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Die KPÖ im National- und Bundesrat 1945–1959
Referat von Univ.-Prof. Dr. Hans Hautmann
Symposium der Alfred Klahr Gesellschaft und des Bildungsvereins der KPÖ
Steiermark am 19. Juni 2010 in Graz
Im Rahmen unseres heutigen Symposiums kommt mir, Historiker, der ich bin, wie
so oft die Aufgabe zu, den geschichtlichen Teil abzudecken, diesmal den
geschichtlichen Teil des Verhältnisses kommunistischer Parteien zum
Parlamentarismus. Als Objekt bietet sich naheliegenderweise die Vergangenheit
unserer eigenen Partei an, die in der Zweiten Republik vierzehn Jahre lang, von
1945 bis 1959, im Nationalrat, und fünf Jahre, von 1949 bis 1954, im Bundesrat
vertreten war.
Darüber vor euch Ausführungen zu machen, war für mich bei der Vorbereitung alles
andere als einfach und mühelos, weil es bisher an Untersuchungen zu dem Thema so
gut wie vollkommen fehlt und die Parlamentstätigkeit der KPÖ ein blinder Fleck
der Parteigeschichte ist. Es war für mich daher notwendig, hier Basisarbeit zu
leisten und zu den Quellen zu gehen, was in Form ziemlich arbeitsaufwändiger
Studien in der Parlamentsbibliothek und im Parlamentsarchiv geschehen ist. Ein
erstes Resultat dieser Recherchen liegt mit meinem Artikel in der jetzigen
Juni-Nummer der „Mitteilungen“ der Alfred Klahr Gesellschaft vor, und es kann
sein, dass ich die Sache weiter verfolge und ausbaue, eventuell sogar in
Buchform, weil es mir in politischer Hinsicht wichtig erscheint, die in Umfang
und Qualität doch sehr bemerkenswerte parlamentarische Tätigkeit der KPÖ endlich
einmal gründlich darzustellen.
Mein Referat wird sich in zwei Abschnitte gliedern. Im ersten Teil gebe ich
einen Überblick mit Zahlen, Daten, Fakten zur Parlamentsarbeit der KPÖ in diesen
vierzehn Jahren, und im zweiten Teil werde ich einige Schlussfolgerungen
grundsätzlicher Art aus diesen historischen Erfahrungen ziehen und Überlegungen
anzustellen, die für die aktuelle Praxis der Tätigkeit von Kommunisten und
Kommunistinnen in Gremien der Volksvertretung von Bedeutung und
diskussionswürdig sein können.
Die KPÖ hat bei vier Nationalratswahlen der 2. Republik, 1945, 1949, 1953 und
1956, ein Grundmandat, zwei Mal sogar zwei Grundmandate erreicht, damit auch
Restmandate im 2. Ermittlungsverfahren und war damit im Nationalrat zunächst mit
vier, dann mit fünf, dann wieder mit vier und zuletzt mit drei Abgeordneten
vertreten. Prozentmäßig stand man beim österreichweiten Wähleranteil bei fünf
Prozent, drei Mal knapp darüber, einmal knapp darunter.
Die Grundmandate wurden stets in traditionellen Hochburgen der Arbeiterbewegung
errungen, nämlich im Wahlkreis 4 – Wien/Nordost (das waren die Bezirke
Leopoldstadt, Brigittenau, Floridsdorf und Donaustadt) und im Wahlkreis 9 –
Niederösterreich/Viertel unter dem Wienerwald (das war das Industriegebiet des
Wiener Beckens mit Wiener Neustadt, Neunkirchen, Ternitz, Wimpassing usw.)
Die Restmandate kamen ebenfalls aus Wahlkreisverbänden, wo die Partei in der
arbeitenden Bevölkerung gut verankert war, aus Wien und aus dem Verband
Steiermark, Kärnten und Burgenland. Als nicht unwichtig für die
Gesamteinschätzung der Wahlergebnisse muss dabei festgehalten werden, dass die
Wahlkreise, wo die KPÖ die Grundmandate errang, immer in der sowjetisch
besetzten Zone bzw. 1956 in der ehemals sowjetisch besetzten Zone Österreichs
und Wiens lagen.
Den einzigen Sitz im Bundesrat erreichte die KPÖ aufgrund der Landtags- und
Gemeinderatswahl in Wien 1949, als sie dort mit über 89.000 Stimmen (fast 8
Prozent) 7 Mandate errang und damit nach dem Verhältnisprinzip der politischen
Zusammensetzung des Wiener Landtags das Anrecht auf die Vertretung im Bundesrat
bekam, was dann übrigens durch Losentscheid zwischen ihr und der ÖVP entschieden
wurde.
Wir haben es also mit insgesamt sechs kommunistischen Abgeordneten zu tun, fünf
Nationalräten und einem Bundesrat. Von diesen waren drei, Johann Koplenig, Franz
Honner und Ernst Fischer, über die gesamten vierzehn Jahre Nationalräte, Viktor
Elser elf Jahre, und Erwin Scharf vier Jahre bzw. weitere drei Jahre zuvor, von
1945 bis 1948, bis zu seinem Parteiausschluss, als Abgeordneter der SPÖ. Im
Bundesrat nahm das Mandat Gottlieb Fiala für fünf Jahre wahr, von 1949 bis 1954.
Alle sechs Genannten waren markante Persönlichkeiten mit bedeutenden
Fähigkeiten, die sie auch im Parlament zur Geltung zu bringen verstanden.
Das Arbeitspensum, das sie als Angehörige der stets kleinsten Fraktion
bewältigen mussten, war enorm. Ein Hinterbänklerdasein, wie es etliche
Abgeordnete der großen Parteien kennzeichnete, war ihnen unmöglich, und es gab
keine einzige Gesetzeslesung, Budgetdebatte, Regierungserklärung, innen- und
außenpolitische, wirtschaftliche, soziale, rechtliche und kulturelle Frage, zu
der sie nicht das Wort ergriffen. Nach meiner Zählung haben sie in den vierzehn
Jahren insgesamt 861 Reden im Plenum gehalten, von denen viele bis zu zehn
Seiten in den gedruckten stenographischen Protokollen umfassen. Der im
statistischen Durchschnitt fleißigste Redner war übrigens Viktor Elser aus der
Steiermark, der in den elf Jahren seiner Parlamentstätigkeit 213 Reden hielt.
Die kommunistischen Abgeordneten mussten in der Lage sein, zu jedem der im
Parlament behandelten, oft sehr komplexen Themen ihre Positionen darzulegen. Sie
konnten auf der Rednertribüne zu einer Sache wie dem Apothekerkammergesetz nicht
mit allgemeinen Floskeln dahinplaudern, sondern mussten sich in die Materie
vertiefen, Sachkenntnis unter Beweis stellen und durch konkrete Forderungen
zeigen, wie man sich die Gestaltung gesetzlicher Maßnahmen im Interesse der
arbeitenden Menschen vorstellte.
Trotzdem und gerade deshalb war zwischen ihnen eine gewisse Arbeitsteilung
notwendig und auch festgelegt. Sie sah so aus, dass Viktor Elser sich auf
arbeits- und sozialrechtliche Fragen konzentrierte, Ernst Fischer auf Fragen der
Außenpolitik, Kultur, Kunst, Bildung und Wissenschaft, Franz Honner auf Fragen
der allgemeinen Wirtschaftspolitik (Steuern, Finanzausgleich, verstaatlichte
Betriebe, Preisregelung etc.) und der Innenpolitik, Erwin Scharf auf Fragen der
Justiz und des Wohnungswesens, und Johann Koplenig auf Fragen des
Bundeshaushalts sowie der Regierungspolitik generell.
Diese Kompetenzbereiche schlossen aber zu keinem Zeitpunkt aus, dass man
gezwungen war, auch zu Themen das Wort zu ergreifen, die einem ansonsten ganz
fern lagen. Der einzige kommunistische Mandatar im Bundesrat, Gottlieb Fiala,
hat überhaupt zu jeder Frage seine Stimme erheben müssen.
Was befähigte die sechs kommunistischen Abgeordneten dazu? Von ihnen hatte ja
niemand einen akademischen Grad, und lediglich Ernst Fischer und Erwin Scharf
eine höhere Schulbildung. Koplenig, Honner, Elser und Fiala stammten aus
einfachsten Verhältnissen, und mit Ausnahme von Elser aus der Zeit der 1.
Republik als Sozialdemokrat im steirischen Landtag und von Honner als
kommunistischer Gemeinderat in Grünbach von 1923 bis 1928 waren sie vollkommene
Neulinge auf dem parlamentarischen Parkett.
Dass sie dennoch den erfahrenen und gewiegten Mandataren der anderen Parteien
Paroli bieten konnten, war ihren eigenen Fähigkeiten geschuldet, nicht zuletzt
deshalb, weil sie Marxisten waren, aber auch dem Stab an Mitarbeitern und
Mitarbeiterinnen im Apparat der KPÖ, der die Materialien zu den einzelnen
Gesetzesvorlagen sammelte und die Parlamentsreden dem inhaltlichen Gerüst nach
entwarf. Die bemerkenswert gute Informiertheit, von der die kommunistischen
Parlamentsreden Zeugnis ablegen, war zweifellos der stillen wie
arbeitsintensiven Aufbereitungstätigkeit der beiden hoch qualifizierten
Sekretäre der Parlamentsfraktion, nämlich von Dr. Fritz Glaubauf und Dr. Kurt
Weihs, zu verdanken.
Dazu kam noch ein Weiteres, nämlich die Tatsache, dass die KPÖ damals zeitweilig
an die 140.000 Mitglieder zählte, praktisch in jedem wichtigen Betrieb ihre
Betriebsräte und in sämtlichen Berufen und Sozialschichten ihre Anhänger hatte,
dass man über ein Potenzial an klugen, gebildeten, informierten Menschen quer
durch die Gesellschaft verfügte, die in jenen Jahren ihre Kenntnisse aus voller
politischer Überzeugung der KPÖ zur Verfügung stellten. Der Partei blieb deshalb
auch das, was sich hinter den Kulissen, in den Etagen der wirtschaftlichen wie
politischen Machthierarchie, abspielte, keineswegs verborgen und sie konnte es
deshalb auch im Parlament jederzeit mit den mandatsmäßig viel stärkeren Parteien
punkto Hintergrundwissen und sachlicher Beschlagenheit aufnehmen.
Die KPÖ war im Parlament nicht die gesamten vierzehn Jahre eine
Oppositionspartei, sondern am Anfang, von 1945 bis November 1947, auch eine
Regierungspartei in einer Dreierkoalition mit dem Bundesminister für das
Energieressort Dr. Karl Altmann. Das hatte zur Folge, dass die vier
kommunistischen Abgeordneten 1945 auch in die Ausschüsse aufgenommen wurden, die
im parlamentarischen Leben eine mindestens ebenso wichtige Rolle spielen wie das
Plenum.
Koplenig saß im Hauptausschuss, Honner im Finanz- und Budgetausschuss, Fischer
im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten sowie im Ausschuss für
Verwaltungsreform, und Elser im Ausschuss für Soziale Verwaltung. Weiters waren
sie als Ersatzmitglieder noch in mehreren anderen Ausschüssen vertreten.
Ich habe mir die im Parlamentsarchiv verwahrten Akten der Ausschüsse aus dieser
Zeit angesehen, und auch aus ihnen geht hervor, was für eine rege Tätigkeit die
KPÖ-Abgeordneten entfalteten. 1949 allerdings, als die Partei von vier auf fünf
Mandate stieg, hatte sich die politische Wetterlage so geändert, dass die
Mehrheitsparteien sie aus den Ausschüssen entfernten, sie also lieber nicht mehr
als Beobachter in diesen Gremien präsent haben wollten.
Es liegt auf der Hand, dass die parlamentarischen Wirkungsmöglichkeiten der
kleinen KPÖ-Fraktion beschränkt waren und auch ununterbrochen auf Grenzen
stießen. Für die Einbringung selbständiger Anträge war damals laut
Geschäftsordnung noch die Unterstützung durch mindestens acht Abgeordnete
notwendig (heute sind es fünf), und unter diesen Umständen war es den
Kommunisten schon von vornherein unmöglich, eigene Anträge im Nationalrat
einzubringen. Von diesem formalen Hindernis abgesehen war es auch in politischer
Hinsicht klar, dass kommunistische Initiativen im Nationalrat und Bundesrat,
sowohl in den Ausschüssen als auch im Plenum, permanent auf die geschlossene
Ablehnungsfront der Mehrheitsparteien stießen.
Anders und besser stand es beim Recht, schriftliche Anfragen an die
Bundesregierung bzw. einzelne Minister einzubringen. Sie mussten lediglich von
fünf Abgeordneten unterstützt sein. Genau diese Zahl erreichte die KPÖ in den
Jahren 1949 bis 1953, was man weidlich ausnützte. Elser stellte in dieser VI.
Gesetzgebungsperiode Anfragen in 40 Fällen, Fischer in 45, Honner in 41,
Koplenig in 25 und Scharf in 14 Fällen.
Ich habe auch diese Anfragen und die Antworten der Mitglieder der
Bundesregierung durchgesehen. Sie sind hochinteressant, weil sie vor allem die
ganze Atmosphäre jener Zeit sehr gut widerspiegeln und zeigen, in welch scharfem
und schonungslos attackierendem Ton sowohl die Partei als auch ihre politischen
Gegner agierten.
Um die Tätigkeit der kommunistischen Abgeordneten wirklich würdigen zu können,
ist aber in erster Linie die inhaltliche Analyse ihrer Reden nötig. Will man,
wie ich, jetzt endlich eine historische Darstellung liefern, muss man sich hier
selbstverständlich auf eine Auswahl beschränken, und das sind vornehmlich
Debattenbeiträge, denen eine bis in die Gegenwart reichende, bleibende Bedeutung
zukommt.
Trotz ihrer Kleinheit war die Anwesenheit der KPÖ im Parlament nämlich ein
Faktor, der gewisse – und oft nicht geringe – positive Wirkungen auf die
politische Entwicklung Österreichs nach 1945 hatte, und zwar insofern, als sie
Vorreiter bei Dingen waren, die später verwirklicht und von den
Bundesregierungen unter großem Getöse als deren soziale Reformen verkauft
wurden. Dazu gehörte z.B. die kommunistische Forderung nach der 13. Monatsrente
bzw. nach dem 13. Monatsgehalt für öffentlich Bedienstete (Lehrer), nach dem
Vier-Wochen-Mindesturlaub für jugendliche Arbeiter, nach der Mitbestimmung der
Belegschaften in den Betrieben oder die Forderung nach der Aufhebung des
Abtreibungs-Paragraphen 144 sowie nach einer Familienrechtsreform im Sinne einer
Besserstellung der Rechte der Frauen. Zu nennen ist aber auch der Kampf der KPÖ
im Parlament für die Sicherung der Unabhängigkeit Österreichs, für den
Staatsvertrag und die Neutralität, die ja lange Zeit von den Mehrheitsparteien
wütend abgelehnt wurde, weiters gegen die Auslieferung der österreichischen
Wirtschaft an ausländisches Kapital, für Verstaatlichung und öffentliches
Eigentum, für die Stärkung des antifaschistisch-demokratischen Gründungsauftrags
der 2. Republik und gegen die Wiederbelebung großdeutsch-nazistischer Tendenzen,
und das entschiedene Eintreten für die Rechte und Interessen der arbeitenden
Bevölkerung sowie die konsequent oppositionelle Haltung gegen das
kapitalistische System insgesamt. Letzteres ist ja etwas, was heute bei keiner
der Parlamentsparteien auch nur annähernd ein Merkmal ist.
Verglichen mit den jetzigen Zuständen muss man aber selbst als Kommunist offen
sagen, dass das Parlament in der Anfangsperiode der 2. Republik von anderem
Kaliber war als heute und auch viel Großes, Fortschrittliches geleistet hat. Es
wurden damals Fundamente gelegt, die gänzlich zu zertrümmern den Betreibern der
neoliberalen Wende noch nicht gelungen ist und hoffentlich nie gelingen wird –
man denke dabei nur an eine Sache wie die über 500 Paragraphen des Allgemeinen
Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) aus dem Jahr 1956. Die kleine, befehdete,
verfemte und im öffentlichen Bewusstsein schon ganz vergessene Fraktion der
Kommunisten hat zu diesen positiven Seiten des österreichischen Parlamentarismus
ihren Beitrag geleistet. Genau das möchte ich darstellen und zeigen, dass man
aus dem, was die KPÖ im Parlament damals forderte, befürwortete, bekrittelte und
ablehnte, wertvolle Erkenntnisse für die Gegenwart und Zukunft ziehen kann.
Nun zu einigen Schlussfolgerungen und Verallgemeinerungen. Der Titel unseres
Symposiums lautet ja: „Tribüne oder Politikfeld?“ Er ist sehr gut gewählt, weil
er etwas Grundsätzliches anspricht. Sollen kommunistische Parteien in
Volksvertretungen diese primär als Ort ansehen, um dort demokratische und
sozialistische Ideen zu propagieren, oder kann und soll die Präsenz in
parlamentarischen Gremien auch dazu benützt werden, um im bürgerlichen Staat
Politik zu gestalten? Letztere Möglichkeit eröffnet sich allerdings nur dann,
wenn man so viele Mandate erreicht, dass man Minister, Landesräte, Stadträte,
Bürgermeister, Vizebürgermeister und -meisterinnen etc. stellen kann. Die
Vergangenheit und Gegenwart zeigt, dass auch das realisierbar ist. Die großen
kommunistischen Parteien in Frankreich und Italien waren nach 1945 einige Zeit
mit Ministern in den Regierungen vertreten, und in einem Gebiet wie dem „Roten
Gürtel“ Italiens gab es über mehrere Jahrzehnte zahlreiche Städte mit
kommunistischen Bürgermeistern, man denke nur an Bologna.
Auch die viel kleinere KPÖ bildete hier keine Ausnahme, als sie sowohl in der
Renner-Regierung mit Staatssekretären als auch von 1945 bis 1947 unter Figl mit
dem Minister Altmann Regierungsverantwortung wahrnahm. Und sie hat auch dieses
weit schwierigere Problem, als es das rein oppositionelle Auftreten in
Parlamenten und deren Benützung als Propagandatribüne ist, gut bewältigt.
Altmann war ein hervorragender Energieminister, und es wäre hoch an der Zeit,
diesen leider schon ganz vergessenen Kommunisten entsprechend zu würdigen, was
z.B. für Geschichtestudenten und -studentinnen des KSV, auch in Graz, ein
lohnender Gegenstand für eine Diplomarbeit oder Dissertation sein könnte.
Die Frage „Tribüne oder Politikfeld?“ hat sich ja auch bei euch in der
Steiermark gestellt, als die Wahlergebnisse eine Ausmaß erreichten, um damit
Stadtratsressorts oder wie jüngst das Amt einer Vizebürgermeisterin besetzen zu
können, und wird sich weiterhin stellen. Zwischen den beiden Tätigkeitsbereichen
gibt es aber meiner Überzeugung nach keinen unüberbrückbaren Gegensatz, kein
starres Entweder-Oder, dann nämlich, wenn man auf beiden Feldern einen
prinzipiellen Standpunkt zu bewahren versteht und deshalb weiß, was mit
kommunistischen Grundsätzen und mit dem eigenen kommunistischen Gewissen unter
den herrschenden kapitalistischen Bedingungen vereinbar ist und was nicht. Dass
man auch als Träger politischer Verantwortung im exekutiven Bereich, z.B. in
Stadtregierungen, eine gute, für die arbeitenden Menschen nützliche Arbeit
leisten kann, beweist das Beispiel Steiermark.
Damit bin ich beim Stichwort „gute Arbeit“. Man kann unmöglich behaupten, dass
Altmann als Minister und die KPÖ-Abgeordneten im National- und Bundesrat
schlecht agierten oder irgendwelche katastrophalen, unverzeihlichen Fehler
begingen. Trotzdem ist die KPÖ 1959 aus dem Parlament hinausgewählt worden, was
zeigt, dass gute Arbeit in keiner Weise eine Garantie für die dauernde Belohnung
seitens der Wähler und Wählerinnen darstellt. Hier kommen ganz andere Dinge zum
Tragen, deren wir uns stets gewärtig sein müssen, Dinge, die außerhalb von
subjektiven Bemühungen, Willensabsichten und Wünschen einer kommunistischen
Partei liegen.
Wir leben in einer Klassengesellschaft, in der das, was linken Kräften als gute
Arbeit, als notwendig, als erstrebenswert erscheint, für die anderen eben
schlecht ist, von ihnen verdammt, verhöhnt und als naive soziale Träumerei oder
demagogischer „Linkspopulismus“ niedergemacht wird, in der die Herrschenden eine
fast uneingeschränkte Hegemonie über die Köpfe der Menschen ausüben, mit der sie
es verstehen, die Masse der Bevölkerung dazu zu motivieren, sich freiwillig an
falschen, gegen ihre ureigensten Interessen gerichteten Fronten gruppieren zu
lassen – denn was sind die Wahlerfolge einer Partei wie der des Herrn Strache
unter den Niedriglohnempfängern, Arbeitslosen, Jugendlichen anderes als das? – ,
und in der für die an der Macht Befindlichen über die Massenmedien unzählige
Möglichkeiten der Manipulation bestehen, darunter auch die, über die Tätigkeit
der kommunistischen Mandatare in Volksvertretungen tunlichst den Mantel des
Schweigens auszubreiten und sie vor der Öffentlichkeit zu vertuschen. Was heute
nicht in den Massenblättern steht und worüber im Fernsehen nicht berichtet wird,
ist ja für die Menschen auch nicht vorhanden. Gegen diese Übermacht sich
entgegenzustemmen, stellt eine riesige und schwere Aufgabe dar, wobei es klar
ist, dass eine gute politische Arbeit von Kommunisten und Kommunistinnen nicht
zuletzt auch in parlamentarischen Gremien die Voraussetzung überhaupt dafür ist,
diese Aufgabe zu bewältigen.
Das führt mich zur abschließenden Frage in dem Zusammenhang, ebenfalls
abgeleitet aus den Erfahrungen, die die KPÖ in Volksvertretungsorganen gemacht
hat und macht. Als die Partei 1959 aus dem Nationalrat ausschied und ihr fortan
der Wiedereinzug nicht mehr gelang, blieb sie trotzdem noch längere Zeit in
einigen Landtagen und in vielen Gemeinden präsent, in Gemeinden sogar über alle
Parteikrisen wie 1956, 1968, 1989 hinweg und ungeachtet des stetigen
prozentmäßigen Rückgangs am Wähleranteil im gesamtösterreichischen Maßstab.
Schlussfolgern kann man daraus, dass die Möglichkeiten von Kommunisten und
Kommunistinnen, gewählt zu werden und in parlamentarischen Gremien vertreten zu
sein, umso besser werden, je näher man vor Ort ist, an der Basis, bei den
Menschen, bei den Problemen, die ihnen unter den Nägeln brennen, eben auf
kommunaler Ebene. Leistet man hier eine gute, nützliche Arbeit, wird das von der
Bevölkerung viel eher und mit sichereren Aussichten auf eine Wiederwahl und
einen Wählerzuwachs honoriert als in den höheren Etagen des parlamentarischen
Systems.
Ich könnte hier viele Gemeinden und kommunistische Mandatare in- und außerhalb
der Steiermark aufzählen, für die das zutrifft, und wo der persönliche Ruf und
das hohe Ansehen von Kommunisten und Kommunistinnen, die sich in entschiedener
Weise für die Interessen der arbeitenden Menschen einsetzen, über Jahre und
sogar Jahrzehnte hinweg die Gewähr für die Präsenz in einem
Volksvertretungsorgan war und ist. Dabei hat sich erwiesen, dass es durchaus
keine hochpolitischen, weltbewegenden Dinge sein müssen, für die man sich
engagiert, sondern solche alltäglichen Sorgen und Nöte wie Mieten, Wohnungen,
Kindergärten, funktionierende kommunale Dienste, öffentliche Verkehrsmittel
usw., Dinge, von denen die Menschen hautnah berührt sind.
Hier, auf der untersten, basisnächsten Ebene, in den Kommunen und z.B. in
Städten, wo Bezirksräte zur Wahl stehen, muss also in Österreich kommunistische
Parlamentsarbeit heute – und sicherlich noch viele künftige Jahre – ansetzen, um
wieder vorwärts zu kommen. Denn dass der Einzug der steirischen KPÖ in den
Landtag 2005 der vorausgegangenen guten Arbeit in den obersteirischen Gemeinden
und in Graz geschuldet war, liegt ja für uns alle klar auf der Hand.
Eine marxistische Erkenntnis aus der Vergangenheit bleibt meines Erachtens wahr
und gültig: dass die Parlamentsarbeit nicht das ausschließliche Tätigkeitsfeld
einer kommunistischen Partei sein kann. Die Gesamtorientierung muss stimmen und
eine prinzipielle Grundlage haben, um in- und außerhalb von Parlamenten
reüssieren zu können. Um die letztere, die außerparlamentarische
Aktionsfähigkeit von kommunistischen Parteien, steht es, wie wir alle wissen,
schlecht, nicht nur in Österreich, sondern in fast allen europäischen Ländern.
Um hier etwas voranzubringen, erhebt sich vor den kommunistischen Parteien noch
eine weitere große, künftige Aufgabe, nämlich wieder auch in den Bereich der
Repräsentanz des Wählerwillens einzudringen und dort stärker zu werden, wo man
einmal gut verankert war: auf ökonomischer Ebene, in der Arbeitswelt, in den
Betrieben und bei den Wahlen von Betriebsräten und –rätinnen sowie
Arbeiterkammerräten und -rätinnen.
Gelingt auch das, denn können sich Perspektiven eröffnen, die die Frage unseres
Symposiums „Tribüne oder Politikfeld“ nicht nur auf das parlamentarische Wirken
beschränken, sondern tatsächlich im Sinne einer Verschmelzung beider Bereiche
beantworten, hin zur Ergänzung der parlamentarischen durch die
außerparlamentarische Aktion.
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