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Hans Hautmann: Kommunistische Gewerkschafts-, Arbeiterkammer- und Betriebsrätepolitik
in der Zweiten Republik
Gewerkschaften,
Arbeiterkammern und Betriebsräte sind Organisationen, die aus dem Kampf der
arbeitenden Menschen für ihre elementaren wirtschaftlichen und sozialen
Interessen hervorgegangen sind und deren Vorhandensein so lange eine
Notwendigkeit bleiben wird, so lange es den Kapitalismus gibt. Entstanden die
Gewerkschaften bei uns bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts, so waren die
Arbeiterkammern und Betriebsräte Errungenschaften der österreichischen
Revolution von 1918/19. Während die Gewerkschaften juristisch immer Vereine
waren und es nach wie vor sind, fanden Arbeiterkammern und Betriebsräte eine
gesetzliche Verankerung im österreichischen Recht. Von der Aufgabenstellung her
sind die drei Institutionen eng miteinander verbunden, haben aber dennoch ihre
spezifischen Aktionsbereiche. Alle drei Interessensvertretungen wurden in den zwölf
Jahren der Ständestaats- und NS-Diktatur entweder beseitigt oder bis zur
Unkenntlichkeit ihres Wesens beraubt. Mit dem Wiedererstehen der demokratischen
Republik 1945 traten sie erneut auf den Plan, wobei Kommunisten und
Kommunistinnen einen entscheidenden Anteil hatten. Darüber werde ich sprechen
und die prinzipiellen Positionen der KPÖ, ihr Wirken und die Stärke ihrer
Vertretung in den drei Organisationen in der Zweiten Republik aus historischer
Sicht darzulegen suchen. Gezwungenermaßen kann das bei der Fülle des Stoffes
nur ein streifzugartiger Überblick sein, der sich auf die Kernfragen
konzentriert.
KPÖ und ÖGB
Beginnen wir mit
den Gewerkschaften. Die Gründung des einheitlichen Österreichischen
Gewerkschaftsbundes am 15. April 1945 in Wien wurde von der KPÖ immer als großer
Fortschritt gegenüber der Situation in der Ersten Republik eingeschätzt, als
es politische Richtungsgewerkschaften gab. Die Einheitlichkeit bedingte
folgerichtig auch die Überparteilichkeit des ÖGB, die im Statut verankert
wurde und hier nach wie vor verankert ist. In der Realität gab es aber von
Anfang an die politische Aufgliederung nach den drei Parteien, die sich nach der
Befreiung Österreichs bildeten und von den Besatzungsmächten anerkannt wurden.
Der erste provisorische Bundesvorstand der ÖGB wurde aufgrund einer
Parteienvereinbarung besetzt mit Johann Böhm von der SPÖ als Präsidenten,
Gottlieb Fiala von der KPÖ und Lois Weinberger von der ÖVP als Vizepräsidenten
sowie weiteren 24 Mitgliedern. Von den insgesamt 27 Personen gehörten 15 der SPÖ
und jeweils 6 der KPÖ und ÖVP an.
Die Kommunisten erblickten in der Parteienvereinbarung nur eine Notlösung, denn
in der Präambel zum Statut des ÖGB hieß es ausdrücklich: „Oberstes Prinzip
sind für den Gewerkschaftsbund als demokratisches Organ, dass der Beitritt dem
freiwilligen Entschluss entspricht, dass seine Funktionäre als Repräsentanten
des Vertrauens in freier Wahl gewählt werden und dass seine Beschlüsse und
Handlungen der Kontrolle und der Kritik der Mitglieder unterliegen.“
Das beim Wort nehmend, forderte die KPÖ stets die Berufung der
gewerkschaftlichen Funktionsträger aufgrund von Urwahlen der
Gewerkschaftsmitglieder an der Basis, Wahlen, die auf der Gesamtebene aber nie
stattfanden und erst in der jüngeren Vergangenheit bei einigen wenigen und
obendrein nicht sehr ins Gewicht fallenden Teilgewerkschaften wie den
Gemeindebediensteten durchgeführt wurden. Das Beharren auf Umsetzung eines
demokratischen Verhältniswahlrechts und nach Abhaltung von Urwahlen im ÖGB ist
der eine durchgehende Zug, der die Gewerkschaftspolitik der KPÖ in der Zweiten
Republik kennzeichnet.
Die andere Konstante war die Ablehnung der Aufspaltung der Gewerkschaften in
Fraktionen. Das Argument der Kommunisten für die Überparteilichkeit, zu der
sich der ÖGB ja laut Statut bekennt, war insofern begründet, als gesagt wurde,
dass die Arbeiterschaft zum größten Teil aus Parteilosen oder parteipolitisch
Indifferenten besteht, und dass bei parteimäßiger Proporzaufteilung der
Gewerkschaftsgremien die unzähligen Parteilosen, die zweifellos die Mehrheit
der bald schon über Eineinhalb Millionen zählenden gewerkschaftlich
organisierten Arbeiter und Angestellten Österreichs bildeten, von jeder
Mitentscheidung ausgeschlossen, gewissermaßen zu Gewerkschaftsmitglieder
minderer Kategorie degradiert werden.
Der Gang der schon bald nach der Gründung des ÖGB einsetzenden Entwicklung war
aber ein anderer. Die der SPÖ angehörenden Gewerkschaftsführer begannen
sofort nach der Nationalratswahl vom 25. November 1945 – mit dem für die KPÖ
so enttäuschenden Ergebnis – die Funktionärskader nach diesem Wahlresultat
auszuwechseln und den ÖGB dadurch aufzuspalten, dass die
Gewerkschaftsmitglieder der SPÖ-, und bald auch der ÖVP-Parteirichtung, in
Fraktionen zusammengefasst wurden. Fortan ging die Besetzung von Funktionen in
den Gewerkschaften nach parteimäßigen Grundsätzen vor sich, was dazu führte,
dass Entscheidungen nicht in den dazu berufenen gewerkschaftlichen Instanzen,
sondern vorab bereits in fraktionellen Vorbesprechungen der stärksten
Gruppierung im ÖGB, der Fraktion sozialistischer Gewerkschafter, getroffen
wurden. Das förderte die Tendenz zum „Dirigieren von oben herab“, das den
ÖGB fortan kennzeichnete. In krasser Weise kam das bei den Modalitäten für
die alle vier Jahre abgehaltenen Bundeskongresse der ÖGB zum Ausdruck, deren
Delegierte nicht von den Gewerkschaftsmitgliedern gewählt, sondern von den
Vorständen der einzelnen Gewerkschaften bestimmt wurden. Außerdem konnten
nicht die unteren Organisationen der Gewerkschaften auf den Bundeskongressen
Anträge stellen, sondern dies war nur den Zentralvorständen der 16
Fachgewerkschaften gestattet.
Die KPÖ wandte sich immer entschieden gegen die Fraktionsbildung, weil sie
verhindern wollte, dass politische Konflikte in den Gewerkschaften den Kampf für
die gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen verdrängten. Sie trat für die
Einheit und Überparteilichkeit des ÖGB ein, dafür, dass beides in allen
gewerkschaftlichen Organisationen zum Ausdruck kommt, um eine Erstarrung des
innergewerkschaftlichen Lebens zu verhindern.
Die objektive Entwicklung in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre mit dem
beginnenden Kalten Krieg, der Restauration des Kapitalismus in Österreich,
betrieben von der ÖVP/SPÖ-Koalition und der damit verbundenen Degradierung des
ÖGB zu einem Erfüllungsgehilfen der Regierung ging aber in die
entgegengesetzte Richtung. Für die ÖGB-Führung bestand der Zweck der
Fraktionierung darin, die absoluten sozialistischen Mehrheiten in allen Führungsgremien
politisch effektiv und ohne Reibungsverluste umsetzen zu können:
Auffassungsunterschiede in den eigenen Reihen wurden vor der Gewerkschaftsöffentlichkeit
abgeschirmt, abweichende Meinungen in fraktionellen Vorbesprechungen der
zentralen Linie untergeordnet. In dem Maß, in dem auf staatlicher Ebene die
Zusammenarbeit von ÖVP und SPÖ ausgebaut wurde, setzten sich auch im ÖGB
informelle und zumeist geheim gehaltene Vereinbarungen zwischen ÖVP- und SPÖ-Fraktion
als Entscheidungskreis durch. Mit der Bildung von Einheitslisten an der Basis,
bei den Betriebsratswahlen, versuchten die Kommunisten der faktischen Spaltung
des ÖGB und seiner Unterordnung unter die Regierungspolitik entgegenzuwirken.
Mit dieser Linie konnte die KPÖ in einer Zeit, in der die Klassenkämpfe in Österreich
mit dem Höhepunkt des Massenstreiks von 1950 eine große Schärfe annahmen,
beträchtliche Erfolge erzielen. Näheres dazu aber, sobald ich auf die
Betriebsratswahlergebnisse zu sprechen komme.
Die SPÖ-Gewerkschaftsführer reagierten darauf mit disziplinarischen Maßnahmen,
und das nicht erst nach dem Ende des Oktoberstreiks 1950. Schon im Juli 1947
verbot der SPÖ-Parteivorstand seinen Mitgliedern in den Betrieben, an
gewerkschaftlichen Einheitslisten teilzunehmen, und ab 1948 wurden immer mehr
kommunistische Funktionäre ihrer gewerkschaftlichen Funktionen enthoben oder
sogar aus dem ÖGB ausgeschlossen. Dies traf Gewerkschafter, die sich – gegen
einen Beschluss des ÖGB-Vorstands – an betrieblichen Aktionskomitees
beteiligt hatten und jene Gewerkschaftsfunktionäre, die bei der Organisierung
von Streiks hervorgetreten waren. Beispielsweise wurden der kommunistische
Gewerkschaftssekretär des Bezirks Leoben Anfang 1948 gekündigt und der
kommunistische Zentralsekretär der Textil- und Lederarbeiter im Mai 1948,
wenige Tage nach dem Ende eines Schuharbeiterstreiks, vom Dienst suspendiert.
Darüber hinaus versuchte man, den Gewerkschaftsapparat stärker zu
zentralisieren und dem Bundesvorstand unterzuordnen. Nach dem Oktoberstreik 1950
wurden 85 führende kommunistische Gewerkschaftsfunktionäre aus dem ÖGB
ausgeschlossen, darunter der Vizepräsident Gottlieb Fiala. Einer der wenigen,
der als Kommunist im Bundesvorstand verblieb, war Otto Horn, der Sekretär der
Gewerkschaft der Privatangestellten, vermutlich deshalb, weil deren Chef, der
prominente SPÖ-Gewerkschafter Friedrich Hillegeist, der Behauptung vom
„kommunistischen Putschversuch“ nichts abgewinnen konnte und sie als
Propagandatrick durchschaute.
1952 vollzog dann die KPÖ den Schritt, der durch die Umstände unvermeidlich
geworden war. Sie gründete die „Gewerkschaftliche Einheit“ als
oppositionelle Sammelbewegung innerhalb des Gewerkschaftsbundes, und zwar nun
auch formell als Fraktion. Im Verhältnis zur Partei betrachte sich die
„Gewerkschaftliche Einheit“ als Bündnispartner bei gleichzeitiger Betonung
der Autonomie in der Gestaltung ihrer Gewerkschaftspolitik. In der Praxis ging
mit der Bildung der GE vorwiegend an sie die Anleitung sowohl der Betriebsräte
als auch der Betriebsorganisationen der KPÖ über, die vorher von der Partei
ausgeübt worden war. Das führte dann in der Periode der Hochkonjunktur der
1960er Jahre, des Ausbaus des Sozial- und Wohlfahrtsstaates, der Reallohnerhöhungen
und des damit verbundenen Schlagworts vom in Österreich bereits verschwundenen
Kapitalismus zur Tendenz bei führenden Funktionären der „Gewerkschaftlichen
Einheit“ wie Egon Kodicek, unter der Losung der „Gewerkschaftsautonomie“
die Zusammenarbeit mit der KPÖ abzuschwächen und die Existenz von
Parteiorganisationen in den Betrieben als nicht mehr zeitgemäß zu negieren.
Die Auseinandersetzung mit dieser Orientierung der GE war einer der zentralen
Konflikte in der Parteikrise von 1969/70 und wurde dadurch gelöst, dass auf
einer Bundeskonferenz der „Gewerkschaftlichen Einheit“ im Oktober 1970 sich
95 Prozent der Delegierten gegen die Ansichten der Gruppe Kodicek und für die
Fortsetzung des Bündnisses mit der KPÖ entschieden. Die GE unter Kodicek, der
vom Präsidenten Anton Benya demonstrativ zu einem der Sekretäre des ÖGB
ernannt wurde, bestand weiter und kandidierte unter dieser Bezeichnung bei
Personalvertretungs- und Arbeiterkammerwahlen, woraufhin die kommunistischen
Gewerkschafter unter dem neuen Vorsitzenden Anton Hofer sich als
„Gewerkschaftlicher Linksblock“ konstituierten. Er konnte in der Periode des
zeitweiligen Aufschwungs der KPÖ in den Jahren 1971 bis 1974 bedeutende
Stimmenzuwächse bei Betriebsratswahlen gegenüber früher erzielen und erwies
sich hier stets als ungleich stärker als die ebenfalls kandidierende
„Gewerkschaftliche Einheit“. Noch in den 1980er Jahren verfügte die Partei
über Positionen in wichtigen Großbetrieben, vor allem der verstaatlichten
Industrie, die weit über den Einfluss hinausgingen, den die KPÖ auf
gesamtgesellschaftlicher Ebene besaß. So viel zum historischen Rückblick auf
die kommunistische Gewerkschaftspolitik.
KPÖ und Arbeiterkammern
Nun zum zweiten
Teil, der kürzer ausfallen wird, zu den Arbeiterkammern. Die „Kammern für
Arbeiter und Angestellte“, wie sie korrekt heißen, sind im Unterschied zu den
Gewerkschaften gesetzlich verankert als Körperschaften öffentlichen Rechts.
Geschaffen wurden sie durch Staatsgesetz vom 26. Februar 1920, bestanden in der
Form bis 1934 und traten mit dem Arbeiterkammergesetz vom 20. Juli 1945 erneut
ins Leben. Zweck ihrer Institutionalisierung im Jahr 1920 war, gegenüber den
seit 1848 bestehenden Handels- und Gewerbekammern der Unternehmer endlich die
Gleichstellung in Form einer ebenfalls gesetzlichen Interessensvertretung für
die Arbeiter und Angestellten zu erreichen. Ihre Aufgabe ist es laut Gesetz,
„die sozialen, wirtschaftlichen, beruflichen und kulturellen Interessen der
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu vertreten und zu fördern“. Taxativ
aufgezählt fällt darunter: die Erstattung von Berichten, Gutachten und Vorschlägen
an die gesetzlichen Körperschaften über alle Angelegenheiten, die mittelbar
oder unmittelbar das Interesse der Arbeiter und Angestellten berühren, also
Dinge wie Regelung der Arbeitsverhältnisse, Arbeiterschutz, Sozialversicherung,
Arbeitsmarkt, Wohnungsfürsorge, Volksgesundheit, Volksbildung und
Konsumentenschutz; weiters Erhebungen über die wirtschaftliche Lage der
Arbeiter und Angestellten, der Preis- und Lohnentwicklung sowie die Sammlung von
Arbeitsstatistiken; weiters die Rechtsberatung und Rechtshilfe im Falle von
Arbeitskonflikten sowie die Beratung der Betriebsräte bei der Erfüllung ihrer
Aufgaben.
Als demokratische Einrichtungen werden die Mandatare der Arbeiterkammern, die
Arbeiterkammerräte, von den Arbeitern und Angestellten nach dem Proporz gewählt,
und zwar alle fünf Jahre, erstmals in der Zweiten Republik im Jahr 1949.
Wahlberechtigt sind alle, die nach den Sozialversicherungsbestimmungen als
Arbeiter, Angestellte und Verkehrsbedienstete gelten. Demgemäß gab es die längste
Zeit die Unterteilung in diese drei Wählergruppen, deren Stimmen getrennt gezählt
wurden, eine Regelung, die erst mit dem neuen Arbeiterkammergesetz 1992
aufgehoben wurde.
Bei den Arbeiterkammern besteht eine Zwangsmitgliedschaft. Jeder Arbeiter und
Angestellte ist zur Zahlung der Kammerumlage verpflichtet, die im Rahmen des
Sozialversicherungsbeitrags eingehoben wird. Da die Arbeiterkammern die
gesetzlichen Interessensvertretungen der stets zahlreichsten Bevölkerungsschicht
in Österreich sind, fließen aus der Umlage die finanziellen Mittel, die für
die Aufrechterhaltung ihrer Tätigkeit notwendig sind.
Von den drei von mir behandelten Institutionen sind die Arbeiterkammern
gewissermaßen das wissenschaftliche Standbein, und es sind die großen
Sachkenntnisse ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die Gediegenheit ihrer
Gutachten und fachspezifischen Veröffentlichungen, die diese
Interessensvertretung so wertvoll machen. Wiewohl nur eine Minderheit, haben
Mitglieder der KPÖ in den Arbeiterkammern immer aktiv mitgewirkt und eine
positive Rolle gespielt. Der Bekannteste war Dr. Eduard Rabofsky, der als langjähriger
Leiter der Rechtsabteilung der Wiener Arbeiterkammer mit seinen Initiativen auf
dem Gebiet des Arbeits- und Sozialrechts im Fachkreis der Juristen hohe
Anerkennung fand.
Wichtig für mein Thema ist aber etwas anderes, nämlich die Tatsache, dass die
Arbeiterkammerwahlen der Zweiten Republik ein Spiegelbild der politischen Kräfteverhältnisse
in der Arbeiter- und Angestelltenschaft liefern. Das war so, weil nur politische
Parteien Wahlvorschläge einbringen durften, es also keine Listen von
Parteilosen oder Namenslisten wie bei den Betriebsratswahlen gab. Ich habe mir
die Mühe gemacht, die Wahlergebnisse tabellarisch zusammenzufassen und beschränke
mich dabei auf vier, auf ganz Österreich, auf Wien, Niederösterreich und die
Steiermark. Erläutert muss dabei werden, dass ich zur Vereinfachung die Stimmen
in den drei Wahlkörpern jeweils addiert habe, was besonders bei der KPÖ nur
einen prozentmäßigen Durchschnittswert ergibt. Denn deren Stimmenanteil war in
den Wahlkörpern Arbeiter sowie Verkehrsbedienstete immer höher als der
angegebene Gesamtprozentsatz, der durch die regelmäßig bescheideneren
Ergebnisse bei den Angestellten entsprechend gedrückt wurde.
Zunächst einmal die österreichweiten Resultate. Man
sieht hier alle Wahlgänge der Zweiten Republik. Bei der KPÖ zeigt sich ein
ziemlich stabiler Stimmenanteil zwischen 6,5 und 9 Prozent bis 1964, ein Wert
der aus den regelmäßig niedrigeren Anteilen in Bundesländern wie Salzburg,
Tirol, Vorarlberg, Burgenland resultiert. Ab 1969 ist eine Halbierung der
Stimmen und Prozente festzustellen. Auf dem Niveau bleibt es bis 1989, dann ein
erneuter Rückgang auf ein bzw. unter ein Prozent. Aber noch einmal: die Erfolge
der KPÖ bei den Wahlen in die Gruppen Arbeiter und Verkehrsbedienstete waren
stets größer. 1949 und 1954 erreichte man bei den Arbeitern 11 Prozent und bei
den Verkehrsbediensteten 9 bis 10 Prozent.
Jetzt ein Blick auf Wien. Man sieht hier in der besten Zeit, 1949 und 1954,
Prozentanteile der KPÖ von 10,3 bzw. 12,3 Prozent. Erneut waren sie bei den
Arbeitern und Verkehrsbediensteten höher: 14 bis 15 Prozent. Dasselbe gilt für
Niederösterreich mit 10,9 Prozent 1949 und 12,7 Prozent
1954. Hier haben die Kommunisten im Jahr 1954 bei den Arbeitern das überhaupt
beste Ergebnis aller Arbeiterkammerwahlen der Zweiten Republik mit 17,2 Prozent
erreicht. Schließlich noch die Steiermark. Ergebnis: 8 bis 9 Prozent von 1949
bis sogar 1964, bei den Arbeitern und Verkehrsbediensteten 10 bis 11 Prozent.
Gegenwärtig hat die KPÖ, genauer gesagt, der „Gewerkschaftliche
Linksblock“, in den 9 Bundesländer-Arbeiterkammern 3 Mandate, 2 in der
Steiermark und 1 in Wien. Zusätzlich ist es dort der Kommunistischen Initiative
2009 gelungen, 2.231 Stimmen zu bekommen und mit Otto Bruckner in die
Arbeiterkammer-Vollversammlung einzuziehen.
KPÖ und Betriebsräte
Nun zum dritten
und letzten Teil, zu den Betriebsräten. Betriebsräte wurden in Österreich
durch das Gesetz vom 15. Mai 1919 ins Leben gerufen und waren eine substanzielle
Errungenschaft des revolutionären Aufschwungs der Arbeiterbewegung nach dem
Ende des Ersten Weltkriegs. Nach Auffassung der sozialdemokratischen Partei- und
Gewerkschaftsführer sollte das Betriebsrätegesetz von 1919 die unumschränkte
Kommandogewalt des Kapitalisten in den Betrieben beenden und – wie es der
damalige Staatssekretär für soziale Fürsorge, Ferdinand Hanusch, ausdrückte
– „die absolute Monarchie des Fabrikherrn in eine konstitutionelle“
umwandeln. In diese Richtung zielende Befugnisse der Betriebsräte waren das
Recht, in die Lohnlisten Einsicht zu nehmen und die Lohnauszahlungen zu
kontrollieren; die Anfechtung von Kündigungen, wenn sie aus politischen Gründen
erfolgt sind; das Recht, alljährlich die Betriebsbilanz, den Gewinn- und
Verlustausweis, vorgelegt zu bekommen; und der Anspruch auf Entsendung von zwei
Vertretern in den Aufsichtsrat bei Unternehmen in der Rechtsform einer
Aktiengesellschaft.
Das Betriebsrätegesetz von 1919 trat nach den Jahren des grünen und braunen
Faschismus 1945 wieder in Kraft und wurde 1947 als Gesetz neu gefasst. Die vier
kommunistischen Abgeordneten im Nationalrat Koplenig, Honner, Fischer und Elser
stimmten damals dagegen mit der Begründung, dass es bei den
Mitbestimmungsrechten zu wenig weit gehe. In der Folge wurde das Betriebsrätegesetz
von 1947 mehrmals novelliert und ging schließlich in das
Arbeitsverfassungsgesetz von 1973 ein, das seither ebenfalls zahlreiche Novellen
erlebte.
Die Ebene der Betriebsräte als wirklicher Basisorganisation war in der Zweiten
Republik für die KPÖ das Hauptkampffeld der drei
Arbeiterinteressensvertretungen, und hier hat man auch die größten Erfolge
erzielt. Sie ziffernmäßig exakt zu umreißen, ist allerdings sehr schwer bis
unmöglich. Warum? Erstens gab es sehr oft, anfangs alle zwei, später alle drei
Jahre Wahlgänge, oft zu verschiedenen Terminen in einzelnen Bundesländern.
Zweitens trugen die Listen, auf denen Betriebsräte kandidierten, die
verschiedensten Bezeichnungen, aus denen nicht immer die politische Richtung
hervorgeht. Drittens war der Anteil von Namenslisten von Personen mit
unbekannter Parteizugehörigkeit immer sehr hoch, im Schnitt 25 bis 30 Prozent,
und selbstverständlich konnte keine Partei den Prozentsatz der Betriebsräte,
deren Parteirichtung ungeklärt war, für sich beanspruchen. Auf den
Namenslisten kandidierten zudem auch tatsächlich viele Parteilose. Und viertens
orientierte sich die KPÖ bei den Betriebsratswahlen auf die Bildung von
Einheitslisten, was Berechnungen bei der parteimäßigen Aufgliederung zusätzlich
kompliziert.
Es gibt daher für die Betriebsratswahlen der Zweiten Republik, bei denen zu den
besten Zeiten an die 35.000 Personen gewählt wurden, keine genaue und zuverlässige
Gesamtstatistik, sondern nur bruchstückhafte Einzelergebnisse nach
Berufsbranchen, regionalen Industriebezirken und einzelnen Großbetrieben. Die
Wahlresultate scheinen in den verschiedensten Quellen auf, oft dort, wo man sie
gar nicht vermutet, und es war für mich eine recht langwierige Aufgabe, sie in
Zeitschriften und anderen Publikationen zu eruieren, was bei vielen Besuchen in
der Bibliothek der Wiener Arbeiterkammer geschah.
Die folgenden Angaben sind daher sowohl Überblicksziffern aufgrund eigener
Berechnungen als auch einzelne Fallbeispiele. Nimmt man den Zeitraum von 1945
bis 1953/54 her, dann zeigt sich, dass die KPÖ in der gesamten Arbeiterklasse,
ausgedrückt in den Ergebnissen der Arbeiterkammerwahlen, mit 10 Prozent doppelt
so stark vertreten war wie bei den Nationalratswahlen, und in den Kernschichten
der Arbeiterklasse in den industriellen Großbetrieben mit an die oft 30 Prozent
sechsmal so stark. Die KPÖ konnte sich deshalb zum damaligen Zeitpunkt mit
vollem Recht als eine Partei der arbeitenden Menschen bezeichnen.
Der Anteil kommunistischer Betriebsräte war österreichweit am höchsten in der
chemischen Industrie mit 15,4 Prozent sowie bei den Metallarbeitern mit 11,2
Prozent, geschuldet natürlich auch der Existenz der USIA- und SMV-Betriebe. In
den Bundesländern war man in Niederösterreich am stärksten mit über 13
Prozent, wo es als sowjetischer Besatzungszone die meisten USIA-Betriebe gab.
Die kommunistische Einheitsliste konnte damals im Zistersdorfer Erdölgebiet
fast 70 Prozent der Betriebsratsmandate erringen, ein nie vorher und danach
erreichtes Rekordergebnis, und in den Industriebetrieben in Wien-Floridsdorf,
einem sowjetischen Stadtbezirk, wählten rund 40 Prozent der Arbeiter und
Arbeiterinnen kommunistische Betriebsräte.
Aber auch in den westlichen Besatzungszonen war die Partei in der
Industriearbeiterschaft fest und stark verankert. In der Steiermark erreichten
beim Wahlgang 1947/48 kommunistische Einheitslisten in Gewerbe und Industrie 20
Prozent der Stimmen, in den industriellen Großbetrieben zwischen 30 und 35
Prozent, während hier auf die SPÖ 40 bis 45 Prozent entfielen. Kommunistische
Betriebsratsmehrheiten gab es sogar in einigen Werksabteilungen der
Alpine-Montan, im Bergbau Fohnsdorf und in Salzburg zum Beispiel auch in der
Papierfabrik Hallein. Die starke kommunistische Präsenz in der
Industriearbeiterschaft ist also in ganz Österreich und unabhängig von der
jeweiligen Besatzungsmacht festzustellen.
Sehr beachtlich waren auch die Erfolge bei den Personalvertretungswahlen der
Eisenbahner und der Gemeindebediensteten in Wien. Sie sehen hier einige
Ergebnisse, wobei die bei den Bundesbahndirektionen Salzburg und Innsbruck, in
tief schwarzen Bundesländern also, mit 16,6 und 13,3 Prozent besonders ins Auge
fallen. Die hohen Anteile hat man hauptsächlich in den Bundesbahnwerkstätten
erzielt.
In der SPÖ-dominierten Gemeinde Wien kam die KPÖ bei den
Personalvertretungswahlen 1954 auf 11,4 Prozent, bei den Straßenbahnern auf
fast 20 Prozent und im Gaswerk auf 17,5 Prozent. Ein sehr gutes Ergebnis wurde
selbst noch 1958 erreicht mit 8,8 Prozent, davon 14 Prozent bei den Straßenbahnern.
Als Kuriosum, weil in der kapitalistischen Welt ein einzigartiges Phänomen,
seien noch die Kommunisten in der Wiener Polizei erwähnt. Dort entfielen bei
den Personalvertretungswahlen der öffentlich Bediensteten im Jahr 1951 auf die
KPÖ-Liste bei der Sicherheitswache 16,4 Prozent und bei den Kriminalbeamten
sogar unglaubliche 34,9 Prozent.
Um ein für alle Zeit abgesichertes Erbgut
handelte es sich bei den Betriebsrats- und Personalvertretungswahlen aber
nicht, und ab 1956/57 begannen auch hier die Stimmenverluste. Dies nicht
deshalb, weil die Betriebsratspolitik der KPÖ so falsch war, sondern aus
objektiven Gründen, die zum Rückgang ihres Einflusses auf allen
gesellschaftlichen Ebenen führte. Beim Betriebsrat, den jeder von der
Belegschaft kennt und der sich tagtäglich aufs Neue bewähren muss, spielt außerdem
die Persönlichkeit und das Ansehen eine gewaltige Rolle. Trat ein solcher
erprobter kommunistischer Betriebsrat einmal in den Ruhestand, war es sehr
schwer, ihn gleichwertig zu ersetzen und in aller Regel so, dass das
Betriebsratsmandat bei den nächsten Wahl verloren ging und später nicht wieder
errungen werden konnte.
Mein Referat hat aber, glaube ich, gezeigt, dass die kommunistische Politik in
den Arbeiterinteressensvertretungen ein sehr wichtiger und lange Zeit sehr
erfolgreicher Bestandteil der KPÖ-Gesamtpolitik war. Es ist meines Erachtens
nicht bloß wünschenswert, sondern künftig unabdingbar, dass Kommunisten und
Kommunistinnen unter der Masse der arbeitenden Menschen, und hier vor allem im
Produktionsbereich, als gewählte Vertreter wieder Fuß fassen.
Referat am Symposium der Alfred Klahr Gesellschaft, des Bildungsvereins
der KPÖ Steiermark und des GLB Steiermark „Klassenkampf und
Interessenpolitik. Kommunistische Gewerkschaftspolitik in historischer und
aktuell-politischer Perspektive“ am 12. November 2011 in Graz.
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