Klahr    Alfred Klahr Gesellschaft

Verein zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung

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Hans Hautmann: Eröffnungsworte

In diesen Tagen und Wochen jagt eine Veranstaltung zum heurigen Gedenkjahr die andere, die Zeitungen sind voll von Erinnerungsartikeln, im Fernsehen gibt es dazu Sendungen, Bücher erscheinen usw. In aller Regel fehlt aber bei diesen Aktivitäten gerade das, was wir heute in den Mittelpunkt stellen oder es wird minimalisiert, verdreht und verfälscht dargeboten: die große und wahrhaft historische Rolle, die Kommunistinnen und Kommunisten beim Wiederaufbau unseres Landes, bei der Gründung der Zweiten Republik spielten.
Was bei uns damals geschah, war Bestandteil und Ausdruck einer Wende von weltgeschichtlicher Bedeutung, des Sieges der Armeen der Anti-Hitler-Koalition und der um ihre Freiheit ringenden Völker über den Faschismus. Damit wurden günstige Bedingungen sowohl dafür geschaffen, dass der antifaschistische und nationale Befreiungskampf in einer Reihe von Ländern Europas und Asiens in sozialistischen Umwälzungen ausmünden konnte, als auch dafür, dass in den kapitalistischen Ländern Umgestaltungen eintraten, die allgemeindemokratischen Charakter hatten, die die Positionen der Arbeiterbewegung stärkten und sich positiv auf die weitere sozialökonomische Entwicklung auswirkten.
Der wichtigste und entscheidende Grund dafür, dass es so kommen konnte, war, dass im Zweiten Weltkrieg nicht nur eine, sondern zwei Gruppen von Widersprüchen ihren Ausdruck fanden, der Widerspruch zwischen den imperialistischen Mächten Deutschland, Italien und Japan auf der einen und Großbritannien, Frankreich und den USA auf der anderen Seite und ein neuer Widerspruch, der zwischen der kapitalistischen Welt insgesamt und der Welt des Sozialismus, repräsentiert durch die Sowjetunion. Das war es, was dem Verlauf des Krieges ebenso wie seinen Endergebnissen den Stempel aufdrückte. Die Sowjetunion, die die Hauptlast des Krieges trug, die diesen blutigen Kampf fast drei Jahre lang auf sich allein gestellt führen musste, verkörperte die Hoffnungen der vom Faschismus unterjochten Völker auf die kommende soziale und nationale Befreiung. Dadurch, dass sie unter schwierigsten Bedingungen den Schlägen der deutschen Wehrmacht widerstand, sie zum Stehen brachte, sie aus dem Land vertrieb und zum Angriff auf das von Deutschland beherrschte Territorium Europas überging, stieg ihr Prestige unermesslich an. Ihr Dasein und ihr siegreicher Kampf entschieden im Zweiten Weltkrieg das Schicksal der internationalen Arbeiterbewegung, das Schicksal des sozialen Fortschritts, ja der nationalen Existenz ganzer Völker, das Schicksal der Weltzivilisation.
Unter dem Einfluss der Siege der sowjetischen Streitkräfte wuchs und entwickelte ich in den okkupierten Ländern Europas eine mächtige Widerstandsbewegung, die in Ländern wie Jugoslawien, Griechenland, Italien, Frankreich, Polen, Tschechoslowakei, Norwegen, Belgien vier bis fünf Millionen Menschen erfasste. Das war neben dem Kampf der regulären Armeen an den Hauptfronten eine neue Kraft, ein neuer militärischer und politischer Faktor in einem Ausmaß, wie ihn die Geschichte bis dahin noch nicht gekannt hatte, ein bestimmendes Element des Zweiten Weltkriegs, dem ein wesentlicher Anteil am Sieg der Anti-Hitler-Koalition zukam. Die stärkste und leitende Kraft dieses Widerstandes, der in einigen Ländern in seine höchstmögliche Form, in den Partisanenkrieg überging, waren die Kommunisten, deren Zahl trotz ihrer gewaltigen Opfer unablässig wuchs. Die Kommunistische Partei Jugoslawiens zählte bei Kriegsbeginn etwa 15.000 Mitglieder, von denen bereits 1941 etwa 80 Prozent im Kampf gegen die Hitler-Okkupanten ihr Leben verloren. Dennoch stieg die Zahl der Parteimitglieder bis Jänner 1945 auf mehr als 100.000 an. Die Kommunistische Partei Italiens hatte am 25. Juli 1943, beim Sturz Mussolinis, nur 5000 bis 6000 Mitglieder. Im April 1945 zählte sie im deutsch besetzten Norditalien 90.000, im übrigen Italien 340.000 und Anfang 1946 1,7 Millionen Mitglieder. Der Kommunistischen Partei Frankreichs, die von ihren 300.000 Mitgliedern während der Résistance gegen die deutschen Besatzer 75.000 durch Hinrichtungen, Erschießungen, Massaker verlor, gehörten 1945 über 900.000 Mitglieder an. Viele kommunistische Parteien wurden 1944/45 zu Massenparteien – ein Ausdruck der Anerkennung, die sich die Kommunistinnen und Kommunisten im Widerstandskampf erworben hatten.
Diese gestärkten Positionen bildeten die Grundlage für die Zusammenarbeit von Kommunisten, Sozialdemokraten und bürgerlichen Antifaschisten nach der Befreiung. Von 1945 bis 1947 gehörten Vertreter von 9 kommunistischen Parteien als Minister zu Regierungen kapitalistischer Länder Europas. Neben Österreich waren das Frankreich, Italien, Belgien, Luxemburg, Dänemark, Norwegen, Island und Finnland. Für alle diese neun kommunistischen Parteien war es das erste Mal in ihrer Geschichte, dass sie Regierungsverantwortung trugen. Die Beteiligung von Kommunisten an den Nachkriegsregierungen half, den Einfluss der Arbeiterbewegung auszudehnen und progressive Umgestaltungen in den verschiedensten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu vollziehen.
Wie sich diese neue Weltsituation in Österreich widerspiegelte und fokussierte, was sich konkret bei uns vollzog, welche politische Linie die KPÖ als Regierungspartei verfolgte, welche Erfolge es dabei gab, aber auch welche Probleme auftauchten und Hindernisse, die sich entgegenstellten, wird Gegenstand der Beiträge unseres Symposiums sein.

Eröffnungsworte am Symposium der Alfred Klahr Gesellschaft „Befreiung und Wiederaufbau – Die KPÖ als Regierungspartei“ am 16. April 2005

 

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