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Hans Hautmann: Eröffnungsworte
In diesen Tagen und Wochen jagt eine
Veranstaltung zum heurigen Gedenkjahr die andere, die Zeitungen sind voll von
Erinnerungsartikeln, im Fernsehen gibt es dazu Sendungen, Bücher erscheinen usw.
In aller Regel fehlt aber bei diesen Aktivitäten gerade das, was wir heute in
den Mittelpunkt stellen oder es wird minimalisiert, verdreht und verfälscht
dargeboten: die große und wahrhaft historische Rolle, die Kommunistinnen und
Kommunisten beim Wiederaufbau unseres Landes, bei der Gründung der Zweiten
Republik spielten.
Was bei uns damals geschah, war Bestandteil und Ausdruck einer Wende von
weltgeschichtlicher Bedeutung, des Sieges der Armeen der Anti-Hitler-Koalition
und der um ihre Freiheit ringenden Völker über den Faschismus. Damit wurden
günstige Bedingungen sowohl dafür geschaffen, dass der antifaschistische und
nationale Befreiungskampf in einer Reihe von Ländern Europas und Asiens in
sozialistischen Umwälzungen ausmünden konnte, als auch dafür, dass in den
kapitalistischen Ländern Umgestaltungen eintraten, die allgemeindemokratischen
Charakter hatten, die die Positionen der Arbeiterbewegung stärkten und sich
positiv auf die weitere sozialökonomische Entwicklung auswirkten.
Der wichtigste und entscheidende Grund dafür, dass es so kommen konnte, war,
dass im Zweiten Weltkrieg nicht nur eine, sondern zwei Gruppen von Widersprüchen
ihren Ausdruck fanden, der Widerspruch zwischen den imperialistischen Mächten
Deutschland, Italien und Japan auf der einen und Großbritannien, Frankreich und
den USA auf der anderen Seite und ein neuer Widerspruch, der zwischen der
kapitalistischen Welt insgesamt und der Welt des Sozialismus, repräsentiert
durch die Sowjetunion. Das war es, was dem Verlauf des Krieges ebenso wie seinen
Endergebnissen den Stempel aufdrückte. Die Sowjetunion, die die Hauptlast des
Krieges trug, die diesen blutigen Kampf fast drei Jahre lang auf sich allein
gestellt führen musste, verkörperte die Hoffnungen der vom Faschismus
unterjochten Völker auf die kommende soziale und nationale Befreiung. Dadurch,
dass sie unter schwierigsten Bedingungen den Schlägen der deutschen Wehrmacht
widerstand, sie zum Stehen brachte, sie aus dem Land vertrieb und zum Angriff
auf das von Deutschland beherrschte Territorium Europas überging, stieg ihr
Prestige unermesslich an. Ihr Dasein und ihr siegreicher Kampf entschieden im
Zweiten Weltkrieg das Schicksal der internationalen Arbeiterbewegung, das
Schicksal des sozialen Fortschritts, ja der nationalen Existenz ganzer Völker,
das Schicksal der Weltzivilisation.
Unter dem Einfluss der Siege der sowjetischen Streitkräfte wuchs und entwickelte
ich in den okkupierten Ländern Europas eine mächtige Widerstandsbewegung, die in
Ländern wie Jugoslawien, Griechenland, Italien, Frankreich, Polen,
Tschechoslowakei, Norwegen, Belgien vier bis fünf Millionen Menschen erfasste.
Das war neben dem Kampf der regulären Armeen an den Hauptfronten eine neue
Kraft, ein neuer militärischer und politischer Faktor in einem Ausmaß, wie ihn
die Geschichte bis dahin noch nicht gekannt hatte, ein bestimmendes Element des
Zweiten Weltkriegs, dem ein wesentlicher Anteil am Sieg der
Anti-Hitler-Koalition zukam. Die stärkste und leitende Kraft dieses
Widerstandes, der in einigen Ländern in seine höchstmögliche Form, in den
Partisanenkrieg überging, waren die Kommunisten, deren Zahl trotz ihrer
gewaltigen Opfer unablässig wuchs. Die Kommunistische Partei Jugoslawiens zählte
bei Kriegsbeginn etwa 15.000 Mitglieder, von denen bereits 1941 etwa 80 Prozent
im Kampf gegen die Hitler-Okkupanten ihr Leben verloren. Dennoch stieg die Zahl
der Parteimitglieder bis Jänner 1945 auf mehr als 100.000 an. Die Kommunistische
Partei Italiens hatte am 25. Juli 1943, beim Sturz Mussolinis, nur 5000 bis 6000
Mitglieder. Im April 1945 zählte sie im deutsch besetzten Norditalien 90.000, im
übrigen Italien 340.000 und Anfang 1946 1,7 Millionen Mitglieder. Der
Kommunistischen Partei Frankreichs, die von ihren 300.000 Mitgliedern während
der Résistance gegen die deutschen Besatzer 75.000 durch Hinrichtungen,
Erschießungen, Massaker verlor, gehörten 1945 über 900.000 Mitglieder an. Viele
kommunistische Parteien wurden 1944/45 zu Massenparteien – ein Ausdruck der
Anerkennung, die sich die Kommunistinnen und Kommunisten im Widerstandskampf
erworben hatten.
Diese gestärkten Positionen bildeten die Grundlage für die Zusammenarbeit von
Kommunisten, Sozialdemokraten und bürgerlichen Antifaschisten nach der
Befreiung. Von 1945 bis 1947 gehörten Vertreter von 9 kommunistischen Parteien
als Minister zu Regierungen kapitalistischer Länder Europas. Neben Österreich
waren das Frankreich, Italien, Belgien, Luxemburg, Dänemark, Norwegen, Island
und Finnland. Für alle diese neun kommunistischen Parteien war es das erste Mal
in ihrer Geschichte, dass sie Regierungsverantwortung trugen. Die Beteiligung
von Kommunisten an den Nachkriegsregierungen half, den Einfluss der
Arbeiterbewegung auszudehnen und progressive Umgestaltungen in den
verschiedensten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu vollziehen.
Wie sich diese neue Weltsituation in Österreich widerspiegelte und fokussierte,
was sich konkret bei uns vollzog, welche politische Linie die KPÖ als
Regierungspartei verfolgte, welche Erfolge es dabei gab, aber auch welche
Probleme auftauchten und Hindernisse, die sich entgegenstellten, wird Gegenstand
der Beiträge unseres Symposiums sein.
Eröffnungsworte am Symposium der Alfred Klahr
Gesellschaft „Befreiung und Wiederaufbau – Die KPÖ als Regierungspartei“ am 16.
April 2005
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