Klahr    Alfred Klahr Gesellschaft

Verein zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung

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„Ortstafelsturm“ und Kärntner Verhältnisse

Im Herbst 1970 komplettierten Kärntner slowenische Studenten und Studentinnen mit Schablonen und Sprays deutsche Ortstafeln in Kärnten mit den slowenischen Ortsnamen und wiesen damit auf die Kluft zwischen Gesetz und Praxis hin – der Artikel 7 des österreichischen Staatsvertrags schreibt nämlich zweisprachige Topographie im zweisprachigen Gebiet vor; realiter gab es in ganz Kärnten im Jahr 1970 nicht eine einzige offizielle zweisprachige Ortsbezeichnung. Das polizeiliche, gerichtliche und mediale Spektakel, das auf die fortgesetzten und stetig breiter werdenden „Aufschriftenaktionen“ folgte, machte die österreichische und internationale Öffentlichkeit hellhörig. Im Herbst 1972 ließ die Regierung Kreisky zweisprachige Ortstafeln für einen Teil der zweisprachigen Orte in Südkärnten anbringen. Von rechtsextremen Kärntner Fraktionen organisierte Kolonnen beseitigten diese wieder unter Beobachtung und Begleitung der Exekutive. Ein unerwartetes Gewaltpotential trat zutage. Der damalige Bundeskanzler und SPÖ-Parteichef Bruno Kreisky wurde am 25. Oktober 1972 nach einem Auftritt in Klagenfurt von der vor dem ÖGB-Haus versammelten Menge physisch bedroht und unter schwerem Polizeischutz durch einen Nebeneingang ins Freie gebracht, Landeshauptmann Sima und seine Frau am Tag darauf vor der Völkermarkter „Burg“ unter den Augen der Gendarmerie attackiert.
Die nach 1945 konsolidierten und lange Jahre hindurch stabil scheinenden politischen Kräfteverhältnisse in Kärnten, gekennzeichnet durch absolute Übermacht der Sozialdemokratie, gerieten ins Wanken. „Wenige Wochen deutschnationalistischen Straßenterrors reichten aus, dass sich die Bundesregierung und die sozialistische Regierungspartei (...) – wie es Kreisky damals formulierte – der ‘psychologischen Situation in Kärnten’ anpasste. Die bei diesem Anlass erfolgte Ablöse an der Führungsspitze der Kärntner SPÖ signalisierte die bewusste Hinwendung dieser Partei zu einem Konsens mit der FPÖ und ÖVP auf der Grundlage eines deutschnationalen gemeinsamen Nenners.“ (Kladivo 1-2/1987, S. 10). Das dem „Ortstafelsturm“ folgende politische Nachbeben wusste die FPÖ bzw. ihr neuer Landeschef zu nutzen.
Heute ist Haiders Partei in Kärnten ungefähr doppelt so stark wie im übrigen Österreich. Fast jeder zweite wählt sie in Klagenfurt. Von 36 Landtagmandaten hält sie 16, ist die stärkste im Land. Dass es so weit kommen konnte, liegt sowohl an der konsequenten Anwendung des nationalistischen Prinzips durch die Politik der FPÖ, als auch an der Unterschätzung der Wirksamkeit desselben durch die demokratische Öffentlichkeit Österreich, die Haider immer noch gerne als Hauptdarsteller in einer reaktionären Provinzposse zeichnet.

 

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