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Hans
Landauer: 60 Jahre Spanischer Bürgerkrieg - Internationalismus und
Antifaschismus der Tat
Wir
nähern uns mit Riesenschritten dem Ende des Jahrhunderts. Wie viele von uns
werden es erleben, werden es Revue passieren lassen können, werden Bilanz
ziehen dürfen?
Und
wenn ich von uns spreche, dann meine ich die österreichischen Spanienkämpfer.
Zogen wir doch bei Ende des ersten Drittels des Jahrhunderts freiwillig in ein
Land, in dem es blutige Auseinandersetzungen gab, die von den einen Bürgerkrieg,
den anderen Unabhängigkeitskrieg und anderen wieder "Cruzada" – Kreuzzug
– genannt wurden.
Waren
wir Söldner, wie Übelwollende meinten? Waren wir Eisenfresser, die das
Abenteuer suchten? Wer waren, was dachten die 235 Österreicher, die in den
blutigen Ereignissen zwischen Juli 1936 und März 1939 in Spaniens Erde blieben?
Ihre,
unsere Geschichte ist nur aus Kenntnis der damaligen sozial-politischen
Situation unseres Heimatlandes und des europäischen Kontinents zu verstehen.
Gab
es doch nach dem Ersten Weltkrieg für die Arbeiterbewegung, die sich in den
meisten Ländern auch als Friedensbewegung sah, bei allen Anlässen eine alles
überstrahlende Parole: "Nie wieder Krieg!"
In den meisten Ländern Europas hatte sich die Arbeiterbewegung Rechte erkämpft,
die vor diesem blutigen Ringen als utopisch bezeichnet worden wären. Das Versagen der Arbeiterbewegung bei der Verhinderung des Gemetzels wurde,
speziell in unserer Heimat, rasch vergessen. Hier hatte sich unter der
Bezeichnung Austro-Marxismus eine Richtung durchgesetzt, die nach den
Spielregeln der Demokratie - mit dem Stimmzettel - den Sozialismus, was immer
man darunter zu diesem Zeitpunkt verstand, einführen wollte. Die Vorgangsweise,
die Russland praktizierte und die schon zu Beginn bei aller Sympathie (Hände
weg von der Sowjetunion) Kritik hervorrief, wurde abgelehnt.
Die kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten waren und sind jedoch nicht durch
Gesundbeten aus der Welt zu schaffen. Bald hob die Hydra wieder ihr Haupt.
Horthy in Ungarn, Metaxas in Griechenland, Antonescu in Rumänien, Mannerheim in
Finnland, Mussolini in Italien und schließlich Hitler und Dollfuß in Deutschland und Österreich. Sie alle, mit Ausnahme Mussolinis, waren Uniformträger,
sie alle hatten Gewalt und Nationalismus auf ihre Fahnen geschrieben.
Der Rechtstrend in Europa schien unaufhaltsam. Nur Spanien stellte sich, mit dem Stimmzettel, gegen diesen Trend. Die Linksparteien und Liberalen siegten bei den
Wahlen am 11. Februar 1936.
Und gegen eine durch diese Wahlen legitimierte Regierung, in der es weder
Sozialisten, Kommunisten oder Anarchisten gab, erhoben sich ein halbes Jahr später
eidbrüchige Militärs und nannten ihren Putsch "Cruzada".
Als dieser in den wichtigsten Städten am Widerstand des Volkes scheiterte und
zusammenzubrechen drohte, begann bereits nach wenigen Tagen die massive militärische
Intervention Deutschlands und Italiens zugunsten der Rebellen mit der Entsendung
von Transportflugzeugen, welche die aufständische Kolonialarmee
Spanisch-Marokkos auf das Festland transportierte und so einen fast dreijährigen
Bürgerkrieg auslöste.
Dass es nicht bei den Transportflugzeugen blieb, ist durch die Bombardierung und
totale Zerstörung Guernicas bekannt. Die "Legion Condor", wie die
nazistische Interventionstruppe hieß, die das Verbrechen verübte, war nicht
nur eine Luftwaffeneinheit, sondern umfasste auch die Panzertruppe Drohne und
mindestens zwei U-Boote, die vor der spanisch-republikanischen Küste Jagd auf
neutrale Handelsschiffe machten, welche republikanische Häfen anlaufen wollten.
Zusammen mit dem 72.000 Mann umfassenden italienischen
"Expeditions-Corps" waren sie für die militärische Niederlage der
Spanischen Republik ausschlaggebend.
Nun gab es aber - was heute für viele Menschen unverständlich ist - auch auf
Seiten der Republik Freiwillige, darunter etwa 1.500 Österreicher.
Wer waren nun diese Frauen und Männer? Die ersten waren solche, die schon vor der
Militärrevolte in Spanien lebten. Meist Leute, die Österreich sowohl aus
politischen als auch ökonomischen Gründen verlassen hatten. Sie waren über
ganz Spanien verstreut und stellten sich, je nach politischer Überzeugung, den
in den ersten Tagen zur Aufstellung gelangten Partei- und Gewerkschaftsmilizen
zur Verfügung. Es waren dies im Baskenland Willy de las Heras, bei Barcelona
die Gebrüder Gabriel und Lorenz Ender, im Aragon Eduard Haider, in Sevilla der
ehemalige Redaktionsbeamte einer St. Pöltner sozialdemokratischen
Bezirkszeitung, Alois Schmutz, in Madrid Vater und Sohn Sigmund und Kurt Roth
sowie der Grazer Ingenieur Hubert Schwarzbeck, in Malaga Hugo Strauler und in
Barcelona der Arzt Dr. Osias Sigall. Wir finden sie sowohl in den kommunistisch
dominierten MAOC - Antifaschistische Arbeiter- und Bauernmilizen -, der
sozialistischen UGT und den Milizen der CNT, der anarchistischen Gewerkschaft.
In der Literatur wird der Tod der Österreicher Gregor Starke und eines gewissen
Mechter, beim Sturm auf die Atarazanas Kaserne in Barcelona am 18. Juli 1936,
erwähnt. Die Identität des Letzteren konnte bis dato nicht geklärt werden.
Die ersten Freiwilligen aus Österreich
trafen bereits Ende Juli 1936 in Spanien ein. Es waren die
"Individualisten". Von niemandem aufgefordert, durch niemanden
finanziell oder logistisch unterstützt.
Ihre Spuren finden wir im Zentralpolizeilichen Fahndungsblatt Nr. 186, vom 26. August
1936, in dem die Bergarbeiter aus Fohnsdorf Otto Blatnik, Heinrich Griesmaier,
Adolf Moser, Raimund Trolp und Gottfried Vallant, nach dem
"Staatsschutzgesetz und wegen Verdacht des Verbrechens des Hochverrates
durch Beitritt zu einer ausländischen, kommunistischen Legion", zur
Verhaftung ausgeschrieben sind.
Vor ihrer Abreise hatten Trolp, Vallant und ein gewisser Josef Kaltenegger
naiverweise beim spanischen Konsulat in Graz um die Ausstellung eines Visums
angesucht. Ein Wunsch, der vom putschistenfreundlichen Konsul sofort an die österreichische
Polizei weitergeleitet wurde, die auch prompt die Überwachung der spanischen
Vertretung anordnete.
Ziel der Gruppe war aber nicht Zentralspanien, sondern das bedrängte Asturien, wo im
ganzen eine handvoll Internationaler -
nicht mehr als 40 - in der Gruppe "Edgar André" des "Batallón
Ruso", in aussichtsloser Lage, kämpften. Beim Fall Iruns, am 4. September
1936, zogen sie sich, gemeinsam mit dem bereits erwähnten Willy de las Heras,
über die internationale Brücke von Hendaye, nach Frankreich zurück, um sich
von dort aus wenige Tage später nach Barcelona zu begeben.
Mit
Ausnahme von Kaltenegger und Blatnik finden wir sie im Oktober 1936 in der
Centuria Thälmann, im Aragon. Kaltenegger und Blatnik hatten es vorgezogen,
wieder nach Österreich zurückzukehren. Dabei scheuten sie sich auch nicht, die
Hilfe des österreichischen Konsulats in Turin in Anspruch zu nehmen.
In der Centuria, die zu diesem Zeitpunkt 126 Mann umfasste, trafen sie auf die Gebrüder
Ender, sowie die in der Zwischenzeit aus Österreich angereisten Max Vrecar,
Hans Piller, Franz Hrejsemnou, Paul Losch, Karl Mager, Walter Habelt, Alexander
Goldstern, Theodor Schlögel, Josef Schneeweiß und Dr. Ernst Amann.
Vor dem Angriff auf die Eremitage Santa Quiteria bei Tardienta, am 20. Oktober 1936,
trafen noch Franz Maizan, Konrad Antloga, Franz Ortner und Oswald Wilhelm, aus
Graz, bei der Centuria ein.
Aus einem Brief an die Eltern Franz Maizans kennen wir sein Schicksal und den Weg
der Gruppe nach Spanien. Darin heißt es:
"Werte Familie Maizan!
Nach unserem Versprechen als Freunde, im Falle einer Verwundung oder tödlichen
Verletzung beiderseits die Angehörigen zu verständigen, habe ich die traurige
Aufgabe, Euch als Eltern meines Freundes mitzuteilen, dass Franz Maizan am
20.10.1936 durch einen Kopfschuß von meiner Seite gerissen und auf dem
Transport ins Spital gestorben ist. Kleider vom Werte sind keine vorhanden, sein
Fahrrad steht in Italien Ventimiglia."
Bei diesem Angriff fiel auch der Wiener Paul Losch, Josef "Pepi"
Schneeweiss verlor zwei Finger seiner rechten Hand. Zu diesem Zeitpunkt war die
Phase der "Individualisten" mehr oder weniger abgeschlossen.
Die Intervention Deutschlands und Italiens zugunsten der Rebellen war für
jedermann, der sie sehen wollte, sichtbar. Die Sowjetunion fühlte sich nicht
mehr an die Regeln der "Nichteinmischung" gebunden und handelte
dementsprechend. Sicherlich auch deshalb, weil weltweit eine ungeahnte Welle der
Solidarität mit der Spanischen Republik sicht- und spürbar war.
Die logische Folge dieser Entwicklung war die Gründung der Internationalen Brigaden
am 22. Oktober 1936 in Albacete. Erst ab diesem Zeitpunkt gab es einen
organisierten Zustrom ausländischer Freiwilliger, sowohl aus der Sowjetunion
als auch aus den kapitalistischen Ländern. Federführend hiefür - auch in der
Sowjetunion, zumindest für die von dort aus nach Spanien fahrenden
Politemigranten - war die Rote Hilfe.
In Österreich nahmen am 26. Oktober 1936 Franz Storkan, Deckname Haydn, und Myron
Pasicznyk, Deckname Marion, die Organisierung des Transportes in Angriff. Beide
bezahlten hiefür mit dem Leben. Storkan wurde am 7. April 1945 im Krematorium
von Dachau gehenkt und Myron Pasicznyk starb im selben Lager am 22. Oktober 1943
an den Folgen der Lagerhaft, die er in Groß-Rosen erlitten hatte.
Im März 1937 gelang der Wiener Polizei die Aufdeckung der Organisation und die
Verhaftung von Franz Storkan, Adolf Schreiner, Wilhelm Kment, Arthur und Cäcilia
Samek, Laura Ungar und Leopold Hoffmann.
Ab diesem Zeitpunkt war die österreichische Polizei über die Art und Weise, wie
die Freiwilligen nach Spanien gelangten, und über die meisten Anlaufstellen in
den Transitländern Schweiz und Frankreich informiert.
Wie sehr sie jedoch bei der Einschätzung der Motive der Freiwilligen daneben lag,
geht aus dem Fahndungsersuchen, welches nach meiner eigenen Abreise erlassen
wurde, hervor. Darin heißt es, dass "unbefugte Werber für die
Valencia-Regierung am 10. Juli 1937 in Ober-Waltersdorf und Umgebung marxistisch
eingestellte Personen für die gegenwärtig kriegsführende Regierungspartei,
sie unter der Vorgabe sie für eine Arbeit nach Frankreich zu vermitteln"
angeworben hatten. Es folgte eine detaillierte Personenbeschreibung zweier Männer,
die mit einem 500 ccm Puch-Motorrad unterwegs wären. Es versteht sich von
selbst, dass die beschriebenen "Werber" nur in der Phantasie der
ausschreibenden Behörde existierten.
Ich bekam mein Fahrgeld und die Anlaufadresse in Paris - Café Grison, rue d`Alsace
39 - am 18. Juni 1937, einen Tag vor meiner Abreise in Traiskirchen, beim Bahnübergang
der Badner-Bahn zur Goethe-Siedlung. Zum damaligen Zeitpunkt ein Feldweg bei den
letzten Häusern der Stadtgemeinde.
Die Verbindung war durch die Brüder Johann und Rudolf Schuster, die in der Firma A.
Rudolph, mechanische Weberei, Ober-Waltersdorf, die illegale Freie
Gewerkschaft organisiert hatten, wo auch ich als Blattbindergehilfe beschäftigt
war, hergestellt worden.
Der durch die Verhaftung verursachte Transportstopp dauerte nur kurze Zeit. Bereits
im Mai 1937 florierten die Ausreisen besser denn je und sollten erst nach dem
"Anschluss" 1938 versiegen.
Sicherlich war hiefür auch das in Spanien in Aufstellung begriffene österreichische
Bataillon "12. Februar 1934", mit den Kompanien Ing. Weissel, Münichreiter,
Wallisch und Gerl, verantwortlich. Bei Quijorna kam es, anlässlich der
Brunete-Offensive, erstmals zum Einsatz.
Mehr als drei Viertel aller österreichischen Freiwilligen kamen durch die
"Transportorganisation" nach Spanien.
Die politische Einstellung der Freiwilligen umfasste die ganze Bandbreite der
illegalen Arbeiterbewegung. Dies geht aus den bei der Ankunft in Spanien ausgefüllten
Registrierungsbögen einwandfrei hervor.
Zu Beginn - 1936 - war man an "Spezialisten", das heißt Leuten, die
entweder im Ersten Weltkrieg Soldaten waren oder anderwärtig militärische
Erfahrung gesammelt hatten, interessiert. Besonders an Offizieren, Piloten,
Chauffeuren und Panzerfahrern.
In einem von der Polizei sichergestellten Brief wurde die Frage aufgeworfen, was
mit den "Mj. Bau und Mj. Ei los sei" und warum man die "Offerte
dieser Leute nicht erledigt". Bei "Mj. Ei" handelt es sich
einwandfrei um Major Eifler. Dies geht aus einem Schreiben von Julius Deutsch
hervor, der schreibt, dass Eifler, sollte er nach Spanien kommen, sofort ein
Bataillon kommandieren könnte. Eifler stellte aber noch andere Bedingungen.
Ein besonderes Kapitel der österreichischen Freiwilligen stellten die ehemaligen
Schutzbündler dar, welche nach den Februarkämpfen 1934 über die
Tschechoslowakei in die Sowjetunion und von dort nach Spanien gekommen waren.
Wie schon erwähnt, war für deren Transport nach Spanien ebenfalls die Rote
Hilfe zuständig. Nebenbei mussten sie noch die Bewilligung der Gewerkschaft zur
Freistellung aus den Betrieben, in denen sie arbeiteten, haben.
Ende
Oktober 1936 verließen die ersten Freiwilligen Moskau. Es waren dies Anton
Dobritzhofer, Laurenz Mraz und Hans Griebaum. Die Hauptreiseroute ging über
Leningrad, Skandinavien, von wo aus unter Umgehung Nazi-Deutschlands per Schiff
oder Flugzeug Belgien und Frankreich erreicht wurden.
Nur
wenige Tage später folgten ihnen direkt von der Werkbank weg und nur mit dem
militärischen Wissen, welches sie, so sie keine Weltkriegsteilnehmer waren,
beim Republikanischen Schutzbund in Österreich oder bei der vormilitärischen
Ausbildung durch den Ossowiachim in der UdSSR erworben hatten, Franz Tesar, Hugo
Müller - ein Neffe Richard Bernascheks -, Franz Löschl, Franz Berger, Viktor
Lenhart, Rudolf Schober, Friedrich Ganko, Leopold Stancl, Franz Dorfner, Hans
Hummer, Willy Distelberger, Anton Barak, Johann und Karl Dobias, Walter Koraus,
Franz Zettel, Anton Bergauer und Fritz Maurer. Sie wurden auf die 11. und 13.
Internationale Brigade aufgeteilt.
Zwei
von ihnen sollten das Jahr 1937 nicht mehr erleben. Zettel fiel am 19. Dezember
1936 als erster Schutzbündler in der Nähe von Majadahonda bei der Verteidigung
Madrids und Willy Distelberger aus Steyr einige Tage später beim erfolglosen
Angriff der 13. Internationalen Brigade auf Teruel.
Johann
Hummer, Karl Dobias, Anton Bergauer und der direkt aus der Heimat - Mödling -
nach Spanien gekommene Anton Bruck fielen am 7. Jänner 1937 bei den Kämpfen um
Las Rozas und Remisa, damals Vororte von Madrid. Julius Deutsch berichtete darüber
in einem Brief an das ALÖS in Brünn und die illegale AZ - Nummer 5/1937 -
unter der Rubrik "Aus der Partei".
Alle
bis zu diesem Zeitpunkt aus der Sowjetunion nach Spanien gekommenen Schutzbündler
kamen aus Moskau und alle, mit Ausnahme von Anton Dobritzhofer, wurden als
einfache Soldaten eingeteilt. Er wurde sofort Zugsführer und als erster
Leutnant. Alle anderen, mit Ausnahme von Griebaum und Dorfner, erreichten einen
Offiziersdienstgrad im Laufe des Jahres 1937. Franz Berger und Hugo Müller
kommandierten in der Folge das österreichische Bataillon "12. Februar
1934" und das Spezialbataillon der 35. Division.
Im
Frühjahr 1937 kamen dann weitere ehemalige Schutzbündler aus der Sowjetunion.
Es waren größtenteils solche, die in Leningrad oder Charkow ihren Wohnsitz
hatten. Sie alle machten vor ihrer Abreise mehrwöchige Offizierskurse in den
Infanterie-, Pionier- und Panzerschulen von Rjasan, Tambow und Gorki und kamen
schon als Leutnante nach Spanien.
Aber
schon im Sommer desselben Jahres ging man von dieser Praxis wieder ab. Die
Schulen wurden zwar noch besucht, aber die Absolventen bei ihrer Ankunft in
Spanien als einfache Soldaten in ihre jeweilige Einheit eingegliedert. Warum
dies so geschah, kann nur vermutet werden.
Sie
kamen auch nicht mehr über die "Nord-Route", sondern per Schiff aus
Odessa.
In diesem Zusammenhang darf auf die irrige und immer wieder verbreitete Meinung, dass
alle aus der Sowjetunion gekommenen Interbrigadisten Falschnamen gehabt hätten,
hingewiesen werden.
Der Grund für die Falschnamen war simpel. Bei der Reise nach Spanien auf der
"Nord-Route" mussten zwangsweise mehrere Grenzen passiert werden.
Nachdem die Schutzbündler bei ihrer Flucht aus Österreich keine Reisepässe
besaßen - welcher Arbeiter hatte in den 30er Jahren überhaupt einen solchen? -
mussten sie mit falschen Papieren ausgerüstet werden und ... behielten ihre
Falschnamen auch in Spanien. Bei der Anreise mit einem sowjetischen oder
spanischen Schiff gab es diese Formalitäten nicht.
Von den 162 aus der Sowjetunion nach Spanien gekommenen Schutzbündlern hatten 63
nachgewiesenermaßen einen Falschnamen. 32 blieben in Spaniens Erde und weitere
30 verloren in den Jahren 1939-1945 ihr Leben. Acht von ihnen in einem deutschen KZ
oder Gefängnis, wobei sich einer, Josef Herman, nach seiner Rückkehr aus dem
Spanieneinsatz in die Sowjetunion freiwillig zur Rückkehr nach Deutschland
meldete, nach Dachau eingewiesen wurde und dort verstarb.
Zehn
starben als Kundschafter der Roten Armee im wahrsten Sinne des Wortes über den
ganzen Erdball verstreut, von Shanghai über die Slowakei, Jugoslawien bis
Ostpreußen und Niederösterreich.
Zwei, Josef Goldberger und Franz Zivny, wurden in Charkow nach dem Einmarsch der
Deutschen Truppen von diesen erschossen. Sie standen in der
"Sonderfahndungsliste UdSSR" des Reichssicherheitshauptamtes.
Einer, Anton Barak, verübte in der Lubljanka Selbstmord, als er beschuldigt wurde,
englischer Spion zu sein. Sein Mitbeschuldigter, Albin Mayr, bekam für das
"selbe Delikt" 25 Jahre Zwangsarbeit, von denen er 12 Jahre verbüßte,
um später rehabilitiert zu werden.
Dann muss noch ein wirkliches Stalinopfer, Josef Frank aus Wiener Neustadt, erwähnt
werden. Er kam mit der Gruppe von 14 Österreichern, welche als Kriegsinvalide
aus dem Lager Gurs in die Sowjetunion gebracht wurden, dorthin.
Die vor einigen Jahren von einem Historiker als Stalinopfer angegebenen Max
Oberreiner, Karl Sobotka und Josef Stadlbauer waren dies nachweislich nicht.
Die beiden Erstgenannten fielen in Spanien - dies war bereits der GESTAPO
bekannt - und Josef Stadlbauer, der sich in Spanien Rudolf Watzek nannte, kam
nach der Niederlage der Spanischen Republik über die französischen
Internierungslager nach Dachau, wo er bis zur Befreiung durch die US-Army
verblieb. Er starb am 19.12.1973 in Oberberg am Inn.
Wenden wir uns nun nüchteren Zahlen zu. In den diversen Arbeiten der Berufshistoriker
geistern ja Ziffern über die Stärke der Internationalen Brigaden herum, die
einen schwindlig werden lassen. Und zwar stammen diese von Freund und Feind.
Die einen meinen, dass dadurch die Solidarität, die man mit dem spanischen Volk
hatte, besonders zum Ausdruck kam, und die anderen werden nicht müde, auf die
"bolschewistische Gefahr", die drohte, hinzuweisen.
Im Konkreten aber nun zu Österreichern, Deutschen und Schweizern. Wie kam es bei
diesen drei Nationen zu dem Zahlenwirrwarr?
Bis Frühsommer 1937 gab es in Albacete nur ein Kaderbüro für
"deutschsprachige" Interbrigadisten. Nach der Gründung des österreichischen
Bataillons, im Juni 1937, wurde das Kaderbüro geteilt. Es gab dann ein solches
für Österreicher, Deutsche und Schweizer Freiwillige. Die Zahl von 5.000 bis
5.500 deutschsprachigen Freiwilligen blieb jedoch für die deutschen
Freiwilligen im Raum und wurde immer wieder abgeschrieben. Nun kennen wir aber -
nicht zuletzt aus Dokumenten aus Moskau - die genauen Zahlen.
Ich möchte mich heute aber nur zu den österreichischen Zahlen äußern. Die
wichtigste Fundgrube zur Erarbeitung einer wissenschaftlich haltbaren Zahl waren
nun die nachstehend angeführten Institute:
1.)
Das Archiv der Republik. Alle Erhebungsergebnisse der österreichischen Polizei,
Spanien und österreichische Freiwillige
betreffend, welche bis zum Anschluß im März 1938 im Bestand
"Generaldirektion für öffentliche Sicherheit" archiviert waren,
wurden unmittelbar nach dem Anschluß von einer Spezialgruppe der GESTAPO
gesichtet und ausgewertet. Sie fanden Eingang in die sogenannte Blaue Kartei,
welche sich heute im Besitz des Archivs der KPÖ befindet.
2.)
Das Buch für "Todeserklärungen beim Standesamt Wien-Innere Stadt",
die Abteilungen für Zivilrechtssachen in Wien und die analogen Abteilungen bei
den verschiedenen Gerichten in ganz Österreich. Hier wurden Todesort und
Todeszeit von 44 österreichischen Spanienkämpfern, im Zeitraum vom Juli 1936
bis März 1939, festgestellt.
3.)
Bei der Bearbeitung des Kapitels "Österreicher im Sanitätsdienst der
Spanischen Volksarmee" half das Archiv der Promotionskanzlei der Universität
Wien. In einer Mitte 1937 erstellten Statistik rangieren die sechzehn österreichischen
Medizinerinnen und Mediziner als fünftstärkste Gruppe hinter Polen, den USA,
Deutschland und Jugoslawien.
4.)
Die Gedenkstätte Dachau. In dieses Lager wurde der größte Teil der österreichischen
Spanienkämpfer (382) eingeliefert. Weitere 77 waren in anderen Lagern, wie
Buchenwald, Sachsenhausen, Auschwitz, Flossenbürg, Groß-Rosen u.a., 84 von
insgesamt 459 kamen in den Lagern um bzw. wurden als Euthanasie-Opfer (13)
ermordet. Die meisten wurden von Dachau in die Euthanasie-Anstalt Hartheim
gebracht.
5.)
Das ehemalige Zentrale Parteiarchiv der SED im IFGA (Institut für Geschichte
der Arbeiterbewegung) in Berlin. Heute Außenstelle des Bundesarchivs Koblenz,
mit den Zwischenarchiven in Potsdam (RSHA) und Dahlwitz-Hoppegarten (NS-Justiz),
in denen über 424 bzw. über 66 Österreicher Akten aufliegen.
6.)
Das Buch des Hilfskomitees für Gefangene in Franco-Gefängnissen, welches sich
im Schweizerischen Sozialarchiv befindet. 36 Österreicher - darunter eine zum Tode verurteilte Frau (Sofia Mach) - befanden sich in
Franco-Gefangenschaft.
7.)
Das Archivo Histórico Nacional in Salamanca, Sección Guerra Civil und Servicio
Histórico Militar España in Madrid. In ersterem sind 11.709 Namen ehemaliger Angehöriger der
Internationalen Brigaden registriert, von denen 540 als Österreicher
identifiziert werden konnten. Durch die Eintragungen, welche von einem Personal
vorgenommen worden war, welches der deutschen Sprache nicht mächtig war, kam es
zu Mehrfacheintragungen in den verschiedenen Schreibweisen, so daß sich die
effektive Zahl auf 439 reduziert.
8.)
Eine für die Feststellung der genauen Anzahl österreichischer Freiwilliger
wertvolle Quelle wurde 1990 vom Archiv der KPÖ in Moskau erschlossen. Es
handelt sich hiebei sowohl um eine numerische als auch Namensliste.
Unter
dem Titel "Statistische Angaben über die österreichischen Freiwiligen in
Spanien" hatte die österreichische Sektion des Kaderbüros in Albacete, am
22. Dezember 1937, 1063 Österreicher numerisch erfaßt. Zu diesen kamen noch
106 inzwischen Gefallene und 41 andere Personen (4 im Auslandsurlaub, 10
repatriiert, 17 Deserteure und 10 gleich bei ihrer Ankunft Zurückgeschickte),
so daß bis zu diesem Zeitpunkt 1210 Österreicher mit Hilfe der Roten Hilfe
nach Spanien gekommen waren. Nicht gezählt waren hiebei Freiwillige, die auf
anderem Wege nach Spanien gekommen und nicht vom Kaderbüro erfaßt worden
waren.
9.)
Das politisch interessanteste Material aus Moskau sind 269 von der
Kaderabteilung angefertigte "Caracteristicas", wir würden
Dienstbeschreibungen sagen. 208 KPÖ-Mitglieder, 61 Nichtparteimitglieder. Wie
bei allen Dienstbeschreibungen zu allen Zeiten und in allen Ländern und
Organisationen sind in diese Sympathie und Antipathie für den zu Beschreibenden
eingeflossen. So mancher, der 1939 die höchste Stufe "Kader" erreicht
hatte, entpuppte sich bis 1945, beim bitteren Weg durch französische Lager und
deutsche KZ und Gefängnisse, menschlich und politisch als kleines Licht, und so
mancher, der als "politisch unklar" und "deklassiert"
abqualifiziert wurde, gab Weggefährten und Leidensgenossen in dieser dunklen
Zeit moralische Kraft zum Überleben.
Besonders
tragisch finde ich Qualifizierungen von Leuten als deklassiertes, verdächtiges
Element usw., die später als aktive Kämpfer ihr Leben ließen. Ich denke dabei
auch an einige aus Frankreich nach Österreich Zurückgekehrte.
Heute
umfaßt unsere Kartei 1579 Namen. Bei 1367 von ihnen ist ihr Einsatz in Spanien
dokumentiert. Österreicher kämpften, mit Ausnahme der Marine, in allen
Waffengattungen der Volksarmee.
Andreu
Castells schreibt in seinem Buch "Las Brigadas Internacionales de la Guerra
de España" von 1507 Österreichern. Von diesen wären 230 (von mir wurden
bis dato 235 festgestellt) gefallen.
Die
Historische Kommission der 11. Internationalen Brigade, welche im Spätherbst 1938 unter der Leitung von Zalel Schwager und Josef
Schneeweiss in Bisaura de Ter ins Leben gerufen worden war, ermittelte eine ähnliche
Gesamtzahl wie Castells und verbannt die immer wieder behauptete Zahl von 2000
österreichischen Spanienkämpfern und 700 Gefallenen in das Reich der
Spekulation.
Referat
auf dem Symposium der Alfred Klahr Gesellschaft „60 Jahre Internationale
Brigaden“, 23. November 1996
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