Klahr    Alfred Klahr Gesellschaft

Verein zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung

Drechslergasse 42, A–1140 Wien

Tel.: (+43–1) 982 10 86, E-Mail: klahr.gesellschaft@aon.at


 

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Hans Hautmann (1943–2018)

Die Alfred Klahr Gesellschaft trauert um ihren ehemaligen Präsidenten

Der Tod von Univ.-Prof. Dr. Hans Hautmann am 3. Juli 2018, wenige Wochen vor seinem 75. Geburtstag, reißt eine gewaltige Lücke in die kleine Schar marxistischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Österreich. Die Geschichtsschreibung der österreichischen ArbeiterInnenbewegung aus kommunistischer Sicht verliert mit ihm ihren wichtigsten Vertreter.
Hans Hautmann wurde am 22. August 1943 als jüngerer der beiden Söhne von Leopoldine und Rudolf Hautmann in Wien geboren. Die beherzten Aktionen seines Vaters, eines Simmeringer Autoschlossers, während der Kämpfe um Wien im April 1945 zur Sicherung der Infrastruktur und Versorgung veranlassten die sowjetische Kommandantur, ihn mit dem Aufbau eines „polizeilichen Hilfsdienstes“ zu beauftragen – damit wurde Rudolf Hautmann erster Polizeipräsident des befreiten Wien. Die jahrzehntelange starke Präsenz von Kommunisten und Kommunistinnen in der Wiener Polizei sowie der Aufbau einer „Kulturvereinigung der Polizeibediensteten“ waren maßgeblich auf jene frühen Initiativen von Rudolf Hautmann zurückzuführen. Hans Hautmanns Vater war auch erster Präsident des neu gegründeten Österreichischen Volleyballverbands. Hans selbst bestritt in den 1960er Jahren mehrere Spiele für die österreichische Volleyballnationalmannschaft.
Nach der Matura am Bundesrealgymnasium Stubenbastei begann Hans Hautmann ein Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Wien. Seine Sozialisation und politische Prägung im kommunistischen ArbeiterInnenmilieu widerspiegelte sich auch in seiner 1968 fertiggestellten Dissertation über die Frühgeschichte der KPÖ, die 1970 gedruckt erschien und 1971 unter dem Titel „Die verlorene Räterepublik“ eine Neuauflage erlebte. Sie stellt bis heute ein breit rezipiertes Standardwerk dar. Hautmanns berufliche Tätigkeit als Historiker hatte schon 1966 begonnen – als ehrenamtlicher Mitarbeiter des 1963 gegründeten Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, wo er bis 1968 tätig war. Der wissenschaftliche Leiter des DÖW, Herbert Steiner, war es auch, der Hans Hautmann 1969 an den Linzer Universitätsprofessor Karl R. Stadler „vermittelte“, der ihn als Assistent am neu gegründeten Institut für Neuere und Zeitgeschichte der Johannes-Kepler-Universität Linz engagierte und fortan seine wissenschaftliche Laufbahn begleitete (und gegen zahlreiche Angriffe aus dem konservativen Lager schützte).
Schon seit 1967 hatte Steiner – als damaliger Sekretär der Historischen Kommission der KPÖ – die informelle Teilnahme von Hans Hautmann an den Sitzungen der Kommission ermöglicht, der er seit 1974 formell angehörte. Auch nach seiner Übersiedlung nach Linz blieb Hautmann Mitglied der Historischen Kommission beim ZK der KPÖ. Er war einer der Autoren der (wegen der Farbe ihres Einbands so bezeichneten) „roten“ Parteigeschichte von 1977, die als Gemeinschaftswerk von akademisch ausgebildeten Historikern (Hans Hautmann und Winfried R. Garscha) und „Parteiveteranen“ (Erwin Zucker-Schilling, Max Stern, Albert Hirsch, Friedl Fürnberg) erschien. Gemeinsam mit Friedl Garscha war er in den folgenden Jahren verantwortlich für eine „Professionalisierung“ der Parteigeschichtsschreibung. Er war einer der Hauptautoren der 1987 erschienenen „grauen“ Parteigeschichte, für die er das Kapitel über die Frühgeschichte der KPÖ und (als Ko-Autor) jenes über die Jahre der austrofaschistischen Diktatur 1934–1938 schrieb.
1984 erschien als Gemeinschaftsausgabe des Berliner Dietz-Verlags und des Globus-Verlags der KPÖ das – gemeinsam mit Friedl Garscha verfasste – Buch über den Februar 1934 in Österreich. Zwischen 1969 und 1991 veröffentlichte die theoretische Zeitschrift der KPÖ „Weg und Ziel“ zwanzig geschichtswissenschaftliche Beiträge von ihm. Diese wichtige Tätigkeit zur Erforschung der österreichischen Geschichte aus kommunistischer Sicht setzte er in den folgenden Jahren mit über fünfzig Aufsätzen in den „Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft“ fort. 2014 verfasste er die von der KPÖ herausgegebene Broschüre „Der Erste Weltkrieg und das Entstehen der revolutionären Linken in Österreich“. Erst wenige Wochen vor seinem Tod brachte der Globus-Verlag sein „Marx-Engels-Handbuch“ neu heraus – als Beitrag der KPÖ zum 200. Geburtstag von Karl Marx.
Gleichzeitig mit seiner Lehrtätigkeit an der Universität Linz war Hans Hautmann auch am dort angesiedelten Ludwig-Boltzmann-Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung aktiv. In der Buchreihe dieses Instituts erschien 1974 sein gemeinsam mit Rudolf Kropf verfasstes Werk „Die österreichische Arbeiterbewegung vom Vormärz bis 1945“, das zu einem Klassiker wurde und bis 1978 drei Auflagen erlebte. Eine weitere Publikation, die eine Pioniertat darstellte, war der 1980 im Schönbrunn-Verlag erschienene Band „Die Gemeindebauten des Roten Wien 1919–1934“, den er gemeinsam mit seinem Bruder, dem Architekten Rudolf Hautmann, verfasste. 1982 habilitierte sich Hans Hautmann an der Universität Linz zum Universitätsdozenten. Seine über 800 Seiten starke Habilitationsschrift über die „Geschichte der Rätebewegung in Österreich 1918–1924“ erschien 1987 als Buch und ist bis heute eine der umfassendsten Darstellungen der Rätebewegung außerhalb Russlands überhaupt. 1988 erfolgte die Ernennung zum Assistenzprofessor, 1997 wurde Hautmann der Titel eines außerordentlichen Universitätsprofessors verliehen. 1996 bis 1998 sowie 2000 bis 2005 war Hans Hautmann Vorstand des Instituts für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte der Universität Linz – ein seltenes Beispiel einer akademischen Karriere eines Historikers mit kommunistischem Hintergrund in Österreich.
Als marxistischer, herrschaftskritischer Historiker war Hautmann neben seiner akademischen Laufbahn stets auch im außeruniversitären Bereich aktiv. Als 1993 die Alfred Klahr Gesellschaft gegründet wurde, um das Archiv der KPÖ wissenschaftlich zu erschließen, gehörte Hautmann zu den ProponentInnen und Gründungsmitgliedern. Bis 2005 fungierte er als erster Präsident. Wie kein anderer hat Hautmann das öffentliche Erscheinungsbild der Alfred Klahr Gesellschaft geprägt, sei es durch seine Beiträge in den „Mitteilungen“ oder durch seine zahlreichen Vortragsabende und Referate auf Symposien. Als er 2005 an der Universität Linz in den Ruhestand trat und seine Funktion als Präsident unserer Gesellschaft zurückgelegte, bedeutete dies keine Einschränkung seiner Aktivitäten. Im Gegenteil: Nachdem Hautmann seinen Lebensmittelpunkt nach Wien verlegt hatte, konnte er sich hier ganz auf seine wissenschaftliche Arbeit konzentrieren, was der Alfred Klahr Gesellschaft in besonderem Maße zu Gute kam. Es gab seither kaum eine Ausgabe der „Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft“, in der kein Beitrag von Hautmann zu finden ist. Vier der bisher 16 erschienenen Bände der von der Alfred Klahr Gesellschaft herausgegebenen Reihe „Quellen und Studien“ wurden von ihm verfasst, darunter ein Sammelband all seiner Beiträge und Referate mit dem Titel „Von der Permanenz des Klassenkampfes und den Schurkereien der Mächtigen“.
Neben der Geschichte der ArbeiterInnenbewegung waren Hautmanns Forschungsschwerpunkte die Justizgeschichte (besonders die Verbrechen der k.u.k. Militärjustiz im Ersten Weltkrieg), die Theoriegeschichte des Sozialismus sowie ganz allgemein die österreichische Geschichte des 20. Jahrhunderts. Zu seinem 70. Geburtstag im Jahr 2013 erschien eine Festschrift mit Beiträgen von FachkollegInnen, MitarbeiterInnen und FreundInnen Hautmanns aus vier Jahrzehnten gemeinsamer Arbeit mit dem Titel „Geschichtsschreibung als herrschaftskritische Aufgabe. Beiträge zur ArbeiterInnenbewegung, Justizgeschichte und österreichischen Geschichte im 20. Jahrhundert“.
Unser Mitgefühl gilt seinen beiden Söhnen Philip und Viktor sowie seiner Frau Claudia.

 

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