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Karin
Antlanger: Kommunistische Gewerkschaftspolitik heute
Aus mehreren Gründen verstehe ich das Thema
„Kommunistische Gewerkschaftspolitik heute“ als Fragestellung für linke
Gewerkschaftspolitik im weiteren Sinne.
Im „Kommunistischen Manifest“ heißt es: „Die
Kommunisten sind keine besondere Partei gegenüber den andern Arbeiterparteien.
[…] Die Kommunisten sind also praktisch der entschiedenste, immer
weitertreibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder; sie haben theoretisch
vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht.“
So gut und richtig diese Erkenntnis ist, so wenig darf sie aber dazu verleiten
zu meinen, die KommunistInnen hätten immer und überall einzig und allein Recht
und alle anderen seien der personifizierte Klassenfeind oder zumindest nützliche
Idioten desselben. Diese im Manifest beschriebene Aufgabe, nämlich theoretisch
vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht zu haben, ist nichts
Selbstverständliches, sie muss täglich aufs Neue errungen werden und mir
fallen nicht wenige Beispiele dafür ein, dass wir hinter den Anforderungen nach
dieser Einsicht zurückgeblieben sind.
Die KPÖ ist zwar eine Gründerpartei des ÖGB und sie hat sich, wenn auch
vergeblich, gegen die vor allem von der Sozialdemokratie betriebene
Fraktionierung des ÖGB gewendet, sie letztlich aber als solche akzeptieren müssen.
Seit Jahrzehnten erfolgt unsere Arbeit in Gewerkschaften, Arbeiterkammern und
Betrieben über die sich immer als offen verstehende linke
Gewerkschaftsfraktion, also den „Gewerkschaftlichen Linksblock“. Rund 60
Prozent aller gewählten VertreterInnen des GLB sind Menschen, die nicht der KPÖ
angehören - zumeist parteilose Linke oder vereinzelt auch anderen Parteien
Angehörende, mit denen es solidarisch zusammenzuarbeiten gilt. Auch das spricht
dafür, das Thema breiter zu fassen und nicht parteipolitisch einzuengen.
Zum Verständnis der Klasse
Wenn im „Manifest“ von der Einsicht die Rede ist, geht
es vor allem um unsere Sicht auf die Klasse und dabei ist es nicht hilfreich
einem überholten Verständnis anzuhängen, demzufolge die Klasse an sich und für
sich per se als revolutionär gesehen wird oder eine historische Mission
heroisiert wird. Ebenso wenig ist es sinnvoll die Klasse auf ihren Kern, nämlich
die in der Produktion beschäftigten Arbeiter, und das ist meist ja wirklich nur
männlich gemeint, einzuengen.
Die ArbeiterInnenklasse hat sich gerade in den letzten zwei, drei Jahrzehnten
unter den Bedingungen des neoliberalen Kapitalismus, der Entwicklung von
Wissenschaft und Technik, der Globalisierung und Internationalisierung
von Produktion und Wirtschaft und nicht zuletzt infolge des Scheiterns
der Systemalternative mit dem Zusammenbruch des sog. realen Sozialismus
gravierend verändert. Als Stichworte für diese Veränderungen der
ArbeiterInnenklasse möchte ich nur Prekarisierung, Migration und Feminisierung
nennen, ohne dies jetzt näher auszuführen.
Nach dem Auslaufen des fordistischen
Modells, für das nicht nur in Österreich die Entwicklung eines weitreichenden
Sozialstaates mit relativem Wohlstand, gleichzeitig aber auch der Entwicklung
der Sozialpartnerschaft und das Abflauen früher gekannter
Klassenauseinandersetzungen steht, haben wir es in den letzten Jahren mit einer
Stagnation der Reallöhne, die sich in einer sinkenden Lohnquote ausdrückt, mit
massiven Privatisierungen öffentlichen Eigentums und – gestützt auf die
Behauptung dass Sozialleistungen nicht mehr finanzierbar seien – mit einem
forcierten Trend zur privaten, persönlichen Eigenvorsorge zu tun.
Neoliberale
Hegemonie
Die Arbeitswelt hat
sich unübersehbar gravierend verändert: Das zahlenmäßige Wachstum der Lohnabhängigen erfolgt durch eine immer stärkere
Umschichtung von normalen zu prekarisierten Arbeitsverhältnissen, wie die
Entwicklung von Leiharbeit,
Teilzeitarbeit, Werkverträgen, geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen
usw. zeigt. Die Konkurrenz und
Entfremdung der Lohnabhängigen untereinander führt zur Entsolidarisierung,
etwa durch die Auflösung gemeinsamer Arbeitszeit durch Gleitzeit, Teilzeit etc.
Der Zwang zur ständigen Erreichbarkeit über Handy oder Internet, ständige
Umgliederungen in den Unternehmen desorganisieren die Lohnabhängigen. Die
Verdatung der Arbeit verbunden mit verstärkter Vergleichbarkeit bedeutet auch
Verlust von Raum für gewerkschaftliche und gesellschaftliche Aktivitäten. Wir
müssen also von einer Desorganisierung der Lohnarbeit sprechen, statt einer
Formierung wie sie im 19. und 20. Jahrhundert erfolgte.
Das Wesentlichste dabei ist freilich die neoliberale Hegemonie in den Köpfen
der Lohnabhängigen: während nämlich die Dogmen des Neoliberalismus spätestens
mit der seit 2008 anhaltenden Krise unübersehbar gescheitert sind, behauptet
sich in den Köpfen der Menschen der neoliberale Geist, vor allem auch weil es
den Herrschenden bislang gelungen ist nach dem Motto von Margret Thatcher „There
ist no alternative“ gesellschaftliche Alternativen für unmöglich zu erklären.
Wer von uns kennt nicht die abwehrende Reaktion vieler Menschen, wenn sie sagen
„Das bringt eh alles nichts, die machen eh was sie wollen.“ Der slowenischer
Philosoph und Psychoanalytiker Slavoj Zizek hat dies mit der Aussage „Es ist
unschwer für uns, uns das Ende der Welt vorzustellen - siehe die zahllosen
Apokalypse-Filme - aber nicht das Ende des Kapitalismus“ recht treffend auf
den Punkt gebracht.
Zur
Funktion von Gewerkschaften
Der aus dem
Gegensatz zwischen Lohnarbeit und
Kapital resultierende Kampf um den Preis der Ware Arbeitskraft, für die Verbesserung der Lebensverhältnisse
ist eine ureigene Aufgabe der Gewerkschaften als Interessenvertretung
der Lohnabhängigen. Obwohl dabei die Kapitaleigentümer in
der stärkeren Position sind und laut Karl Marx ein ständiger
„Guerillakrieg zwischen Kapital und Arbeit“ herrscht, gibt es wesentlich
mehr Spielraum als die Spitzen des ÖGB zuzugeben bereit sind.
Wie für die Linke insgesamt hat
sich der neoliberale Kapitalismus auch für die Gewerkschaften unterm Strich
sehr negativ bemerkbar gemacht: Der Organisierungsgrad
ist gesunken, vor allem auch durch die Schrumpfung von Großbetrieben als früher
starke Bastionen. Heute haben die Gewerkschaften ihre stärksten Positionen im
öffentlichen Dienst. Die Prekarisierung erschwert die Organisierung, alte
Modelle greifen nicht, neue Branchen sind schwer erschließbar, wobei es hier
lange große Versäumnisse gab, auf diesen Trend rechtzeitig und richtig zu
reagieren. Sinkende Mitgliederzahlen bedeuten natürlich auch weniger
Mitgliedsbeiträge und schwächen damit die Gewerkschaft.
Anmerkungen zum Streik
Heute war hier schon verschiedentlich von Arbeitskämpfen
die Rede und wird sicher noch sein. Die jahrzehntelange Entwöhnung von einem
der selbstverständlichsten Kampfmittel der Lohnabhängigen in Österreich führte
zu einer bestimmten Form von Streikromantik, welche die Augen so mancher
leuchten lässt, wenn nur die Rede von Streik ist. Vergessen und ignoriert wird
dabei aber die Erkenntnis, dass ein Streik nicht aus Jux und Tollerei oder auf
Knopfdruck geführt wird, sondern vor allem ein hohes Maß an Überzeugungsarbeit
der Betroffenen, ein hohes Maß an Mobilisierung und ein hohes Maß an Disziplin
verlangt.
Die oberösterreichischen Sozialvereine „pro mente“ und „EXIT-sozial“
haben 2010 einen zweitägigen Streik gegen eine vom Land verordnete Schließung
von Betreuungseinrichtungen durchgeführt und damit zumindest den allergrößten
Schaden für die Beschäftigten verhindern können. Eine Erfahrung dabei war und
ist, dass letztlich jeder Streik einen politischen Charakter hat, insbesondere
wenn er gegen die öffentliche Hand als Subventionsgeber geführt wird.
Ich finde es erfreulich, dass bei den Lohnverhandlungen der Metallindustrie
heuer nicht nur die Forderung nach 5,5 Prozent schon bald nach
Verhandlungsbeginn öffentlich gemacht wurde, was eindeutig einen klaren
Mobilisierungseffekt hatte, sondern dass auch ein Warnstreik erfolgte.
Angesichts der allgemeinen Einstellung der ÖsterreicherInnen zu Protesten,
Demonstrationen und Streiks ist es auch überraschend, dass laut Umfragen eine
Mehrheit den MetallerInnenstreik unterstützt hat. Argumentierten doch in den
letzten Jahren gerade führende GewerkschaftsfunktionärInnen gerne damit, dass
„die Bevölkerung einen Streik nicht gutheißen würde“. Aber wahrscheinlich
setzt man die Meinung der Bevölkerung gerne mit den meinungsmachenden
Kleinformaten der Boulevardpresse gleich.
Einmal mehr hat sich freilich gezeigt, wie die Spitzen der Sozialpartnerschaft
in Person von Christoph Leitl und Ernst Foglar mit kräftiger Schützenhilfe der
Minister Mitterlehner und Hundstorfer mit aller Kraft bemüht waren den Streik
so rasch als möglich abzudrehen, obwohl eindeutig mehr als die erreichten 4,2
Prozent drin gewesen wären.
Ziele linker Betriebs- und
Gewerkschaftsarbeit
Das Ziel linker bzw. kommunistischer Betriebs- und
Gewerkschaftsarbeit ist es, den Widerspruch
zwischen gesellschaftliche Produktion und private Aneignung in der Arbeitswelt
erfahrbar zu machen, weil sich nur eine Minderheit dieses Widerspruchs bewusst ist. Diese Bewusstmachung ist
Voraussetzung dafür, um die Eigentumsfrage und damit die Frage nach dem
Systemwechsel zu stellen. Die Mehrheit empfindet die Auswirkungen des
Kapitalismus als Habsucht, Spekulation oder Folge falscher Politik. Die Menschen
sind oft anfällig für jede Art von Verschwörungs- und Untergangstheorien. Das
hat Auswirkungen auf das
Bewusstsein. Ohnmacht,
Resignation, Sozialpartnerschaft, Gewerkschaftsfeindlichkeit, linksradikaler
Zynismus sind dafür typisch. Ich möchte auch in diesem Zusammenhang noch
einmal Slavoj Zizek zitieren, der vor genau einem Monat vor der
Occupy-Wall-Street-Protestbewegung am Liberty-Square in New York gesprochen hat.
Er hat dort die Frage des Systemwechsels sehr prägnant thematisiert, indem er
meinte: „Das Problem ist nicht die
Korruption oder die Gier, das Problem ist das System, das uns dazu treibt,
korrupt zu werden. Die Lösung heißt nicht „Main-Street statt Wall-Street“,
sondern wir müssen das System verändern, das darauf beruht, dass die
Main-Street nicht ohne die Wall-Street funktionieren kann.“
Wenn sich die Bedeutung der
Arbeitswelt für linke, kommunistische Politik darin erschöpft, sich als die Partei
der ArbeiterInnenklasse zu erklären, wird uns das nicht weiterbringen, weil es
viel zu weit weg ist von der Lebenswirklichkeit der Angesprochenen. Hingegen ist
es wohl eine Selbstverständlichkeit, dass die Lohnabhängigen der Bezugspunkt
unserer Gewerkschafts- und Betriebsarbeit sind. Es geht dabei schließlich um
die große Mehrheit der Gesellschaft, sind doch rund 80 Prozent lohnabhängig
oder waren es vor ihrer Pensionierung.
Unser
Verständnis von Gewerkschaften
In diesem
Zusammenhang sehe ich auch unser Verhältnis zu den Gewerkschaften als
umfassendste Klassenorganisation der Lohnabhängigen. Die Gründung eines
einheitlichen, überparteilichen ÖGB durch
SPÖ, ÖVP und KPÖ als
Schlussfolgerung aus der Zersplitterung der Richtungsgewerkschaften der Ersten
Republik war ein Fortschritt. Die Entwicklung des ÖGB hat hingegen durch die
fraktionelle Zersplitterung, die weitgehende Unterordnung unter die Politik der
dominierenden Sozialdemokratie und die Institutionalisierung im Rahmen der
Sozialpartnerschaft viele Hoffnungen nicht erfüllt. Dass die Linken im ÖGB
dabei immer stärker an den Rand gedrängt wurden und faktisch nur eine
geduldete Minderheit darstellen ist vor diesem Hintergrund neben eigenen Fehlern
wie etwa der Unterschätzung des wirtschaftlichen Aufschwunges von den 1950er
bis in die 1980er Jahre und der damit verbundenen Auswirkung auf das Bewusstsein
der Lohnabhängigen nicht überraschend.
Leider wurden auch die Chancen einer gründlichen Reform des ÖGB bei dessen
Krise infolge des BAWAG-Skandals von 2006 nicht genutzt, nach einer kurzen
Schrecksekunde setzten die bestimmenden Kräfte auf ein Durchtauchen. Unsere
Vorschläge wie die nach einer flachen Organisation mit dem ÖGB als Dach und
darunter Wirtschaftsbereiche ähnlich dem GPA-Modell, dem Prinzip „Ein
Betrieb, eine Gewerkschaft“ zur Beendigung der Trennung von ArbeiterInnen und
Angestellten und Ausweitung der innergewerkschaftlichen Demokratie durch
Urabstimmungen über KV-Abschlüsse usw. wurden leider nicht aufgegriffen. Nicht
zuletzt auch, weil die Rivalitäten zwischen den existierenden Machtblöcken der
von einst 16 auf mittlerweile nur noch sieben stark fusionierten Gewerkschaften
dies verhinderten.
Unsere Kritik an der etablierten Gewerkschaftspolitik zielt vor allem auf die
Ein- und Unterordnung des ÖGB als Ordnungsfaktor, so die Eigendefinition, im
Rahmen der Sozialpartnerschaft unter Kapital und Regierung ab.
Wir wenden uns ebenso gegen die Akzeptanz der vom Kapital aus recht
durchsichtigen Profitinteressen vorgegebenen Standortlogik. Solange sich die
Gewerkschaften auf europäischer und internationaler Ebene mit diesem
Totschlagargument gegeneinanderstellen und vom Kapital, das bei allen Rivalitäten
international hervorragend aufgestellt ist, wovon Legionen von entsprechenden
Institutionen wie IWF, Weltbank, EU usw. und Myriaden von Lobbyisten zeugen,
solange kann das nur zum Nachteil der Lohnabhängigen sein. Davon zeugen eine
sinkende Lohnquote und seit 15 Jahren stagnierende Realeinkommen. Daher gilt es
die gewerkschaftlichen Defizite bei Migration, bei Frauenpolitik, bei
Prekarisierung und beim Internationalismus konkret anzusprechen und für
Alternativen zu wirken.
Internationale Vernetzung
Ich habe schon die Diskrepanz aufgezeigt, dass sich
Gewerkschaften durch Unterordnung unter die Standortlogik
des Kapitals international gegeneinander ausspielen lassen, während sich
das Kapital längst internationalisiert hat. Hier sehe ich auch eine der größten
Herausforderungen für linke Gewerkschaftspolitik und auch die größten
Defizite. Die sehr unterschiedlichen Bedingungen und Standards bei Löhnen,
Sozialleistungen, Arbeitsrecht usw. in den einzelnen EU-Ländern und darüber
hinaus werden von Kapitalseite sehr systematisch genutzt um die Gewerkschaften
gegeneinander auszuspielen und nationalistische Momente zugunsten des Profits zu
kanalisieren.
Aus meinen Erfahrungen im Rahmen des Gewerkschaftsnetzwerkes der Europäischen
Linken in den letzten Jahren lässt sich resümieren, dass es selbst unter
linken GewerkschafterInnen schwer ist zu gemeinsamen Positionen zu kommen, etwa
wenn sich VertreterInnen der doch relativ starken linken Gewerkschaften in
Frankreich oder Italien einer Mitarbeit aus recht durchsichtiger nationaler
Ignoranz verweigern. Ähnliches gilt auch für den Weltgewerkschaftsbund, dem
der GLB nach wie vor angehört, dessen Tätigkeit aber auch über papierene Erklärungen
nicht hinauskommt und zudem mit dem Problem zu kämpfen hat, dass ihm auch
Gewerkschaften aus staatssozialistischen Ländern wie China angehören, was dem
Verständnis freier, regierungsunabhängiger und nur den Lohnabhängigen
verpflichteten Gewerkschaften deutlich widerspricht.
Unsere
Positionen in Betrieben und Gewerkschaften
Linke
Gewerkschaftspolitik bewegt sich seit Jahrzehnten im Spannungsfeld zwischen
einerseits scharf die etablierte Gewerkschaftsbürokratie zu kritisieren und
andererseits sich zum einheitlichen ÖGB zu bekennen. Daraus resultiert freilich
auch eine in unseren Reihen oft anzutreffende Gewerkschaftsfeindlichkeit, die
uns hindert mehr Einfluss zu nehmen. Realistisch betrachtet muss auch
festgestellt werden, dass es derzeit keine Alternative zum ÖGB gibt:
Verschiedentliche Anläufe wie eine FPÖ-Gewerkschaft oder eine
Bildungsgewerkschaft in Vorarlberg sind bekanntlich ziemlich schmählich
gescheitert. Daher auch mein Appell an alle Berufstätigen in der KPÖ und in
ihrem Umfeld, ihren Frust darüber, dass in Österreich nichts weitergeht nicht
in Gewerkschaftsfeindlichkeit auszulassen, sondern sich aktiv in eine linke
Gewerkschaftsarbeit einzubringen, wobei dies bei den Strukturen innerhalb der
Gewerkschaften nicht immer leicht ist.
Wie ein kleiner Rückblick zeigt, haben sich die Positionen von KPÖ und
GLB in den Betrieben im Vergleich zu den 1970er und 1980er Jahren wesentlich verändert.
Damals gab es starke linke Positionen in der Verstaatlichten und bei der Bahn.
Infolge der Zerschlagung des öffentlichen Eigentums sind die meisten dieser
Positionen verloren gegangen. Heute sind die Positionen viel differenzierter, so
hat der GLB in Wien einen Schwerpunkt bei den Wiener Linien, in der Steiermark
in der Metallbranche und in Oberösterreich in der Sozialbranche.
Die früheren starken Positionen in den Großbetrieben sind weitgehend verloren
gegangen, nicht nur aus den genannten objektiven Gründen wie Zerschlagung der
Verstaatlichten und Privatisierung, sondern oft auch weil es nicht gelungen ist
Nachfolge bei Pensionierungen zu finden. Natürlich spielt dabei mit auch eine
Rolle, dass die Großbetriebe weitgehend von der SPÖ dominiert sind, dort das
sogenannte Betriebskaisertum mit seinen autoritären Auswirkungen herrscht,
Fraktionslisten die Regel sind und für scharfe zwischenfraktionelle
Auseinandersetzungen oft mehr Energie aufgewendet wird als im Kampf gegen
Vorstand und Regierung. Das färbte oft auch auf unsere Betriebsräte ab, die
sich einer paternalistischen Sozialisierung in einem solchen Umfeld oft nicht
entziehen konnten, wie der Umgang in der eigenen Fraktion gezeigt hat.
Hingegen gibt es in kleineren Betrieben eine spürbar andere gewerkschaftliche
Kultur, mit einem solidarischeren Umgang und hier sind auch Betriebs- oder
Namenslisten statt Fraktionslisten die Regel. Laut WKO-Statistik haben von
294.397 Unternehmen (ohne den öffentlichen Dienst) 57.387 mehr als fünf Beschäftigte,
kommen also für eine Betriebsratswahl in Frage. Rechnerisch müsste es demnach
für die hier 1,98 Millionen Beschäftigten rund 117.000 BetriebsrätInnen
geben, tatsächlich werden aber laut ÖGB nur rund 50.000 BetriebsrätInnen bzw.
PersonalvertreterInnen in rund 10.000 Betrieben gewählt. Hier liegen also große
Reserven, die auch wir nützen können und sollen.
Wenn sich Betriebsrat, Personalvertretung und Gewerkschaft nur als Kümmerer
verstehen, ist das zu wenig. Das praktiziert die in vielen Betrieben allmächtige
FSG immer noch mit Hingabe um die Politik der SPÖ-geführten Regierung zu
verschleiern. Das Kümmern gehört natürlich bis zu einem bestimmten Ausmaß
zum Kerngeschäft, gleichzeitig wird damit aber Stellvertreterdenken und
Servicementalität tradiert. Das Bestreben linker Betriebs- und
Gewerkschaftsarbeit muss es hingegen sein, soweit wie möglich Partizipation und
Selbsttätigkeit im Sinne von Selbstermächtigung zu fördern. Dabei geht es
vorrangig um Inhalte, wir sollten daher Betriebsratswahlen mit Argumenten
schlagen und nicht mit teuren Wahlgeschenken eine falsche Konkurrenz mit FSG und
Konsorten betreiben.
Erfahrungen aus der Arbeit in Gremien
Für unser Agieren in betrieblichen und gewerkschaftlichen
Gremien sowie in Arbeiterkammern stellen sich ähnliche Anforderungen wie in
parlamentarischen Körperschaften. Wobei anzumerken wäre, dass
SpitzengewerkschafterInnen in gesetzgebenden Körperschaften fehl am Platz sind,
wenn sie dort nicht die Interessen der Lohnabhängigen bzw. der
Gewerkschaftsmitglieder vertreten sondern aus Parteiräson und Fraktionszwang
Belastungspakete wie im Dezember 2010 im Nationalrat mitbeschließen oder Lohnkürzungen
wie im oberösterreichischen Landtag kürzlich geschehen absegnen.
Wir brauchen keine Illusionen darüber zu entfachen, was in Gewerkschaftsgremien
oder Arbeiterkammern, zudem meist als EinzelkämpferInnen, denn groß an Veränderungen
bewirkt werden kann. Und dennoch gilt es sich der Auseinandersetzung zu stellen,
ist sie doch ein wesentlicher Maßstab für den Einfluss den wir erreichen können,
wobei das Zusammenspiel von Gremienarbeit mit Aktionen außerhalb der Gremien
wichtig ist.
Wir sind keine Neinsager aus Prinzip, aber wenn es notwendig ist, ist ein
deutliches Nein angebracht, etwa bei Lohn- oder Gehaltsabschlüssen die wir
angesichts jahrelanger Reallohnverluste als ungenügend einschätzen. Und dabei
bleiben wir oft gar nicht allein, wie meine Erfahrungen bei den Verhandlungen um
den BAGS-KV zeigen.
Aus meinen Erfahrungen in gewerkschaftlichen Gremien, vor allem im Bereich der
GPA, kann ich aber auch berichten, dass sich das politische Klima in den
Gewerkschaften doch etwas verändert hat. Es wird mehr auf uns gehört, es gibt
-wenn oft auch außerhalb der Tagesordnung - Zustimmung von FSGlerInnen und
weitgehende Übereinstimmung mit der UG. Erfreulich ist auch, dass Themen, die
wir seit Jahren forcieren, wie ein gesetzlicher Mindestlohn, die Arbeitszeitverkürzung
oder die Wertschöpfungsabgabe jetzt auch von ÖGB und AK zumindest teilweise
aufgegriffen werden.
Immer wieder finden Forderungen, die wir seit Jahren erheben und für die wir
uns seit Jahren von den Mehrheitsfraktionen anfeinden lassen mussten, dann doch
Eingang in offizielle Gewerkschaftspapiere- oder Forderungskataloge. So beginnt
in letzter Zeit das strikte ÖGB-Nein zu einem gesetzlichen Mindestlohn schon
langsam aufzubrechen. Wir könnten nun sagen: Das ist unser Erfolg – oder: Die
haben unsere Forderung gestohlen. – Je nach Persönlichkeitsstruktur wird es
hier unterschiedliche Sichtweisen geben.
Unterm Strich jedoch bleibt, dass die eingangs zitierte Passage aus dem
Kommunistischen Manifest, nämlich dass die KommunistInnen „theoretisch
vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht“ haben, doch immer
wieder Realität werden kann, wenn wir sie ohne unangebrachtem Hochmut und ohne
abschreckender Besserwisserei ständig weiter entwickeln und mit den Menschen im
Kontakt und in Beziehung sind.
Referat am Symposium
der Alfred Klahr Gesellschaft, des Bildungsvereins der KPÖ Steiermark und des
GLB Steiermark „Klassenkampf und Interessenpolitik. Kommunistische
Gewerkschaftspolitik in historischer und aktuell-politischer Perspektive“ am
12. November 2011 in Graz.
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