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Maria Ascher: Irma Schwager – Eine Frau im Widerstand
Erlebte Geschichte mit Hilfe von
Zeitzeugeninterviews zu erforschen, ist ein seit den 70er Jahren verwendetes
Mittel. Dadurch ist es möglich, dem Anspruch, individuelle Erlebnisse und
Erfahrungen für die Nachwelt zu konservieren, gerecht zu werden und nicht nur
die Geschichte der „großen Männer“ zu schreiben. Die „Lehren aus der
Geschichte ziehen“ zu können und die Lebensgeschichte einer Frau einem größeren
Publikum zugänglich zu machen, ist der Grund einer Diplomarbeit, die an der
Universität Innsbruck im Herbst 2001 fertiggestellt wurde und den Titel „Irma
Schwager – eine Frau im Widerstand“ trägt.
Irma Schwager war während des Zweiten Weltkrieges
in der französischen Widerstandsbewegung tätig und hat in der Zweiten Republik
maßgeblich die Geschicke des Bundes Demokratischer Frauen Österreichs
mitbestimmt. Schwager erblickte am 30. Mai 1920 in Wien als Irma Wieselberg das
Licht der Welt und wuchs im zweiten Gemeindebezirk auf, wo ihre Eltern zwei
Gemischtwarengeschäfte führten. Eine erste politische Bewusstseinsbildung
erfolgte während der Zeit des „grünen Faschismus“, wo Irma Schwager die
Restriktionen des autoritären Ständestaates in der Schule zu spüren bekam.
Die Zäsur in der Biografie war sicherlich der
Einmarsch der Nationalsozialisten in Österreich. Mit einem „permit“ wollte
Irma Schwager zunächst nach England, ihre mittlerweile nach Belgien emigrierten
Freunde überredeten sie aber zum Verbleib in Brüssel, wo sie erste Kontakte zu
KP-nahen Organisationen knüpfte. Nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten in
Brüssel floh sie nach Frankreich, wo sie wie viele andere das Leben in
Internierungslagern erdulden musste.
Nach mehreren Fluchtversuchen und Kontakten zur
Widerstandsbewegung wurde sie als Suzanne Berger nach Paris geschleust und
begann dort ihre eigentliche Widerstandsarbeit. Nach dem Einmarsch der Deutschen
in Belgien und Frankreich dauerte es etwa ein Jahr bis planmäßig eine
Widerstandsorganisation mit dem Namen TA (Travail-Anti-Allemand) geschaffen
werden konnte. Eingegliedert in die „Front National pour la Liberation“
(FNL), der französischen Freiheitsfront, war die TA organisiert.
Irma Schwager war durch ihre Aufenthalte in
Belgien und Frankreich in diese Widerstandsbewegung miteingebunden und betätigte
sich aktiv an der sogenannten „Mädelarbeit“. Die Aufgabe dieser mutigen
jungen Frauen war es, deutsche Soldaten kennenzulernen und sie von der
Sinnlosig- und Ausweglosigkeit des Krieges durch Gespräche und Überreichen von
Agitationsmaterial zu überzeugen. Diese vordergründig einfach erscheinende
Aufgabe war nur mit viel Vorsicht und Einfühlungsvermögen durchführbar.
Beispielsweise war das Ansprechen der Soldaten für Irma Schwager zunächst nur
schwer vorstellbar, erst als sie von einer Mitstreiterin auf folgende Weise
instruiert wurde, war ihr vieles klarer. „Dann habe ich gefragt: „Na und,
wie kommt man zu den Soldaten?“ Die Rosel hat dann zu mir gesagt: „Na, bist
du noch nie auf Aufriss gegangen!“
Die Mädelgruppen arbeiteten in einer Gruppe mit 8
Mädchen, Kontakt hatte man aber immer nur mit 1-2 Frauen. Rund um Paris in den
Vorstädten waren viele deutsche Soldaten stationiert und am Sonntag nachmittags
oder manchmal auch am Abend ging man auf Aufriss. Die Gruppen wurden jeweils von
einem Instrukteur angeleitet, dabei war konspiratives Vorgehen von enormer
Bedeutung. War ein Soldat bereit, Flugblätter zu übernehmen, wurde er einer
besonders qualifizierten Mitarbeiterin vorgestellt, die ihn davon überzeugen
sollte, weiterführende Widerstandsarbeit wie z.B. Schaffung von Soldatengruppen
zu leisten. Die Frauen in den Mädelgruppen durften sich nur auf der Straße
treffen, um Informationen auszutauschen und mussten ganz pünktlich sein nach
dem Grundsatz, man darf nicht zu viel wissen, um bei einer möglichen Folterung
keine Namen von Mitkämpferinnen nennen zu können. Nach jedem Treffen mit
Soldaten beriet man sich in der Gruppe. Man tauschte Erfahrungen aus und
besprach die mögliche nächste Vorgangsweise.
Neben der Widerstandstätigkeit arbeitete Irma
Schwager legal in einem Wehrmachtsformularverlag der Nazis in Paris bis zu ihrer
Schwangerschaft 1944. Nach der Geburt ihres ersten Kindes wurde sie von der
Widerstandszentrale nach Brüssel zurückgeschickt. Dort wiederum arbeitete sie
in der Leitung der „Front National Autrichien“ zusammen mit dem Physiker
Prof. Pribram und Dori Meiselmann für die Organisation der Exilösterreicher in
Belgien und Frankreich, wo sie für die Notwendigkeit des Wiedererstehens eines
unabhängigen Österreichs in der belgischen Öffentlichkeit eintrat. Dieses
generelle Engagement der Widerstandsbewegung war mit ein Hauptgrund, dass Österreich
nach 1945 die Eigenständigkeit wieder anstreben konnte.
Ab den 50er Jahren war Irma Schwager in der österreichischen Frauenbewegung
tätig, schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg war sie in den KPÖ Frauenaktivs
engagiert und eine Zeit lang half sie auf einer Parteischule. Die eigentliche
politische Arbeit und die miteinhergehende Berufstätigkeit kam aber erst mit
ihrer Arbeit im Bund Demokratischer Frauen Österreichs (BDFÖ). Irma Schwagers
Karriere im BDFÖ verlief in Etappen, zunächst war sie verantwortliche Sekretärin,
1972 wurde sie Vorsitzende und dann 1989 Ehrenvorsitzende der Organisation. Für
ihre Rolle im Widerstand wurde sie in zahlreichen Publikationen des BDFÖ erwähnt
und ausgezeichnet. Außerdem war sie in der KPÖ politisch tätig.
Ihre Arbeit als Sekretärin beim BDFÖ hat Irma
Schwager umfassend organisiert: politische und gesellschaftliche Überzeugungsarbeit
zu leisten, war wie zur Zeit des Krieges nun auch in der Frauenpolitik der
Zweiten Republik gefordert. Frauenthemen wurden erst dann aktuell, wenn aus den
Wahlstimmen der Frauen Kapital geschlagen werden konnte. Irma Schwagers
Engagement für den BDFÖ umfasste u.a. auch das Formulieren von Publikationen
und Werbematerial, die Organisation des Druckes und der Vervielfältigung und
auch die Selbstverteilung des Materials.
Schwerpunkte der politischen Arbeit im BDFÖ waren
die Respektierung der Berufstätigkeit von Frauen, die Gleichberechtigung wie
beispielsweise die Forderung nach einem reformierten Familienrecht oder auch die
Fristenlösung. Durch die Erfahrung des Krieges trat man im BDFÖ ganz besonders
für Frieden und gegen Krieg und Faschismus ein. Besondere Bedeutung hat für
den BDFÖ der Internationale Frauentag am 8. März, der nach wie vor jedes Jahr
organisiert wird. Zahlreiche Kooperationen mit anderen Frauenorganisation wurden
von Irma Schwager eingegangen und mit großer Begeisterung über die Solidarität
unter den Frauen wurden internationale Zusammenkünfte wahrgenommen.
Das achtstündige Interview-Transkript von Irma
Schwager und die Recherche zur Biografie zeigen ganz bewusst auf, wie
differenziert die gesellschaftlichen, politischen und individuellen
Voraussetzungen die Lebensgeschichte dieser Frau geprägt haben. Irma Schwagers
Engagement für Frauen und für Frieden ist in erster Linie nicht politisch
tangiert, ihr geht es vor allem um eine Verbesserung des jeweiligen Status quo für
die Menschen. Ihr nach humanistischen Prinzipien geführtes Leben kann ein
Beispiel dafür sein, welche Kräfte und Aktivitäten notwendig sind, damit sich
etwas, wenn auch nur im kleinen, verändern kann. Sowohl ihre Arbeit im
Widerstand gegen den Nationalsozialismus als auch ihr Einsatz für die
Gleichberechtigung von Frauen und für die Friedensbewegung sind ein Zeichen und
ein ausgezeichnetes Beispiel für die immense Kraft- und Energieaufwendung von
zahlreichen politisch aktiven Frauen nach 1945.
Da jedoch das Interview mit Irma Schwager nicht allein Auskunft über ihre
Biografie geben soll, war es auch wichtig, die zu einem überwiegenden Teil von
Frau Schwager zur Verfügung gestellten Reden, Aufzeichnungen und Publikationen
zu edieren und mit den Aussagen im Interview zu vergleichen. Daher wurden in
einem eigenen Dokumentenband zur Diplomarbeit möglichst alle zugänglichen
Zeitungs- und Zeitschriftenartikel (Volksstimme, Stimme der Frau, Von Frau zu
Frau...) die Irma Schwager im Laufe ihrer politischen Arbeit verfasst hat,
zusammengefasst. Natürlich wurde auch das Transkript des Interviews in diesen
Anhang miteingebaut, da seine Zitate und Wertungen den Hauptbestandteil der
Diplomarbeit ausmachen und in repräsentativer Weise einen Querschnitt der österreichischen
Geschichte des 20. Jahrhunderts wiedergeben.
Maria Ascher: Irma Schwager – Eine Frau im Widerstand. Diplomarbeit
Universität Innsbruck 2001, 2 Bände
Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 3/2002
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