheater mit besonderer Berücksichtigung der Jugend aufzustellen im Begriffe sind und besagter Jüngling Unruhe in die Kreise unserer Interessenten bringt. Er ist mir überdies dadurch bekannt, dass er wegen Talentlosigkeit und höchst auffälligem Benehmens bei der vorjährigen Prüfung unseres Reinhardt-Seminars, der früheren Schauspielschule des Burgtheaters, die jetzt provisorisch von mir geleitet wird, gänzlich durchgefallen ist. Ich bitte uns über diesen jungen Mann zu informieren. Rotfront! Dok. 2Wien, am 5. Mai [19]45 Kom.Part. Österreich An die Betrifft: Fall Qualfinger Ich bitte sofort den genauen Namen und die Adresse des sich als russischer Zivilkommissar ausgebenden Qualfingers in Erfahrung zu bringen und anher weiter zu geben. Gez. Dok. 3Wien, 8. Mai 45 Komm. Partei An die K.P.Oe. Stadtleitung Wien, Abt. Agit.Prop. Wien VII. Liebe Genossin Melber! Zu Deinem Brief vom 5. d.M. betreffend den Fall Quallfinger teile ich
Dir im Auftrage von Gen. Kuchenbuch mit: Rotfront! Dok. 4Wien, 10. Mai 45 Kommun. Partei Österreichs Rundschreiben an alle Bezirke! Ich bitte sofort in allen Bezirksstellen und Sektionen nachzuforschen ob ein Mann namens Helmuth Qualltinger oder Qualtinger registriert ist, gegebenenfalls seine Wohnadresse bekanntzugeben und anzuführen, welche Belege ihm seitens der KP ausgestellt worden sind. gez. Dok. 5Kommunistische Partei Österreichs An die Wien, am 18. Mai 1945 Zeichen Gr/Gr. Betrifft: Rundschreiben Fall Qualtinger Die Gebietsleitung „Schumann“ Wien XVII. Schumanng. 73 gibt uns bekannt: Ein Mann namens Helmuth Qualtinger ist uns bekannt. Er war zuletzt in Wien XVIII. Starkfriedgasse 25 wohnhaft. Belege wurden ihm von uns keine ausgestellt. Gez. Vorsitzender der K.P.Ö. Dok. 6Wien, 25. Mai 45 Kommunistische Partei Österreichs L./B. Betrifft: Qualtinger An die K.P.Ö. Liebe Genossin Melber! Gestern Nachmittag war ich bei der Vorstandssitzung der Internationalen
Gesellschaft für Neue Musik, die in den Räumen des Verlages
„Universal-Edition“ stattfand. Plötzlich läutet es, der Leiter des
Verlages, Gen. Schlee, wird hinausgerufen und erzählt bei seiner Rückkehr,
dass gerade ein junger Mann namens Qualtinger bei ihm gewesen sei, um Material
aus dem Verlag für das von ihm zu gründende kommunistische Theater zu holen.
Ich konnte den Genannten noch erreichen und habe ihn gefragt, wieso er zu einer
derartigen Tätigkeit legitimiert sei, etc. Freiheit! K.P.Ö. Wien VIII. Dok. 7Wien, 29. April 45 Liste der in Betracht kommenden Mitglieder eines Theaters und Kabarets der kommunist. Partei. Kommissarischer Leiter: Helmuth Qualtinger (K.P.) Dok. 826. Mai 45 Abteilung: Agitation-Schulung-Presse. Mel./F. An den Betrifft: Überstellung des Jugendlichen Helmuth Qualtinger und des Leopold
Hofrichter. Wie aus den beiliegenden Akten hervorgeht, hat sich der Jugendliche Helmuth
Qualtinger heute bei mir eingefunden. Er gibt an, dass ein Mann namens
Hofrichter Leopold, wohnhaft Wien XVIII. Währingerstr. 147, der sich als Freund
des Bürgermeisters Steinhardt ihn gegenüber ausgegeben hätte, und auch gesagt
hätte, dass er für den Bürgermeister als sein Freund zeichnungsberechtigt
sei, ihn beauftragt hätte, ein kommunistisches Theater zu gründen. Ich liess
den genannten Hofrichter rufen, der wieder erklärt, Qualtinger sei ein
Schwindler, der verhaftet gehöre, allerdings erklärte er, dass die
Unterschrift auf Beilage 6 seine eigene sei. Nur wisse er nicht mehr, wieso er
dazu gekommen sei, für Bürgermeister Steinhardt zu zeichnen. Gez. Nachtrag: Gen. Graf Otto vom Wachkommando Wasagasse gibt mir noch zusätzlich an, dass Qualtinger die in seinem Wehrpass unter Nachträge angeführte Untersuchungshaft von 1 Monat KZ wegen politischen Vergehen als Fälschung zugegeben hätte, nachdem Qualtinger sich vorher bei mir als früher politisch verdächtiger Kommunist eingesperrt gewesen wäre, [bezeichnet hat]. Dok. 9Wien, den 30. Mai 1945 Bericht an den Genossen Lauscher. Wie aus den beiliegenden Aktenabschriften hervorgeht, hat Helmut Qualtinger,
ein Jugendlicher, sich als russischer Zivilkommissar ausgegeben und behauptet,
ermächtigt zu sein, ein kommunistisches Theater zu gründen. (Mitteilung 8.
Bezirk). Abt. f. Agit. Schul. u. Presse Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 1/2002 |
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