| |
Manfred Mugrauer: Spanischer Bürgerkrieg in den Medien 60 Jahre danach
Würde man diese Themenstellung auf die unmittelbare Rezeption dieses
Ereignisses bzw. der Rolle der Internationalen Brigaden in den heimischen
Massenmedien beschränken, so müßte sich dieses Referat in der Behandlung von
einigen wenigen Zeitungsartikeln erschöpfen. Denn wie es bereits in den letzten
50 Jahren seit der Gründung der II. Republik der Fall war, wird auch 60 Jahre
nach dem Putsch der Franco-Generäle gegen die rechtmäßige Regierung der
Volksfront der Einsatz derjenigen Österreicherinnen und Österreicher, die in
den Reihen der Internationalen Brigaden für die Freiheit Spaniens und auch für
die Unabhängigkeit Österreichs kämpften, kaum erwähnt.
Dieses Phänomen beschränkt sich jedoch nicht auf die heimischen Massenmedien:
auch das offizielle Österreich verweigert ihnen weitgehend die notwendige
Anerkennung, und selbst in der österreichischen Geschichtswissenschaft erhielt
die Aufarbeitung des Widerstands gegen den Faschismus, auch jener in Spanien,
nur wenig Aufmerksamkeit.
Erst vor zehn Jahren, anläßlich des 50. Jahrestags, konnte man der Schließung
dieser Lücke in der österreichischen Zeitgeschichte einen bedeutenden Schritt
näherkommen, indem zwei Bücher erschienen, die sich mit dem Beitrag der
österreichischen Freiwilligen an der Verteidigung der spanischen Republik und
mit deren Widerstand gegen den Faschismus beschäftigen. Dies war bis dahin nur
im Buch von Max Stern „Spaniens Himmel“ aus dem Jahre 1966 geschehen.
Zum einen handelt es sich dabei um das in Augenzeugenberichten verfaßte
Erinnerungsbuch der „Vereinigung österreichischer Freiwilliger in der
spanischen Republik und der Freunde des demokratischen Spaniens“ mit dem Titel
„Österreicher im spanischen Bürgerkrieg“, zum anderen um den Band „Für Spaniens
Freiheit“, herausgegeben vom Dokumentationsarchiv des österreichischen
Widerstands, der in Form einer kommentierten Quellenedition den Einsatz der
Österreicher beleuchtet.
Die heutige Beschäftigung mit dem Spanischen Bürgerkrieg, die Gegenstand dieses
Referats sein soll, gliedert sich nun in mehrere Bereiche: Einerseits die
unmittelbare Bezugnahme anläßlich des 60. Jahrestags des Franco-Putsches, wobei
dieses Feld fast ausschließlich durch Medien des linken Spektrums abgedeckt
wird, andererseits die aktuelle Diskussion um den streitbaren Film von Ken
Loach „Land and Freedom“, zu deutsch „Land und Freiheit“, der im Februar dieses
Jahres in Österreichs Kinos angelaufen ist. Zudem liegen Beiträge vor, die sich
konkret auf die Internationalen Brigaden beziehen.
„Land and Freedom“...
Beginnen möchte ich mit jenem Bereich, den die Medien für die Beschäftigung
mit dem preisgekrönten Film „Land and Freedom“ aufgebracht haben. Der britische
Regisseur Ken Loach thematisiert in seinem Werk über den Spanischen Bürgerkrieg
nicht den Kampf gegen den Franco-Faschismus, sondern vor allem die inneren
Konflikte auf Seiten der Republikaner, die neben der materiellen Übermacht des
Gegners, bedingt durch die massive militärische Unterstützung Francos durch das
faschistische Italien und Nazi-Deutschland, und der Politik der strikten
Nichtintervention seitens der westlichen demokratischen Großmächte eine der
Ursachen für die Niederlage der Republik darstellen.
Um die Kontroversen rund um diesen Film besser nachzuvollziehen können, möchte
ich kurz seine Handlung skizzieren: David Carr, ein arbeitsloser Minenarbeiter
aus Liverpool und Mitglied der Kommunistischen Partei Großbritanniens, sieht in
einer Parteiversammlung Bilder aus dem Spanischen Bürgerkrieg über den sich
mobilisierenden Widerstand und macht sich darauf auf den Weg nach Spanien, um
der Republik zu Hilfe zu eilen. Dabei trifft er im Zug zufällig auf Milizionäre
der POUM, denen er sich anschließt. An der aragonesischen Front erlebt er bei
der POUM den „Sozialismus in Aktion“, wie viele Medien es rezensieren.
Dennoch verläßt er nach einer Verwundung die Miliz, geht nach Barcelona und
fühlt sich nach seiner Genesung als Mitglied der KP verpflichtet, sich deren
Kommando zu unterstellten. Blanca, eine Milizionärin, mit der er ein
Liebesverhältnis hat, schimpft ihn darauf Verräter. David will sich nun den
Internationalen Brigaden anschließen, gerät jedoch in die Wirren der
Mai-Ereignisse in Barcelona 1937, zerreißt sein Parteibuch und kehrt zur
POUM-Miliz zurück. Als zum Schluß die Volksarmee mit der Entwaffnung der Miliz
beginnt, wird im allgemeinen Tumult Blanca versehentlich erschossen.
... und seine Streitpunkte
Die Hauptthesen von Loach, die jener dem Zuseher vermitteln will, nehmen
unmittelbar Bezug auf die damaligen Streitpunkte: zum einen die strikte
Ablehnung der Strategie der Volksfront, die Notwendigkeit der sofortigen
sozialen Revolution, die seiner Behauptung nach „verraten worden ist“, sowie
das Festhalten an den Milizen gegenüber einer neu zu schaffenden regulären
Volksarmee. Also durchaus gängige Muster der damaligen, und wie wir sehen
werden, auch heutigen „trotzkistischen“ Argumentation, so schwierig und
undifferenziert dieser Begriff auch sein mag. Denn diese Muster dienen den
aktuellen Medien der linksradikalen, sogenannten „trotzkistischen“ Gruppen in
Österreich auch heute noch als Aufhänger für Polemiken gegen Kommunistinnen und
Kommunisten.
Leider ist es jedoch unmöglich, im Detail auf die einzelnen Positionen dieser
Gruppen und Grüppchen zum Spanischen Bürgerkrieg einzugehen, da die Behandlung
der verschiedenen Schattierungen unter den Linksradikalen ein ganzes Symposium
ausmachen würde. Einigkeit herrscht bei den diversen trotzkistischen
Splittergruppen in der Verdammung der Politik der Volksfront, die als „Opferung
der unabhängigen Klasseninteressen der Arbeiter und Bauern“ abgetan wird, und
in der überstrapazierten These vom „Verrat der stalinistischen Kommunistischen
Partei“ oder „des Stalinismus an der proletarischen Revolution“. In einem
aktuellen Beitrag der Gruppe „Sozialistische Alternative“ SOAL mit dem Titel
„Die Revolution, die nicht siegen durfte“ findet sich beispielsweise die
Einschätzung der Volksfrontpolitik als „verlogene antifaschistische Einheit,
die in Wirklichkeit der Deckmantel für die konterrevolutionären Umtriebe des
internationalen stalinistischen Apparates auf der iberischen Halbinsel war“ und
„zum Vehikel der stalinistischen Manöver zum Verrat an aufkeimenden
proletarischen Revolutionen wurde“.
Wesentlich mehr Schwierigkeiten bereitet dem trotzkistischen Spektrum die
Einschätzung der POUM, hier gehen die Meinungen bereits kräftig auseinander.
Die einen übernehmen Trotzkis Argumentation, daß „die POUM die revolutionäre
Vorhut von der Klasse isolierte“ und „letzten Endes das Haupthindernis auf dem
Weg zur Schaffung einer revolutionären Partei“ war, daß die POUM nur „die ewige
Pleite des Zentrismus darstellte“, analysieren andere Gruppen. Die bereits
erwähnte SOAL, die mit ihrem Magazin „Die Linke“ zu den bekannteren
trotzkistischen Gruppen gehört, tut sich schließlich auch mit der
Verunglimpfung der Internationalen Brigaden hervor, indem sie von „rührselig
vorgetragenen Hymnen auf die Internationalen Brigaden“ als „gängigem Klischee“ der
Rezeption des Bürgerkriegs spricht und sogar soweit geht zu behaupten, daß
Andreu Nin, der Führer der POUM, „von als Gestapo-Agenten verkleideten
Angehörigen der Internationalen Brigaden ermordet“ worden ist.
Innere Konflikte ...
Dennoch kann im Zusammenhang mit den bitteren Konflikten im republikanischen
Lager, innerhalb der Linken, nicht geleugnet werden, daß in der Vergangenheit
gerade das Ausklammern dieser kontroversiellen Aspekte durch die
Kommunistischen Parteien ungewichtige und zweifelhafte Darstellungen ohne
Gegengewicht gelassen haben. „Land and Freedom“, der die Spaltung der
Republikaner und Linken thematisiert, ist deshalb sozusagen in eine
„Geschichtslücke“ bzw. zumindest in ein bisher klar unterbelichtetes Kapitel
der Geschichte vorgestoßen. So findet sich bedauerlicherweise auch im
Erinnerungsbuch der Spanienkämpfer von 1986 nichts über die
Auseinandersetzungen in Katalonien 1937, die die Interbrigadisten gewiß nicht
unbeeindruckt gelassen haben, obwohl sie selbst nicht an diesen Ereignissen
beteiligt waren.
Ein Eingehen auf die Punkte der steten Diskussion und Auseinandersetzung
erscheint jedoch vor allem dann als Notwendigkeit, wenn man die in den
sogenannten „bürgerlichen“ Medien auftauchenden Rezensionen von „Land and
Freedom“ betrachtet, da diese ein eigenartiges, und doch nicht neues Phänomen
erkennen lassen: Denn wieder einmal nehmen viele bürgerlichen Medien den 60.
Jahrestags des faschistischen Aufstands gegen die demokratische Regierung
weniger zum Anlaß, das antifaschistische Bewußtsein in der Bevölkerung zu
stärken, sondern bedienen sich vielmehr eben jenes immer wieder so bezeichneten
„Bürgerkriegs im Bürgerkrieg“, um in gewohnter Manier den Antikommunismus zu
pflegen.
Und wenn ich zu Beginn die Argumentationslinie diverser linksradikaler Gruppen
skizziert habe, so schließt sich der Kreis nun insofern, als so manche
Journalisten als sonst passionierte Antikommunisten plötzlich in glühende
Kämpfer für die sozialistische Revolution mutieren, indem sie sich
leidenschaftlich für die „antistalinistische“ POUM ins Zeugs werfen und
unreflektiert deren trotzkistische Interpretationsmuster übernehmen.
... und „bürgerliche“ Medien
Genau diese Tendenz war erneut bei den aktuellen Rezensionen von „Land and
Freedom“ zu erkennen, wobei folgende zentrale Muster zu beobachten sind: Zum
einen die zeitgeistige Idealisierung und Romantisierung der
„basisdemokratischen“ unkorrumpierten Milizionärinnen und Milizionären der
POUM, die bei einem feindlichen Angriff erst einmal Strategie und Taktik gemeinsam
ausdiskutieren müssen, zum anderen die undifferenzierte pauschale Verurteilung
der Kommunisten als stalinistische Betonköpfe, die mit ihrer Forderung nach
einer verständlicherweise heute negativ besetzten disziplinierten Armee mit
einheitlichem Oberkommando und straffer Disziplin jede revolutionäre Initiative
im Keim ersticken wollten.
Die Berliner TAZ schreibt beispielsweise in ihrer Filmkritik unter dem Titel
„Einmal freier atmen“ von einem „absolut skrupellosen, menschenverachtenden
Spiel der moskautreuen Kommunisten“ und läßt mit der Aussage, daß Andreu Nin
von der „kommunistischen Gestapo“ ermordet worden ist, sogar die gute alte
Totalitarismustheorie durchklingen. Die Presse drückt sich da schon gewählter
aus, indem sie davon spricht, daß „die Utopie von Freiheit und Gleichheit von
doktrinären Parteikommunisten zerschlagen“ wurde. Die Kleine Zeitung wiederum
glaubt in einer kurzen Kino-Rezension gar den „Werdegang der kommunistischen
Idee von der sozialistischen Utopie bis zu deren totalitärer Pervertierung“ aus
dem Film herauszulesen.
Einen lockeren Umgang mit Geschichte zeigt der „Spiegel“, der in seiner
Filmkritik unter dem Titel „Alte Träume“ davon schreibt, daß sich der
angesprochene David Carr einer „anarchistischen Miliz“ anschließt, was bei allen
anarchistischen Einschlägen der POUM doch zu undifferenziert bzw. historisch
falsch ist. Dieser Spiegel-Beitrag stellt also eine Kontinuität her zur
vierteiligen Artikelserie des Spiegels aus dem Jahre 1986 anläßlich des 50.
Jahrestags des Franco-Putsches, die über vierzig reichlich illustrierte Seiten
umfaßte. Im Stile des „Sensationsjournalismus“ lag der Schwerpunkt dabei jedoch
in der detaillierten Schilderung von Massakern und im Herumjonglieren mit
Zahlen von Todesopfer, weshalb sich oft ein allzu leichtfertiger Umgang mit
historischen Tatsachen eingeschlichen hatte: So wurde zum Beispiel im
Zusammenhang mit den österreichischen Freiwilligen in den Internationalen
Brigaden pauschal von 1700 Sozialdemokraten gesprochen.
Zwei Seiten lang greift der Spiegel schließlich begierig die „Verstrickung der
Antifaschisten in einen Bürgerkrieg und Bürgerkrieg“, wie zu lesen ist, auf und
spricht von einem „Ausrottungskrieg der Kommunisten gegen die Ketzer in den
Reihen der Republik: Anarchisten, Sozialrevolutionäre der POUM, Trotzkisten,
Sozialdemokraten, Liberale und Idealisten“, wobei uns die Breite dieses
Spektrums der Verfolgten verblüffen muß. Überaus brisant ist auch die nicht
näher belegte Anschuldigung, daß Politchef André Marty 500 Interbrigadisten
umbringen haben lassen soll.
Kritische Geschichtsaufarbeitung
Dies ist jedoch nur die eine Seite der Rezeption der inneren Ursache für das
Scheitern des Widerstands gegen den Faschismus in Spanien. Wenn man nun in
einem Artikel eines Historikers der KPÖ aus dem Jahre 1981 liest, daß „die
ultralinke Opposition nach kurzem Kampf ausgeschaltet wurde“ und 1986 im Weg
und Ziel von „unnötigen Übergriffen auf republikanischer Seite bei der
Überwindung der Meuterer, zu denen es erklärlicherweise gekommen ist“ die Rede
ist, so läßt dies den Aufarbeitungsbedarf der Mai-Ereignisse in Katalonien 1937
erkennen. Denn gerade die Scheu der Kommunistinnen und Kommunisten vor der
Beschäftigung mit diesem Aspekt erklärt die große Leidenschaft, mit der sich
trotzkistische und bürgerliche Medien dieser annehmen.
„Land and Freedom“ kann so durchaus einen Ansatzpunkt bieten, an der
notwendigen Aufarbeitung dieses Kapitels der Vergangenheit zu arbeiten, denn
die Repressionsmaßnahmen gegen Anarchosyndikalisten und POUMisten sind
genausowenig wegzuleugnen wie der Zusammenhang dieser Kampagne mit den
NKWD-Massenverhaftungen und den Moskauer Prozessen. Einer kritischen Reflexion
bedarf zudem die Tatsache, daß die Kritik an bestimmten Maßnahmen der
Kommunistischen Partei zunehmend pauschal als „Trotzkismus“ abgestempelt und
verfolgt wurde. Zu klären wäre weiters noch die Frage, inwieweit tatsächlich
Franco-Agenten als Provokateure in den Reihen der POUM tätig waren.
Vor diesem Hintergrund muß es besonders interessant erscheinen, wie
differenziert die Volksstimme mit dem streitbaren Film von Ken Loach „Land and
Freedom“ umzugehen weiß: Reiner Wandler anerkennt in seinem Beitrag mit dem
Titel „Die andere Geschichte des spanischen Bürgerkriegs“ die Intention von Ken
Loach, „den unbekannteren Teil der Linken auf die Leinwand zu bringen“ und geht
in einer eigenen Rubrik mit dem Titel „Hintergrund: Streit um Land and Freedom“
auf kontroversielle Aspekte des Filmes ein. Darin gibt er den sehr
aufschlußreichen Streit zwischen Ken Loach und dem ehemaligen Generalsekretär
der PCE, Santiago Carillo, wieder, den auch ich hier kurz skizzieren möchte.
Carillo äußert dabei die Kritik, daß Loach in seinem Film „den Faschismus von
Franco, Hitler und Mussolini in den Hintergrund drängt, um Stalin zu
kritisieren“. Weiters behauptet er, daß „eine Revolution von unten nicht
möglich war, ohne vorher den Bürgerkrieg zu gewinnen. Dazu brauchte es eine
reguläre Armee, mit Disziplin. Diese Armee baute die Regierung mit
Unterstützung der KP auf“, worauf ihn .Volksstimme-Rezensent Wandler
bezichtigt, er wiederhole einmal mehr das, was in den 30er Jahren
kommunistische Doktrin war.
Zur Untermauerung fügt Wandler noch die Replik von Ken Loach auf diesen Vorwurf
hinzu, der meinte, „daß damit ganz deutlich gezeigt wird, daß die KP in den
letzten 60 Jahren nichts dazugelernt hat“. Zur „Aufklärung von Carillo“ und zur
Aufdeckung „der wahren Interessen hinter dieser von Moskau unterstützten
Politik“, wie Wandler schreibt, wird schließlich noch Wilibaldo Solano, der
Amtsnachfolge von Andreu Nin als Generalsekretär der POUM, zitiert. Dessen
wiedergegebenes Argument, die „antifaschistische Einheit wurde durch die von
Stalin aufgedrückte Linie zerstört“ schlägt in Wahrheit jedoch genau in die
selbe Kerbe wie die Behauptung der Kommunisten in den 30er Jahren, die
Trotzkisten seien die Spalter der Arbeiterbewegung. Wenn Wandler dann als
Schlußsatz anführt, daß uns Loach mit seinem Film „unsere Geschichte
zurückgegeben hat“, dann wäre zu klären welche Geschichte er meint, gewiß nicht
jene der hier anwesenden ehemaligen Interbrigadisten, die im Film ziemlich
schlecht wegkommen.
Vergleicht man diese Darstellung nun mit dem oben formulierten Anspruch auf
Ausgewogenheit und auf eine kritische Reflexion der in „Land and Freedom“
formulierten Vorwürfe, besonders jener, die eine scharfe Kritik an
Kommunistinnen und Kommunisten bedeuten, so bleibt festzuhalten, daß es eher zu
einer Rechtfertigung anstelle einer differenzierten Auseinandersetzung mit
jenen gekommen ist. Am kritischsten erweist sich noch in zwei kurzen Beiträgen
der „Standard“, der auf das allzu große Pathos, die „Umstrittenheit der allzu
linear erzählten Sentimentalitäten“ und die mögliche Verfälschung der
Geschichte hinweist.
„Spaniens Himmel“ 60 Jahre danach
In den zu Beginn angesprochenen zweiten Bereich, nämlich die unmittelbare
kritische Beschäftigung mit Aspekten des Spanischen Bürgerkriegs, haben sich
nur wenige Massenmedien vorgewagt. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung
beschäftigt sich mit dem individuellen Schicksal von drei jüdischen
Spanienkämpfern: einem Kommandanten der POUM, einem Mitglied der Flugstaffel
von André Malraux und einem Piloten der republikanischen Luftwaffe. Dieser
Artikel leistet damit sowohl einen Beitrag zur Aufarbeitung eines bisher selbst
in der kommunistischen Literatur unterbelichteten Aspekts des Bürgerkriegs, als
auch zur Widerlegung der These von der Passivität der Juden.
Die Hamburger „Zeit“ widmet sich in einem dreiseitigen Beitrag unter dem Titel
„Mit Gewehr und Feder“ der Verarbeitung der Ereignisse durch namhafte
Schriftsteller, die sich gemeinsam mit anderen Intellektuellen mit
revolutionärem Elan und aktivem Engagement für die Republik eingesetzt haben.
Auch hier ist die Tendenz zu erkennen, sich stärker mit den inneren Konflikten
und dem „Krieg im Kriege“, wie zu lesen ist, zu beschäftigen, wobei als
Konfliktparteien auf der einen Seite die Anarchisten und die POUM, sowie auf
der anderen Seite das so bezeichnete „bürgerliche Lager“, nämlich die
Sozialdemokraten und Kommunisten mit rechts-etatistischem Kurs“ ausgemacht
werden. Und wenn dieser von den Schriftstellern reflektierte „Krieg im Kriege“
darauf als jener Riß bezeichnet wird, der letztlich zum Stigma des Spanischen
Bürgerkriegs wurde, so muß uns dies erneut zu einer fundierten und sachlich-kritischen
Aufarbeitung zwingen, weshalb es besonders interessant ist, wie sich linke
Medien mit dieser Materie 60 Jahre danach auseinandersetzten.
Beginnen wir mit Weg und Ziel, der Marxistischen Zeitschrift, herausgegeben von
der KPÖ, wo auch 1996 zwei Artikel zum 60. Jahrestags des Franco-Putsches zu
finden sind. Zum einen der Beitrag der AHS-Lehrerin Anni Donninger mit dem
wohlbekannten Titel „Spaniens Himmel“, bei dem es sich offensichtlich um einen
Dauerbrenner handelt. Dieser Artikel spricht zwar auf knapp zwei Seiten auch
jeden nur erdenklichen Aspekt des Spanischen Bürgerkriegs an, von der
Nichtintervention, über die Waffenlieferungen der faschistischen Staaten, bis
hin zur Unterstützung der Sowjetunion, doch muß die Behandlung jedes dieser
Aspekte sich mit einem Satz begnügen. Ein Hauch der Guerillaromantik kommt
schließlich auf, wenn man folgende Stelle liest: „Die Verteidigung des
republikanischen Spaniens wurde zu einem leidenschaftlichen Anliegen für
politisch bewußte Menschen verschiedener sozialer und politischer Abstammung
(!). Wahrlich könnte man die magische Anziehungskraft Spaniens für
fortschrittliche Kräfte mit jener Cubas oder Nicaraguas in den letzten Jahren
vergleichen“.
Der Schwerpunkt dieses Beitrags liegt jedoch ebenfalls auf der Rezeption des
Bürgerkriegs durch die Schriftsteller, doch spätestens dann wenn man sich die
Literaturangaben näher betrachtet, erkennt man rasch, daß in keinem Absatz über
den zuvor erwähnten Artikel in der Zeit „Mit Gewehr und Feder“ hinausgegangen
wird, da es sich um ein bloßes Exzerpt desselben handelt. Besonders
aufschlußreich ist noch der Schlußsatz: „Hemingways Buch vermittelte ein
leichter verdaubares Bild vom Bürgerkrieg“, außerdem „gibt es bei ihm eine -
auch verfilmte - Liebesgeschichte“, „die anderen Geschichten“ hingegen
„erscheinen vielleicht authentischer, aber auch sperriger“. Damit schließt der
Artikel, doch dies ist nur die eine Seite der fundierten Aufarbeitung der
Ereignisse durch Weg und Ziel.
Dem gegenüber steht der Beitrag meines Vorredners Hans Landauer mit dem Titel
„Die österreichischen Spanienkämpfer“. Landauer entkräftet bekannte Vorwürfe
nicht nur rechtslastiger Historiker, die die Internationalen Brigaden nur allzu
oft „Komintern-Armee“ nannten, er skizziert den Zustrom der Österreicherinnen
und Österreicher in vier Gruppen, und stellt dabei klar, daß sich in der
vierten und größten Gruppe, die unter der Ägide der Roten Hilfe organisiert
worden ist, mit Angehörigen des Schutzbundes und der Revolutionären Sozialisten
auch Nicht-KPÖ-Mitglieder befunden haben. Mit der ausführlichen Schilderung der
Biographien der österreichischen Ärztinnen, Ärzte und Krankenschwestern geht
Landauer auf einen weiteren bisher unterbelichteten Aspekt der heimischen
Teilnehmer ein.
Von besonderem Interesse ist die Beschäftigung mit der Zahl der
österreichischen Spanienkämpfer: Nach Francos Geheimdienst sollen es 3000
gewesen sein, Franz Honner 1955 und Bruno Furch 1986 sprachen von 2000, Max
Stern 1966 von 1700, die Parteigeschichte ebenfalls von 1700, davon 1610
namentlich bekannt. Hans Landauer relativiert diese Zahlen nach Streichung der
Mehrfachnennungen auf 1500 Teilnehmer, davon 1368 namentlich bekannte und etwa
100 in anderen spanischen Einheiten. Landauer berichtet auch von der Tatsache,
daß die Kaderabteilung Dienstbeschreibungen, sogenannte „Caracteristicas“, für
208 KPÖ-Mitglieder und 61 Nichtmitglieder angefertigt hat, was bisher ebenfalls
wenig bekannt war und erst nach der Öffnung der Moskauer Archive ans Licht der
Öffentlichkeit gelangt ist. In der Behandlung des weiteren Schicksals der
österreichischen Freiwilligen schneidet Landauer ein brisantes Thema an,
nämlich die sogenannten Stalinopfer, wobei klargestellt wird, daß die Zahl
jener, die in die Sowjetunion gingen, maßlos überzeichnet wird. In Wahrheit
handelt es dabei sich um nur zwei Spanienkämpfer. Resümierend kann man
behaupten, daß dieser Artikel sicherlich am meisten neue Aspekte ans Licht
brachte, in gewissen Punkten Ausgewogenheit herstellte und bisher
unterbelichtete Faktoren näher beleuchtete.
In seiner Qualität knüpft dieser ausgezeichnete Beitrag also an die bisherigen
Artikel über den Spanischen Bürgerkrieg im Weg und Ziel an: zum einen die
umfassende Schilderung der Geschichte der österreichischen Freiwilligen von Max
Stern 1975, zum anderen die Artikelserie von Bruno Furch aus dem Jahr 1986, in
der die historische Entwicklung, deren nationaler und internationaler
Hintergrund, die Rolle der Internationalen Brigaden, sowie die Kontroversen
rund um die auch hier thematisierten Vorwürfe behandelt wurden.
Als weitere aktuelle Beiträge zum Thema wären die Publikationen der
Mitveranstalter dieses Symposiums zu nennen: einerseits der Artikel von Alois
Peter „Spanien vor 60 Jahren“ in den Mitteilungen der Alfred
Klahr-Gesellschaft, der einen guten historischen Abriß über den Spanischen
Bürgerkrieg und die Geschichte der Internationalen Brigaden gibt. Andererseits
die Sondernummer „60 Jahre“ der Zeitschrift „Spanien heute“, herausgegeben von
der „Vereinigung österreichischer Freiwilliger“, die einen Überblick gibt über
den Einsatz der österreichischen Spanienkämpfer und Auszüge bringt aus dem
Erinnerungsbuch von 1986. In sehr lebendigen Schilderungen erfährt man so über
den Weg der Brigadisten nach Spanien, von Erlebnissen an der Front bis hin zur Geschichte
der Fahne der 11. Brigade.
Der Kommunistische StudentInnenverband KSV bringt in der Dezember-Nummer seiner
Zeitung „Unitat“ einen Artikel über den Umgang mit dem Spanischen Bürgerkrieg
60 Jahre danach, die Kommunistische Jugend KJÖ veröffentlichte unter dem Titel
„Briefe aus Spanien“ einen biographischen Abriß des Lebens von Hans Landauer.
Letzterer Beitrag stellt eine gekürzte Fassung des fünfseitigen Artikels
„Stille Post für Spanien“ von Erich Hackl im Lettre International dar, der die
Biographie und die jahrelangen Bemühungen von Hans Landauer um das Archiv der
Spanienkämpfer schildert. Im Rahmen dieses Beitrags wird auch auf
Einzelbiographien von weiteren Freiwilligen eingegangen, auch von namentlich
bekannten Österreichern, die in den Reihen von anarchistischen oder
POUMistischen Milizen kämpften, was bisher kaum Erwähnung gefunden hat.
„Für Spaniens Freiheit“ 60 Jahre danach
Den maßgeblichsten Beitrag zur Würdigung der Internationalen Brigaden in den
Medien 60 Jahre danach stellt gewiß die zwölfseitige Sonderbeilage der diese
Woche erschienenen Volksstimme mit dem Titel „60 Jahre Spanischer Bürgerkrieg,
60 Jahre Internationale Brigaden“ dar. Hans Landauer geht darin auf die
österreichischen Freiwilligen ein, Erika Danneberg schildert, stellvertretend
für Tausende, das kämpferische Leben der Wienerin Marie Langer, Alois Peter
erzählt den bewegten Weg der Fahne des 12. Februar-Bataillons. Dirk Krüger aus
Wuppertal beschäftigt sich abschließend kritisch mit der spanischen Volksfront
als politischer und sozialer Basis für den Kampf gegen den Faschismus.
Erfreulicherweise finden sich auch in den Massenmedien Beiträge über die
Internationalen Brigaden: Ein zweiseitiger Artikel im profil 7/96 mit dem Titel
„Bataillon 14. Februar 1934“ beschäftigt sich mit dem an dieser Stelle bereits
behandelten Film „Land and Freedom“, zu dem profil ehemalige Spanienkämpfer ins
Kino eingeladen hatte. Dabei wird kritisch die „naive Verklärung von
Idealisierung, Unprofessionalität und Mitbestimmung selbst in militärischen
Einheiten“ am Beispiel der POUM-Miliz aufgezeigt. Zum Schluß kommen letztlich
die Interbrigadisten zu Wort, die sich einig sind in der Verurteilung der
inflationären und negativen Verwendung der Worte „Stalinismus“ und
„Stalinisten“. Gert Hoffmann betont bei allem Verständnis für die Spontaneität
zu Beginn, daß „die Schaffung einer disziplinierten Volksarmee eine
Notwendigkeit war“ und wenn ich zu Beginn vom „streitbaren“ Film von Ken Loach
gesprochen habe, so bringt es wohl der im profil zitierte Rudolf Schober am
besten auf den Punkt, inwiefern dieses Prädikat zutreffend ist, denn „mit der
Gewichtsverteilung haut es halt überhaupt nicht hin, die große Hilfe für die
Republik kommt zuwenig heraus“, kritisiert Schober. Bemerkenswert ist auch der
Beitrag im Zeit-Magazin 29/96 mit dem Titel „Genosse Brigadist, Kamerad
Legionär“, der fünf Überlebende des Spanischen Bürgerkriegs aus Deutschland
gegenüberstellt, zwei von Hitlers Legion Condor, die den Aufstand der Armee und
General Franco unterstützte, sowie drei Interbrigadisten, die die Republik
verteidigten. Da dieser Beitrag auch ein gutes Licht auf die Gegenwart wirft,
möchte ich ausführlicher daraus zitieren.
Zu Beginn kommt Ritterkreuzträger Herbert Hampe zu Wort. Auf das Symbol des
faschistischen Bombenterrors Guernica angesprochen antwortet er: „Ach ja,
Guernica, das haben sie uns immer angekreidet“, und gibt schließlich zu
bedenken, ob nicht „vielleicht die Rotspanier die Brände in der Innenstadt
selbst gelegt hätten, um den Vormarsch der Francotruppen zu hemmen“. Dies ist
bestimmt für keinen der hier anwesenden Interbrigadisten etwas neues, denn
genau das hat schon damals die faschistische Propaganda behauptet. In den
Schilderungen der ehemaligen Legionäre verliert der Krieg zugleich jede
politische Dimension, obwohl sie für den Faschismus und gegen die Republik
kämpften. Kurt Weinhold etwa meint: „Ich war nicht politisch, ich brauchte
Geld“. Gleichzeitig behauptet er, den das Geld lockte: „Den Kommunisten hatte
man versprochen, daß sie reich bezahlt werden. Ich kann die verstehen“.
Dem gegenüber steht Walter Bloch, der bei strömenden Regen zu Fuß über die
Pyrenäen illegal nach Spanien ging, Mitglied des Thälmann-Bataillons wurde und
nach dem Krieg in der Resistance tätig war. Heute noch Mitglied der DKP, bringt
er auf den Punkt, was das Schicksal vieler Spanienkämpfer ist: „wir sind
Niederlagen gewöhnt“, sagt er bedächtig. Über Kurt Goldstein, später
KZ-Häftling in Auschwitz, heute PDS-Mitglied, berichtet die Zeit folgendes:
„Eins wurmt ihn derzeit richtig: der Film „Land and Freedom“. Diese
romantisierende Darstellung der Milizen macht ihn schier rasend. Goldstein: Das
ist ein herrlich gemachter Film, aber eine infame Lüge. Die Interbrigaden haben
an der Front gekämpft, und diese trotzkistischen Milizen haben in Katalonien
Revolution gespielt. Bei der nächsten Vorführung in der Nähe wird er das aber
richtigstellen: Da gehe ich hin und sage die Wahrheit“.
Abschließend berichtet „Die Zeit“ von der geplanten Reise der ehemaligen
Interbrigadisten nach Spanien und vom einstimmigen Beschluß der spanischen
Regierung, das Versprechen von Ministerpräsident Negrin bei der Auflösung der
Brigaden wahr zu machen und den überlebenden Spanienkämpfern die
Staatsbürgerschaft zu verleihen. Die Condor-Flieger sind von dieser Ehrung
überrascht: Hampe meint, dies sei ihm „völlig schnuppe“, Weinhold hingegen:
„davon weiß ich gar nichts, da müssen wir ja gegensteuern“.
Ein ausführlicher Bericht über diese Reise der Gruppe österreichischer
Interbrigadisten nach Spanien 60 Jahre nach ihrem Einsatz findet sich in der
aktuellen Ausgabe der Volksstimme. Irene Filip beschreibt dabei unter dem Titel
„Rückkehr der Freiwilligen der Freiheit“ sehr bewegend die Veranstaltungen und
Ehrungen in Madrid, Albacete und Barcelona, sowie die große Anteilnahme der
spanischen Bevölkerung.
Die Ehrung der österreichischen Freiwilligen durch die spanische Regierung ist
schließlich auch dem Standard zwei kurze Beiträge wert. Doch allein der
Untertitel des ersten Artikels „auch Österreicher bekämpften Franco“ wirft ein
bezeichnendes Licht auf den Umgang der heimischen Öffentlichkeit mit den
Spanienkämpfern, da er deutlich macht, wie wenig die Tatsache, daß auch
Österreicher in Spanien Widerstand gegen den Faschismus leisteten und damit
gleichzeitig für die Freiheit und Unabhängigkeit Österreichs kämpften, bekannt
ist. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß der ORF im Rahmen seines
Magazins „Am Schauplatz“ im Jänner einen Beitrag über die Reise der
österreichischen Interbrigadisten nach Spanien bringen wird. Dieser ist jedoch
erst in Vorbereitung.
(fehlende) Auseinandersetzung mit der Vergangenheit
Auch im gerade angesprochenen Zeit-Artikel wird auf die Problematik der
Vergangenheitsbewältigung hingewiesen, indem auf Walter Blochs schweren Stand
in der Bundesrepublik hingewiesen wird. Ich zitiere: „Er mußte mit ansehen, wie
ehemalige Nazis in der jungen Bundesrepublik in hohe Ämter aufstiegen, und wie
seine Partei, die KPD, verboten wurde - in einem Land, in dem ehemalige
Soldaten der Legion Condor Rentenansprüche haben und die Mitglieder der
Internationalen Brigaden leer ausgehen“. Ein ähnliches Bild bietet sich auch in
Österreich, nur daß bei uns dieser Aspekt der Vergangenheitsbewältigung nicht
derart kritisch reflektiert wird wie in manchen deutschen Medien.
Einen wertvollen Beitrag dazu leistet auch eine 1996 entstandene 40-minütige
TV-Dokumentation des Südwestfunks mit dem Titel „Eine Reise in den
Bürgerkrieg“. Diese widmet sich den Internationalen Brigaden und der
„einzigartigen, größten Solidaritätsaktion aller Zeiten“, wie deren Einsatz
berechtigterweise bezeichnet wird. Gleichzeitig wird ein kritisches Licht auf
die Aufarbeitung dieses Internationalismus in den beiden deutschen Staaten
geworfen. Denn während die Überlebenden in der DDR, die dort an der besseren
Welt weiterarbeiten wollten, für die sie in Spanien gekämpft haben, von Amts
wegen als Helden verehrt wurden, nannte man sie im Westen Verräter, die im
Geschichtsunterricht totgeschwiegen wurden.
In dieser Hinsicht besteht auch keinerlei Unterschied zu Österreich, wo schon
früh nach 1945 im Zuge der Westintegration die Kommunistinnen und Kommunisten,
die Mitbegründer der II. Republik, und andere Linke aus der aktiven Gestaltung
der Republik hinausgedrängt wurden. Gleichzeitig mit der immer dominanter
werdenden antikommunistischen Grundstimmung setzte mit dem Abflauen des
antifaschistischen Geistes auch das ein, was wir heute als organisierte
Verdrängung bezeichnen, während die Verbrechen der Faschisten immer stärker
relativiert wurden.
Max Stern gab 1975 dem letzten Abschnitt seines im Weg und Ziel abgedruckten
Referats den Untertitel „Das offizielle Österreich schweigt“ und zitierte dabei
Juan Negrin, der vor dem Völkerbund seiner Überzeugung Ausdruck gab, „daß ihre
eigenen Länder auf die Interbrigadisten stolz sind“. Doch leider hat sich in
Wahrheit auch bis heute nichts daran geändert, daß in den Schulen und
Massenmedien der Einsatz jener Frauen und Männer wenig bis keinerlei Beachtung
findet, die mit ihrem Widerstand jenen eigenständigen Beitrag erfüllt haben,
der von der Moskauer Deklaration gefordert wurde, und die so zur
Wiederherstellung der Republik beigetragen haben.
Untersucht man zum Beispiel, wieviel Platz den ehemaligen Spanienkämpfern heute
in der SPÖ eingeräumt wird, so wird man nur auf einen von der Wiener
SPÖ-Bildung organisierten Vortrag im Czernetz-Bildungszentrum, auf einen
halbseitigen Text im Wiener Blatt und auf einen kurzen Artikel im
„Sozialdemokratischen Kämpfer“, der Zeitschrift des „Bundes
sozialdemokratischer Freiheitskämpfer“ stoßen. Dabei wird jedoch über
Gemeinplätze nicht hinausgegangen, die österreichischen Freiwilligen werden
etwa pauschal als „vom Austrofaschismus in die Illegalität gedrängte Linke“
bezeichnet.
Was nun nötig ist, ist jedoch in keiner Weise Imagepflege, vielmehr geht es
darum, die antifaschistische Traditionspflege mit einem Beitrag zur kritischen
Aufarbeitung der Vergangenheit zu verbinden. Und genau diese ernsthafte
Auseinandersetzung haben sich SPÖ und ÖVP seit 1945 gespart und unterbunden.
Deshalb muß ganz klar gesehen werden, wer sich heute dieser Aufgabe
verpflichtet fühlt und welche Kräfte 60 Jahre danach Interesse zeigen an einer
systematischen Beschäftigung mit dem demokratisch-antifaschistischen
Freiheitskampf des spanischen Volkes, mit dem sich Antifaschistinnen und
Antifaschisten aus allen Ländern solidarisierten und in der Aktion beistanden.
Und wie nicht zuletzt diese Darstellung der Rezeption des Spanischen
Freiheitskriegs in den Medien 60 Jahre danach gezeigt hat, handelt es sich
dabei vor allem um die Veranstalter dieses Symposiums, denn allein die
Tatsache, daß diese Veranstaltung hier die einzige historisch relevante
Würdigung der Internationalen Brigaden in Österreich darstellt, beweist, daß
das Thema „Widerstand“ für das offizielle Österreich noch immer ein politisches
Tabuthema ist, während die Veteranen der Hitlerarmee im Kameradschaftsbund
problemlos ihre Traditionen ausleben können.
Durchaus selbstkritisch gibt sich in dieser Beziehung die Tageszeitung „Die
Presse“, die im Februar 1996 in ihrer Filmkritik zu „Land and Freedom“
folgendes schreibt: „Nachdem das Projekt „Realer Sozialismus“ zu den erledigten
Akten gelegt wurde, taucht das Andenken an den antifaschistischen
Freiheitskampf im Spanien der 30er Jahre heute meist nur noch als Fußnote eines
bequemen Geschichtsverständnisses auf. Bestenfalls regt sich das (einst von
europäischen Linken euphorisch wach gehaltene, inzwischen leise begrabene) Erbe
der Internationalen Brigaden noch hie und da als linker Mythos auf dem Friedhof
der Geschichte“. Soweit die Presse.
Da jedoch niemand den Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern ihre
historischen Verdienste streitig machen kann, kommt uns als Antifaschistinnen
und Antifaschisten die riesige Verantwortung zu, die Traditionen der Arbeiterbewegung
und damit das noch lange nicht begrabene Erbe der Internationalen Brigaden
hochzuhalten und dabei gleichzeitig klarzumachen, daß der aktuelle
Antifaschismus und der antifaschistische Widerstand von damals zusammengehören.
Referat auf dem Symposium der Alfred Klahr Gesellschaft „60 Jahre
Internationale Brigaden“, 23. November 1996
|